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lebender Sohn( alle seine Kinder waren noch vor ihm gestorben) darauf, daß er eine Zeit lang in dem milden Klima Italiens verweilen müsse. Die Regierung übernahm die Reisekosten, indem sie dem kranken Dichter ein mit allem Komfort versehenes Schiff zur Disposition stellte, mit welchem Walter Scott nach -Walter Scott erholte Neapel segelte. Aber es war zu spät! Dennoch trieb ihn die Sehnsucht zurück, er sich nicht mehr!- wollte in der Heimat sterben.
Ein Unglück kommt selten allein!- Wenige Monate nach| trat ein, und nun bestanden seine Aerzte sowie sein lezter noch diesem Schlag starb des Dichters treue Gattin und liebevolle Lebensgefährtin. Dieser Verlust ging ihm mehr zu Herzen, als derjenige seines Vermögens. Aber er suchte Trost in der Arbeit; mit der Feder wollte er die finstern Gedanken ver scheuchen. Um genügendes Material zu dem„ Leben Napoleons ", an welchem er damals arbeitete, zu sammeln, reiste er nach Paris , wo er die Archive studirte. Der dortige Aufenthalt war für ihn ein heilsamer; die Verehrung und Huldigung, welche ihm von allen Seiten zuteil wurde, tat ihm wohl und legte sich wie ein Balsam auf sein wundes Gemüt!
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Gestärkt und gehoben kehrte Walter Scott nach Edinburg zurück und arbeitete von nun an wie ein getreuer Sklave für seine Gläubiger. Er bekam zwar von verschiedenen Seiten Anerbieten von Darlehen und Geschenken, allein sein Stolz sträubte sich dagegen, eine Beisteuer anzunehmen, so lange er noch arbeiten konnte. Dies erwarb ihm die Achtung nicht allein seiner Nation, sondern auch aller derer, welche im Ausland von seinem Unglück hörten. Mit welch eisernem Fleiße Walter Scott arbeitete, kann man aus der Tatsache ermessen, daß er in vier Jahren die Summe von 12 millionen Mark an seine Gläubiger abzahlte. Allein die jahrelange Anstrengung, das unausgesezte Arbeiten rieb den Dichter endlich auf; ein Schlaganfall erschütterte seine Gesundheit, das arme, gemarterte Gehirn vermochte nicht mehr frisch zu denken, der Dichter diftirte manchmal einem Freunde, oft aber versant er in teilnahmlose Apatie. Sein Stern war im Erbleichen!
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Mit Rührung erzählt Lockhard, daß der Kranke immer und immer wieder versucht habe, zu schreiben; er ließ sich vor seinen Schreibtisch tragen und die Feder in die gelähmte Hand geben. Doch die Gedanken wollten nicht kommen, der Dichter wollte fich gewaltsam zur Arbeit zwingen, aber die Feder fiel ihm aus der Hand und Tränen rollten aus den müden Augen des erschöpften, fleißigen Arbeiters. Er ließ sich in sein Bett zurücktragen und schlummerte am 21. September 1832 unter heiteren Phantasien hinüber zur ewigen Ruhe!
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Walter Scotts Name wird nie vergessen werden, sein Andenken wird stets ein geachtetes bleiben.
Walter Scott war ein durch und durch edler Karakter, sein Leben ist frei von Schuld und Sünde, es liegt klar wie ein Spiegel vor aller Völker Augen! Sein dankbares Vaterland hat ihm in Edinburg ein prachtvolles Denkmal errichtet, allein das schönste aller Denkmäler hat Walter Scott sich selbst in den Herzen seiner Zeitgenossen und Nachkommen gesezt! Dort wird Ein zweiter Schlaganfall sein Name ewig in leuchtender Klarheit eingegraben stehen!-
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Unsere höhere Jugendbildung.
Nach dem Vortrag Dubois- Reymonds über„ Kulturgeschichte und Naturwissenschaft" und wider ihn. Von Bruno Geiser.
Die Einsicht, wie außerordentlich mangelhaft unsere aus| der Unterrichtsmetode unserer Gymnasien hervorgehende höhere Bildung" ist, veranlaßt Dubois- Reymond zu folgenden seine Reformpläne entwickelnden Ausführungen:
„ Dieser Sachlage gegenüber fragt man sich denn doch, ob alles in Ordnung, ob es nicht an der Zeit sei und der Mühe lohne, einen Reformversuch zu machen. Hier, wie überall, ist es freilich, besonders für Außenstehende, leichter zu tadeln, als zu sagen, wie dem Fehler abzuhelfen ist. Hier, wie so oft in verwickelten Fragen der Verwaltung und des menschlichen Lebens überhaupt, gilt der Saz von den vielen Ursachen. Man trifft die eine, und zehn andere nicht minder wirksame entschlüpfen unberücksichtigt. Doch will ich, auf die Gefahr hin, mich bloszustellen, mit meinen Gedanken nicht zurückhalten. Ohne den ausgezeichneten Männern, welche an der Gestaltung unseres Gymnasialwesens sich beteiligten oder noch daran arbeiten, zu nahe treten zu wollen, kann ich meine Ueberzeugung nicht verbergen, daß der Geist des Gymnasiums nicht gehörig Schritt hielt mit der Entwicklung des modernen Geistes der Menschheit. Wie aus dem Vorigen hervorgeht, habe ich ein offenes Auge für die Gefahren, mit denen zu weit getriebener Realismus unsere geistige Kultur bedroht. Aber die neue Gestalt, welche die Naturwissenschaft dem menschlichen Dasein erteilte, ist doch auch nicht wegzuleugnen. Es hieße, dem Vogel Strauß ähnlich, den Kopf in den Sand stecken, wollte man den gewaltigen, vorher geschilderten Umschwung verkennen, und es wäre vergeblich und gefährlich, dem rollenden Rade solcher weltgeschichtlichen Entwicklung in die Speichen zu fallen. Bis jezt hat aber das Gymnasium dieser Entwicklung nicht gebührend Rechnung getragen. Troz einigen mehr scheinbaren als wirklichen Zugeständ nissen ist es im innersten noch immer die aus der Zeit der Reformation, wo es noch keine Naturwissen schaft gab, stammende gelehrte Schule, welche wesentlich
( Schluß.)
auf Vorbereitung für Geisteswissenschaft bedacht ist. In diesem Zurückbleiben des Gymnasiums hinter den Forderungen der Zeit liegt die Stärke der Realschule. Auf die verwickelte Frage nach den Befugnissen beider Arten von Anstalten einzugehen, kann hier nicht meine Absicht sein. Uebrigens bekenne ich mich zur Ansicht derer, welche nur Eine Art höherer Schule wollen, die ihre Zöglinge gleich vorbereitet und gleich berechtigt zur Universität, zur Gewerb- und zur Bauakademie, zum Heer und so weiter. und so weiter. Selbstverständlich müßte dies das zweckmäßig umgestaltete humanistische Gymnasium sein. Um ohne jede Verwaltungsmaßregel der Nebenbuhlerschaft der Realschule ein Ende zu machen, scheint nur nötig, daß das Gymnasium den Zeitbedürfnissen etwas von seinen ehrwürdigen, aber überlebten Ansprüchen opfere, und etwas mehr den Strebungen der modernen Welt sich anpasse. Sobald das Gymnasium bona fide mit neuem Geiste sich tränkt und geeignete Vorbildung auch solchen gewährt, welche anderen als Geisteswissenschaften sich widmen, wird jene Nebenbuhlerschaft von selber aufhören. Die viel erörterte Frage wegen Zulassung der Realschul - Abiturienten zu Fakultätsstudien wäre dadurch aus der Welt geschafft, daß die Realschule auf das ursprünglich ihr zugedachte Maß einer in ihrem Kreise sehr nüzlichen Gewerbeschule zurückginge. Was ich dann vom Gymnasium verlangen würde, damit es mir den Forderungen der Zeit zu entsprechen scheine? Im Grunde äußerst wenig. Ein erstes ist klar. Ich verlange mehr Matematik. Der matematische Lehrplan des Gymnasiums müßte die Disfussion der Gleichung zweiten Grades und einige andere ebene Kurven umfassen, wie auch durch die Tangententeorie den Blick in die Differentialrechnung eröffnen. Hierzu müßten freilich der Matematik mehr Stunden, statt vier sechs bis acht, eingeräumt werden. Bei den Versezungs- und Maturitätsprü fungen müßte Matematik den alten Sprachen und der Geschichte wirklich gleichstehen. Die Gleichberechtigung der MatematikLehrer mit den Lehrern jener Fächer würde dann auch eine