Die Kunstgewerbe auf der nürnberger Ausstellung. Von Friedrich Nauert.
Der Aufschwung, welchen unsere Kunstgewerbe seit der lezten großen volkswirtschaftlichen Katastrophe erfreulicherweise allenthalben zeigen, hat sich auch auf Baierns Ausstellung offenbart. Die schöpferische Phantasie, welche dem ganzen Ausstellungsplaz mit seinen Gebäuden aller Art ihr Gepräge verleiht, begegnet einem schon beim Eintritt und dokumentirt sich dann in jeder Abteilung bereits an den Ausstellungskästen, die oft Meisterwerke des Tischlers u. s. w. sind und an sich schon verdienten genauer betrachtet und beschrieben zu werden. Es ist eben höchste Aufgabe des Menschen, allem, was er schafft, und diene es auch ganz profanen Zwecken, eine seinem Wesen entsprechende, schöne Form zu geben. Welch hohen Wert dann ein solcher Gegenstand für uns gewinnt, indem er nicht nur seinen Gebrauchszweck erfüllt, sondern auch unser Auge erfreut, das zeigt gerade eine solche Ausstellung und zwar speziell an den Ausstellungsfästen und Schränken, die obendrein nur die vorübergehende Aufgabe haben, dieses oder jenes Produkt zu bergen. Hier hat man diese Behälter oft mit ebensoviel Humor als mit künstlerischem Geschick ausgestattet, und man staunt über die Abwechslung und die unerschöpfliche Erfindungsgabe ihrer Erzeuger.
Noch besser wäre es freilich, wenn solches Kunstgefühl und Kunstverständnis in all unserem Hausrat zur Geltung fäme. Da gilt freilich noch zu häufig die total verkehrte Anschauung, daß das einfache nicht schön sein und daß die Kunstindustrie erst anfangen könne, wo ein gewisser Reichtum von ornamentalen oder sonstigen künstlerischen Verzierungen angebracht, mindestens aber ein teurer edler Stoff zur Verwendung gelangt ist. Durch diese verkehrte Auffassung hat man die funstindustriellen Erzeugnisse zu Lurusgegenständen gestempelt und von deren Genuß den weitaus größten Teil des Volkes ausgeschlossen, und zwar zum Nachteil der Kunstgewerbe selbst.
Es lohnt sich hier, auf die sogenannte Kleinkunst der Alten, auf die Lampen, Löffel, Gefäße 2c. hinzuweisen. Was entzückt uns denn beispielsweise an den griechischen Vasen so sehr? Nur die einfachen aber klassisch schönen Formen, welche uns in dem Profil entgegentreten und die allen Gefäßkünstlern von heute als Vorbilder gelten, aber nur von wenigen erreicht wurden. In der klassischen Periode des Griechentums war es eben die Schönheit, welche bei der Erziehung wie im ganzen Staatswesen als höchstes Strebeziel galt und die in den als Zentralpunkt des gesammten geistigen Lebens dienenden, vom Gemeinwesen aufgeführten Monumentalbauten ihren sprechendsten Ausdruck fand. Man betrachte daher die edle Einfachheit der Formen des dorischen Tempels und man wird darin volle Uebereinstimmung mit dem gesammten griechischen demokratischen Volkslebens finden. Das alles kehrt wieder in den kunstvoll geformten Gegenständen, die dem alltäglichen Gebrauch dienten, und so wird denn, wenn man den materialistischen Zug unserer Zeit, den ungesunden Ueberfluß auf der einen, den Mangel am nötigsten auf der anderen Seite betrachtet, all die Ueberladung und der Schwulst, die sich nur allzuoft in unserer Kunst und Kunstindustrie offenbaren, erklärlich. Das ist Luxus aber keine Kunst! Damit soll die Dekoration in Form und Farbe nicht ausgeschlossen sein! Im Gegenteil. Aber einerseits darf man nicht vergessen, daß diese gewisse Grenzen nicht überschreiten darf und dem Karakter des Werkes entsprechen soll, während man sich andererseits stets gegenwärtig zu halten hat, daß auch das Einfache und Schlichte schön sein kann.
Und nun beachte man, was heute durch die mannigfachen Mittel der Vervielfältigung alles geschehen könnte. Tausenden und abertausenden kann z. B. ein in Bronze gegossener Gegenstand, der nach einem von Künstlerhand geformten Modell hergestellt wird, zugänglich gemacht werden. Aehnlich auch mit den übrigen Sachen, die jedermann im Hause braucht. Wir werden überhaupt erst dann ein Kunstgewerbe haben, das jeder Kritk entgegentreten fann, wenn an jedem und auch dem einfachsten Gebrauchsgegenstande sich künstlerisches Empfinden ausspricht. Die Kunst und die Kunstindustrie verstoßen gegen ihr eigenstes Wesen, wenn sie nicht für das ganze Volt schaffen.
Das ist nun leider auf unseren Ausstellungen noch nicht genügend berücksichtigt worden. So befindet sich z. B. unter den Zimmereinrichtungen auch in Nürnberg wiederum nur eine, die dem sogenannten bürgerlichen Bedürfnisse entspricht. Und diese karakterisirt sich denn wirklich nach allen Richtungen als geschmacklos. Trivial in den Formen, trist, zumteil sogar widerlich in den Farben, machen solche Arbeiten einen Eindruck, als ob man sich fürchtete, für einen geringen Preis etwas geschmackvolles zu liefern, denn es glaubt doch wohl kein Mensch, daß eine einfache aber schöne Form und Färbung mehr Arbeit und Kosten verursachen werde wie eine geschmacklose.
Dann ist vor allem noch ein Fehler zu rügen, der heute namentlich bei Einrichtung und Ausschmückung der Wohnungen gemacht wird: nämlich die Mode gewordenen altdeutschen Zimmer. Ist es schon ganz recht, wenn man die klassischen Vorbilder der Alten zum Muster nimmt, so ist doch auf alle Fälle das meist sklavische Kopiren zu vermeiden. Wir haben infolge der seit Jahrhunderten gemachten Fortschritte heute entschieden andere Bedürfnisse als unsere Vorfahren im 15. und 16. Jahrhundert. Vor allem verlangen wir nach Licht, und wenn wir trozdem aus Gründen des guten Geschmacks die alte Farblosigkeit aus unseren Zimmern verbannen und wieder zu den intensiven fatten Farbtönen zurückkehren, so wollen wir doch nicht in einem Raum wohnen,
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der verhältnismäßig niedrig und dann durch seinen massig schweren Holzplafond noch drückender und beengender wirkt, und der womöglich durch die Schalen, Tassen, Krüge, Flaschen und allerhand altertümliches Geschirr auf dem Gesims der Wandvertäfelung förmlich zum Raritätenfabinet gemacht wird. Wer wird denn in einem Museum wohnen wollen? Man hüte sich daher vor der überhand nehmenden Altertümelei. Das ist unsern Vorbildern nie eingefallen, denn sie folgten bei Herstellung ihrer Hauseinrichtungen hauptsächlich den Bedürfnissen ihrer Zeit. Wenn wir ihnen daher nachahmen wollen, so wird dies nur insoweit geschehen dürfen, als wir in den Geist einzudringen suchen, der in ihren Werken lebt, und daß wir dann entsprechend den darin waltenden Gesezen der Schönheit die unseren, aber entsprechend den Bedürfnissen unserer Zeit, zur Ausführung bringen.
Besonders geeignet für die Arbeiten in Holz ist nun die deutsche Renaissance. Die Schreiner und Drechsler können in diesem Stil die Wand- und Plafondverkleidungen, wie auch die Möbel, ohne teure Beihilfe des Bildhauers und Schnizers selbst herstellen. Das haben einige nürnberger Aussteller mit großem Geschick und feinem Verständnis zu würdigen gewußt und dadurch Leistungen zutage gefördert, die bei aller Einfachheit der Formen eine Eleganz und Schönheit entfalten, die auf den ersten Blick bezaubernd wirken. So Eysser aus Bamberg , Baldauf aus Nürnberg und Bössenbacher aus München . Besonders hat es aber Herr Architekt Hinderer, ein Schüler Gnauths, der dem ersteren die Entwürfe lieferte, verstanden, mit einfachen Mitteln Großartiges zu schaffen, denn seine Zimmerdekoration gehört zu dem Die Schönsten, was die Ausstellung auf diesem Gebiete darbiete. warmen durch Ueberlasiren des schlichten Tannenholzes erzeugten Töne von Wand und Plafond, dazu der Marmor der Balustrade und des Waschbassins, der schöne grüne Ofen, die warmen harmonisch gestimmten Farben der Möbelstoffe, endlich die schwarzen Möbel, Wand- und Deckenbekleidungen des anstoßenden Erkers und die reizvoll aber einfach gemalten Fensterscheiben, dies alles wirkt so wunderbar, daß es einem schwer fällt, sich von dem herrlichen Anblick loszureißen.
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Freilich kostet die Zimmerausstattung insgesammt 18 000 Mart, ein Preis, den leider nur wenige zahlen können. Wo aber soviel Talent vorhanden, da kann man wohl mit Recht erwarten, daß auch für weniger Geld etwas Geschmackvolles geliefert werden könnte, und es ist nur zu bedauern, daß die Ausstellung in dieser Beziehung nichts bietet. Die deutsche Renaissance, die ja in Nürnberg ihre schönsten Blüten gezeitigt, dominirt schon in diesem Genre, aber sie hat sich mit ihren Ausstellungsobjekten lediglich an die„ oberen Zehntausend" gewandt und die große Masse von ihrem Genuß ausgeschlossen, obschon sie sich doch nur dann auf einen Boden gestellt haben würde, aus dem ihr allein eine wahrhaft große Zukunft und lange Dauer erblühen könnte, wenn sie sich dem Volke gewidmet hätte, wie es die Kunst des griechischen Altertums getan hat.
Mozart als Kind.( Illustration s. S. 21.) Frühreife Blüten erzeugen selten schmackhafte Früchte, und frühreife Talente sind es in der Regel nicht, welche die Kultur mit unsterblichen Schöpfungen bereichern. Eine glänzende Ausnahme zeigt die Geschichte der Musik. Das größte musikalische Genie aller Zeiten, der strahlende Genius, dessen wunderbare Melodien unnennbare Seligkeit in die Seele strömen, dessen Harmonien die Engel im Himmel mit Entzücken lauschen würden, wenn Engel existirten Wolfgang Amadeus Mozart , war ein frühreifes musikalisches Wunderkind, das schon im Alter, wo andere Kinder noch kaum das ABC zu buchstabiren anfangen, die Welt mit seinem Ruhm erfüllte. Geboren am 27. Januar 1756 als der Sohn des erzbischöflichen Kapellmeisters zu Salzburg , begann er schon im dritten Lebensjahr, als der Vater mit der um vier Jahre älteren Schwester, Nannerl, den Klavierunterricht begann, seine musikalischen Schwingen zu regen. Sobald das Klavier frei war, übte er sich auf demselben, und wenn man ihn ungestört lies, sah man ihn ganze Stunden damit hinbringen, Terzen zu suchen, und sein Gesicht strahlte vor Vergnügen, wenn es ihm glückte, ein harmonisches Intervall zu treffen. Der Vater beobachtete ihn und wußte nicht, ob er Gewicht darauf legen solle; doch wollte er einen Versuch machen. Man legte dem Kinde einen furzen Menuet vor. Nach einer halben Stunde spielte es denselben so fertig und im Takte, als man es nur erwarten konnte. Kaum war ein Jahr verflossen, so diktirte Wolfgang seinem Lehrer Stücke, die er erdacht hatte; er komponirte, ehe er eine Note schreiben fonnte. Eines Tages trafen ihn der Vater und der Hausfreund bei der Komposition eines Klavierkonzerts. Der Vater brach beim Anblick des Blattes, das aus lauter Kletsen zu bestehen schien, in lautes Lachen aus. Als er aber die Arbeit aufmerksamer durchsah, nahm sein Gesicht einen ganz anderen Ausdruck an; Tränen der Freude und Bewunderung rollten über seine Wangen, denn alles war richtig und regelmäßig gesezt, nur war es zu schwer, um gespielt werden zu können. Sein Gehör war so sein, und sein Musikgedächtnis so sicher, daß er sich beim Spiel seiner kleinen Violine erinnerte, daß des Hausfreunds " Buttergeige" um einen halben Viertelston tiefer gestimmt war. Bald war seine musikalische Fertigkeit so groß, daß er die meisten Sachen vom Blatt spielen konnte. Auch Nannerl war ungemein fortgeschritten, weshalb der Vater im Jahre 1762, als die Kinder zehn und sechs Jahre alt waren, mit denselben eine Virtuosenreise nach Wien machte. Maria Theresia wie ihr Gemahl und ihre Kinder waren sehr musi