über eine von ihm beabsichtigte künstlerische Neuausschmückung des großen Saats in seinem Palaste mit ihm Rücksprache nehmen zu können. Der Bcte hatte jedoch Camillo von Winter nicht zuhause getroffen und vermochte daher den Brief seines Herrn nur im Hause abzugeben. Das war unmittelbar nach dem Augenblicke geschehen, als Camillo nach erstmaliger Rückkehr in seine Wohnung diese wieder verlassen hatte. Nichtsdestoweniger erwartete man im Palazzo della Sponda den Bruder Adele's jede Stunde, da man sich sagte, daß derselbe doch wieder seine Wohnung aufsuchen werde, schon um nachzusehen, ob die Schwester inzwischen zurückgekehrt sei.
Aber weiter und weiter rückte der Zeiger der Uhr und der Erwartete kam nicht. So waren schon mehrere Nachmittagsstunden verronnen, und jezt vermochte man die Kleine durch nichts mehr aufzuhalten. Sie verlangte wieder, bitterlich weinend, zu dem Bruder zurückgebracht zu werden, und man mußte sich endlich entschließen, ihren heftigen Bitten Gehör zu schenken. Serena wollte sie bis nahe an die Wohnung des Bruders begleiten, und dann sollte sie eine, sich gleichfalls mit auf den Weg begebende Dienerin des Hauses vollends zu diesem bringen.
Schon schritten die drei die breiten Stufen der Treppen nach dem Portal hinab, voran Serena mit Adele, die sie an der Hand führte, hinter ihnen die Dienerin. Als sie aber bis auf die Mitte der Treppe gekommen waren, trat unter der zur Wohnung des Portiers führenden Tür, rechts, unmittelbar am Eingang des Palastes, eiligen Schrittes ein junger Mann heraus, der allem Anschein nach im Begriff stand, eben hastig die Stufen hinauf zu gehen.
Es war Camillo von Winter, der, als er seine Hoffnung nur noch auf die Wirkung seines Zeitungsinserats sezend, das zweitemal nach Hause gekommen war, die Einladung des Marchese vorgefunden und sich nun hocherfreuten Herzens, vor allem über die beruhigende Mitteilung inbetreff des Schwesterchens, unverweilt nach dem Palazzo della Sponda begeben hatte. Bei dem Marchese angemeldet, wurde er von lezterem ersucht, sich zu ihm hinauf zu bemühen, was Camillo eben tun wollte als die drei die Treppen herabgeschritten kamen.
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ein süßes, unbeschreiblich reizvolles Lächeln, welches die selige Freude ihres innersten Gemüts deutlich erkennbar widerspiegelte. Wie Camillos Blick diese Erscheinung traf und an der herrlichen Gestalt herniederglitt, war es ihm, als flute leuch= tender Lichtschimmer voll berauschenden Entzückens in seine Seele hinein, und er stand einen Augenblick geblendet und gebunden...
Die Schwester hatte jubelnd seine Hände erfaßt und dann in ungestümer Freude seine Knie umklammert, und er hob sie in seliger Wonne des Wiedersehens empor, küßte sie auf Stirn, Wange und Mund, und drückte ihr vor freudiger Aufwallung glühendes Antliz in stummem Entzücken an das seine.
Adele mußte es aber doch sonderbar finden, daß der Bruder nach einem flüchtig hingesprochenen:" Wie gut, daß ich dich wieder habe!" so gar nichts zu ihr redete, und sie wollte, nachdem er sie wieder auf die Stufen niedergelassen, eben in neuem Ungestüm an ihm emporklettern und ihm ihre Freude noch ausgelassener bezeigen denn zuvor; sanft abwehrend jedoch sagte er: „ Aber nun laß mich, mein Kind, ich muß noch rasch hinauf zum Herrn Marchese."
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" Ah, zum Herrn Marchese!" fiel die Kleine munter zustimmend ein.-" Ja" fügte sie freudig hinzu„ der hat dich schon längst erwartet, Camillo, den ganzen Vormittag und bis jezt,- aber du warst auch gar zu lange! D, und es ist ein gar lieber guter Herr, der Herr Marchese, und die schönen Säle solltest du sehen, und den herrlichen Garten mit den großen bunten Blumen, und die kleinen possirlichen Affen, und die Goldfische und die Eidechsen
"
Das nachher mein Kind!"
lächelnd
" Jezt laß mich!"
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unterbrach sie der Bruder
" Ja"-fuhr sie fort, indem sie seine Hände losließ " geh' du hinauf, und bis du mit dem Herrn Marchese fertig bist, will ich wieder mit Fräulein Serena-"
Jezt erst, als er diesen Namen nennen hörte, verneigte sich Camillo vor dem schönen Mädchen und zog artig den Hut. Eine zeremonielle Vorstellung dünkte ihm nicht am Plaze, und er schien sich darin in vollem Einverständnis mit Serena zu befinden, die seinen stummen Gruß mit einer ebenso höflichen
„ Camillo!" klang eine laut jubelnde Stimme von der Treppe Verbeugung erwiderte und, nachdem Camillo an ihr vorüber
herab.
Mit wildem Ungestüm riß sich die Kleine vom Arme Serenas los und flog einige der Stufen hinunter auf den Bruder zu. Dieser, eben erst durch das Vestibule nach der Treppe geschritten, war offenbar überrascht, hier so schnell der Schwester zu begegnen, und sah hastig gewendeten Blickes auf.
Da stand, eine Erscheinung von unsagbarer Anmut und Hoheit Serena, den linken Arm, der eben noch Adele geführt, leicht nach vorn gestreckt und mit ängstlichem Blick die ungestümen Bewegungen der Kleinen hütend. Sie trug ein Kleid von leuchtender hellblauer Farbe, das in malerischen Falten an den schönen Gliedern bis auf die marmornen Stufen der Treppe herabfloß. Die vollen, weich geformten Arme traten, von kostbaren Granatspangen umgürtet, blendend weiß aus feinem, zier lichen Spizengekräusel hervor, auf die hoch gewölbte Brust, die sich unter dem zarten, fast durchsichtigen Gewebe leise hob und senfte, funkelten die glühroten Perlen einer doppeltgereihten, ebenfalls aus Granaten bestehenden Kette, an der ein kleines, goldenes Kreuz hing, hernieder, während über den Nacken das üppige Haar in glänzenden Wellen herabfiel und in seiner dunklen Färbung sich äußerst wirkungsvoll von dem hellschim mernden Gewande abhob. An der einen Seite des lezteren hing ein jezt eng zusammengefalteter, mit reichem Schmuck versehener Fächer herab, während die rechte Hand einen zierlichen Sonnenschirm hielt, den diese nun abwärts fehrte und in den Falten des Kleides ruhen ließ. Ueber dem frischen, zarten Antliz, das ein ebenso einfacher wie geschmackvoller Strohhut nur leicht beschattete, lag jene Milde, jener sanfte Frieden, wie sie die Maler auf Engelsangesichter zaubern; die roten, knos penden Lippen waren wie zum Sprechen halb geöffnet und ließen unter ihren weichen Linien die blendend weißen Zähne hervorschimmern; in den großen, lang bewimperten Augen aber glänzte
geschritten, die Kleine wieder an der Hand nahm, um mit ihr und dem anderen Mädchen, das während dieser ganzen Szene schweigsam hinter ihr gestanden hatte, unter hohem Säulengang seitab der Treppe nochmals nach dem Garten zu gehen. Adele hatte das so gewollt.
Camillo von Winter befand sich bald in einem großen, luftigen, auf das eleganteste ausgestatteten Empfangssalon, zu welchem ihn ein oben auf dem Korridor wartender Diener geführt hatte, und wo der Marchese von Montanari seinem Eintritt bereits entgegensah.
,, Seien Sie mir herzlich willkommen!" redete er den einen einfachen schwarzen Gesellschaftsanzug tragenden jungen Mann an, der mit ehrerbietigem Gruß an der Schwelle des prächtigen Zimmers stehen geblieben war, und bat ihn, in einem der Fauteuils plaz zu nehmen.
„ Ich hatte bereits vor Wochen die Absicht, Sie zu mir zu bitten, um mit Ihnen über eine von mir schon länger geplante neue Ausschmückung unseres Marmorjaals Rücksprache zu neh men;" fuhr der Marchese fort, indem er sich dem Künstler gegenüber niederließ-„ da führte uns gestern ein sonderbarer Zufall ihr kleines munteres Schwesterchen ins Haus, und ich benuze dieses merkwürdige Zusammentreffen, um endlich mein Vorhaben in Ausführung zu bringen."
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Nehmen Sie jedenfalls, Herr Marchese, meinen herzlichsten Dank für Ihre freundliche Fürsorge für mein Schwesterchen entgegen," erwiderte Camillo ungezwungen und seien Sie im voraus überzeugt, daß ich Ihnen in jeder Hinsicht zu Dienst bereit bin, soweit ich es irgend vermag!"
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