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№o 2.
Illustrirtes Unterhaltungsblatt für das Volk.
Erscheint alle 14 Tage in Heften à 25 Pfennig und ist durch alle Buchhandlungen und Bostämter zu beziehen.
III.
Es war nicht leicht, Frau Crayford unter der Menge herauszufinden, und während Franz hier und da nach ihr suchte, bemerkte er einen Fremden, der, wie es schien, auch nach jemand ausschaute. Es war ein ernstblickender, kräftig gebauter Mann in abgetragener, alter Uniform der Marincoffiziere. Seine auffallend entschlossene und selbstbewußte Weise zeigte unverkennbar den feingebildeten Mann. Er ging langsam durch die Gesellschaft und blickte jeder Dame forschend ins Gesicht, um sich dann mit enttäuschter Miene wieder abzuwenden. So näherte er sich dem Nebenzimmer und trat nach kurzem Bedenken hinein entdeckte hinter den Sträuchern und Blumen den Schimmer eines weißen Kleides- tat einige Schritte vorwärts, um die Dame erkennen zu können, und stand plözlich mit einem Freudenschrei vor Clara.
Entsezt sprang sie auf. Sprachlos, regungslos, wie zu Stein verwandelt stand sie ihm gegenüber, nur ihre Augen schienen zu leben und ihm zu sagen, daß sie Richard Wardour
vor sich habe.
Er fand zuerst Worte.
" Mein Liebling, habe ich dich erschreckt? Ich vergaß alles über die Seligkeit, dich wieder zu sehen. Wir warsen erst vor zwei Stunden Anker; ich frug nach dir, und nachdem ich erfahren, du seiest hier auf dem Ball, verschaffte ich mir ein Billet. Gratulire mir, Clara! Ich bin avancirt und komme nun, dich als mein Weib heimzuführen." Entsezlicher Schrecken malte sich bei diesen Worten auf ihrem Antliz. Ein leises Not färbte ihre Wangen, ihre Lippen bewegten sich.
,, Erhielten Sie meinen Brief?"
Er fuhr zurück.„ Einen Brief von dir? Nein, niemals." Das augenblickliche Aufleben erstarb wieder auf ihrem Gesicht; sie wich einen Schritt vor ihm zurück und fiel auf einen Stuhl nieder. Erstaunt und erschrocken zugleich eilte er ihr zu Hilfe, sie aber lehnte sich fester an den Stuhl, als ob sie Richards Berührung scheute.
,, Clara! Du hast mir noch nicht einmal die Hand gereicht! Was soll das bedeuten?"
Den Blick fest auf sie gerichtet, hielt er, Antwort erwar
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[ 1882]
( 1. Fortsezung.)
tend, inne, sein leidenschaftliches Temperament blizte aus dem flammenden Auge und er wiederholte die lezten Worte in lauterem und strengem Tone:
,, Was soll das bedeuten?"
Sein Ton verlezte sie und gab ihr den sinkenden Mut wieder; sie erwiderte:.
"
,, Es bedeutet, Herr Wardour, daß Sie Sich von Anfang an im Irrtum befanden."
,, Wie so befand ich mich im Irrtum?"
,, Sie lebten einer falschen Hoffnung und gaben mir keine Gelegenheit, Sie darüber aufzuklären."
,, Welcher falschen Hoffnung lebte ich?"
,, Sie waren zu eilig und zu vertrauensvoll gegen Sich selbst und gegen mich. Sie haben mich vollständig mißverstanden. Es tut mir sehr leid, Sie zu betrüben, ich muß aber Ihretwegen offen reden. Ich werde jederzeit Ihre Freundin sein, Herr Wardour; Ihr Weib aber fann ich niemals werden."
Mechanisch wiederholte er ihre lezten Worte, war es ihm doch, als ob er sie nicht recht verstanden hätte. ,, Du kannst niemals mein Weib werden?" ,, Niemals!"
"
"
Warum?"
Sie schwieg abermals. Die Unwahrheit konnte sie ihm nicht sagen; die Wahrheit zu gestehen, schämte sie sich.
-
Er beugte sich über sie und bemächtigte sich ihrer Hand, und diese festhaltend neigte er sich noch tiefer zu ihr, um auf ihrem Antliz die Antwort zu lesen. Langsam verdüsterten sich während dessen seine Züge, denn er begann die Wahrheit zu argwöhnen. ,, Clara, etwas hat dich mir gegenüber verändert. Es hat du zwingst mich dich jemand gegen mich beeinflußt. Ist es zu der Frage ist es ein anderer Mann?" ,, Sie haben das Recht nicht, mich danach zu fragen." Ohne ihre Rede weiter zu beachten fuhr er fort: ,, Hat sich jener andere Mann zwischen dich und mich gestellt? Ich spreche offen heraus, tue du es auch." Ich habe gesprochen und habe nichts mehr hinzuzufügen." Es entstand eine Pause. Sie sah den warnenden Schein, welcher ihr das Feuer seines Innern verriet, in seinem Auge
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