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diesen merkwürdigen Eseln der merkwürdigste ist gewiß der Esel oder vielmehr die Eselin Bileams  , welche ihrem Herrn über die ihr ange­tane Mißhandlung so sanfte Vorwürfe macht, ohne daß dieser sich über die gesprächige Eselin verwundert, ja er droht sogar, das merkwürdige Tier umzubringen, so daß man auf die Vermutung kommt, in den Salons, in welchen Bileam verkehrte, seien redende Eselinnen nichts seltenes gewesen. Bileams   Eselin war vielleicht die Ahnfrau des Esels, welcher dem Augustus, nach Plutarch  , den Sieg bei Aktium geweis­sagt hat. Im Altertum scheint überhaupt das liebe Vieh mitunter ein starkes Kontigent zur Zunft der Propheten gestellt zu haben; wurde doch auch nach Homer   dem Peliden sein naher Tot von seinen beiden Rossen Xanthos und Balios vorhergesagt. Bileams   Eselin mußte übrigens noch einen höheren Grad in der Prophetie erlangt haben als ihr Herr selbst, der Prophet von Mesopotamien  , denn sie sah den Engel, welchen Bileam   selbst nicht sah. Kein Wunder, daß die Rabbinen diese Eselin unter andern außerordentlichen Dingen am sechsten Schöpfungs­tage in der Dämmerungsstunde geschaffen sein lassen), und daß sie dieselbe mit dem Esel, der Abraham nach Moriah trug, als er seinen Sohn Jsaak opfern wollte, ferner mit dem, auf welchem Moses seine Familie aus Midian zurück nach Egypten beförderte und endlich mit dem Esel, den einst der Messias   reiten wird, identifiziren( Jalkut Reu­beni Genesis 22, auch in der Neujahrsliturgie erwähnt). Ein Kom­mentar hat sogar aus dem Text eruirt, daß diese Eselin zugleich Bi­Teams Konkubine war, was sehr glaubwürdig, denn wie würde sich sonst die große Zahl redender Esel und Eselinnen erklären, da doch nicht alle am sechsten Schöpfungstag in der Dämmerungsstunde ge= schaffen sein können. Von einem anderen merkwürdigen Esel erzählt der Talmud  . Er gehörte dem Wunderrabbi Phineas ben Jair und war so fromm, daß er Futter, von dem die priesterlichen Abgaben noch nicht abgeschieden waren, mit seiner Schnauze nicht berührte; gewiß ein rührendes Beispiel eselhafter Frömmigkeit. Gelegentlich sei auch erwähnt, daß wer nach der talmudischen Traumdeutekunst von Eseln träumt, ein bevorstehendes Glück zu hoffen hat; ohne Zweifel, weil Frau Fortuna   von jeher die Esel mit besonderer Vorliebe in Protek­tion nahm. Wie manches edle Roß ist schon verhungert, indes die Esel stets ihr Futter fanden und sehr häufig im Ueberfluß schwelgen. " Der dümmscht Bauer hot de graischte Krumbiare"( der dummste Bauer hat die größten Kartoffel) lautet ein schwäbisches Sprichwort."

Aber nicht die Juden und Heiden   allein, auch die Christen hatten merkwürdige, gelehrte und fromme Esel. So z. B. berichtet die Legende des heiligen Florentinus, der König Dagobert, der ihn auf einem Esel reiten sah, versprach ihm ein Stück Land im Wald, um darauf eine Kirche zu bauen, und zwar so viel, als der Esel des Heiligen um= traben kann, während der König im Bade wäre. Der König aber hatte den Esel zu gering taxirt, denn dieser flog wie ein Greif um den ganzen Wald herum, und der Heilige war nun im Besize des ganzen Waldes. Der heilige Bruno, der einmal einen Esel reitend in die Gegend von Querfurt   fam, konnte das Tier mit keinem Mittel weiter bringen. Endlich verstand er den Esel und bestimmte den Ort zur Wallfahrts­stätte unter dem Namen Eselstet und Eselswiese, wo noch jezt ein großer Jahrmarkt abgehalten wird. Der heilige Rieule befahl einem Eſe! in Senlis  , das Zeichen des Kreuzes in den Sand zu treten, wodurch alle bösen Geister von dort vertrieben wurden. Der große Philosoph Antonius Alexandrinus, der Lehrer der Kirchenväter Origines   und Porphyrius  , soll sogar einen überaus gelehrigen Esel zum Schüler ge= habt haben, der mit den beiden genannten Jüngern gemeinschaftlich zu Füßen des Meisters saß, um dessen Weisheit zu lauschen, und es scheint, daß der Unterricht bei diesem nicht geringer anschlug als bei seinen beiden Mitschülern.

Die Ohren des Esels sind besonders Gegenstand des Spotts, so daß einst Apollo sich an dem Phrygerkönig Midas   nicht besser zu rächen wußte, als dadurch, daß er ihm Eselsohren schuf. Midas   hatte näm­lich die Kirmeßmujit des Dorffiedlers Pan, so eine Art Strauß'scher Walzer, der feinen Kammermusik des olympischen Hofkapellmeisters Apollon   vorgezogen. Das verzeiht kein Musiker, auch wenn er nicht R. Wagner   heißt, und so wurden seine Ohren, wegen ihres schlechten Geschmacks, zu Eselsohren verzaubert. Er hätte übrigens diese Strafe schon früher verdient, als er sich von dem Bacchus   die Kraft ausbat, alles in Gold zu verwandeln, was seine Finger berühren. Es war gewiß gut gemeint von ihm, er wollte seinem Finanzminister alles Kopfzerbrechen über neue Steuern, seinem Reichskanzler eine Enttäuschung wegen eines etwaigen Tabaksmonopols ersparen. Aber er hatte nicht bedacht, daß er sich ein Danaergeschenk erbeten hatte, indem sich auch Speise und Trank unter seinen Händen zu Gold verwandelte, wie uns dies Ovid in seinen Metamorphosen so drollig mitteilt, und noch schöner Christoph Schmidt in seiner Umdichtung der Ovid'schen Sage: " Der Holzhacker":

*) Zehn( Wunder-) Dinge, heißt es im Traktat der Väter, Kap. 5., wurden in der Dämmerstunde des sechsten Schöpfungstages geschaffen: 1. Der Mund der Erde, welcher die Korachiten verschlang. 2. Der Mund des Brunnens, welcher den Israeliten in der Wüste aus einem Felsen Wasser spendete. 3. Der Mund der Eselin. 4. Der Regen­bogen. 5. Das Manna. 6. Der Stab Mose  . 7. Der Schamir, ein fabelhafter, kleiner Wurm, der, auf einen Stein gelegt, denselben spaltet und daher beim Tempelbau, bei dem kein Eisen gebraucht werden durfte, verwendet wurde. 8. Die Schrift. 9. Der Griffel. 10. Die Gesezestafeln. Manche fügen noch hinzu: Die bösen Geister, das Grab des Moses   und den Widder Abrahams. Andere reihen noch die Bange an, mit welcher andere gangen verfertigt wurden.

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,, Er langet sein irdenes Krüglein herbei,

Wie schwer ist's! Wie schimmert's und funkelt's! Ei, Ei! Doch weh', auch das Wasser gerinnet zu Gold, Kein Tröpflein dem goldenen Kruge entrollt.

Er bricht von dem Brode, und beißet, o Graus! Am goldenen Bröcklein die Zähne sich aus."

So geht es im Grunde allen Mammonsknechten; das interesselose Wohlgefallen am Schönen, an Kunst und Natur, ist ihnen fremd, sie sind genötigt, alles unter dem Gesichtspunkt des Geldverdienens zu betrachten, das Brod des Geistes, der Wein der Poesie verwandelt sich diesen Gründer- und Börsenseelen zu eitel Gold, sie müssen ästhetisch verschmachten. Eine ähnliche Sage haben auch die Mongolen. Ein König, erzählen sie, hatte vergoldete Eselsohren. Jeden Abend mußte ihn ein Page frisiren und dieser wurde sogleich getötet, um das Ge­heimnis nicht zu verraten. Ein Page jedoch, der dem König einen feinen Kuchen brachte, den seine Mutter mit der Milch ihrer eigenen Brüste bereitet hatte, blieb verschont. Aber das Geheimnis drückte ihn so, daß er schwer krank wurde, weshalb er- wie bei Ovid   nach dem Rate seiner Mutter das Geheimnis in eine Grube im Wald hin­einsprach. Aber die Vögel hörten es und zwitscherten es weiter, und bald war die Sache ruchbar. Doch der König, dem der Page den Her­gang mitteilte, verschonte denselben, als er eine Müze erfand, welche die langen Ohren des Königs verbarg.

Es soll übrigens auch bis in die neueste Zeit hinein eine ähn­liche Ohrenbildung gar oft vorgekommen sein. Und doch haben auch Eselsohren ihre Mission. So z. B. singt Bojardo im Verliebten Roland" VI.:

Nie sah man noch ein Werk von solcher Pracht, Wie dieses reiche Werk! Ganz aus Juwelen Von unschäzbarem Werte wars gemacht. Statt Schwert und Spieß, die zur Bedeckung fehlen, Hält dort ein goldbeschuppter Esel Wacht, Der Ohren hat, ein jedes lang zwei Elen, Die er gleich einem Schlangenschweife windet Beliebig damit hält, und packt und bindet.

Das Geschrei des Esels klingt zwar nicht sonderlich lieblich, aber im Kriege der Götter mit den Titanen posaunte der Esel des Silenus zur Schlacht und befeuerte die Olympier mit Mut, und die Britten nennen sogar den Efel the King of Spains trumpeter( der Trompeter des Königs von Spanien  ).

Aber auch in der Kulturgeschichte der Menschen, nicht blos der Götter, spielt der Esel eine hervorragende Rolle, vor allem in der Re­ligion. In Egypten mußte das Bild der Jsis von einem Esel ge­tragen werden, vor welchem alles Volk niederkniete. In Rom   war der Esel des Priapus geheiligt, wegen seiner priapischen Vollkraft. Wie häufig der Esel im alten und neuen Testament in Anspruch genommen wird und daß er sogar zum Träger des Messias   auserkoren ist, ist be= fannt. Weniger bekannt sind die besonders in Frankreich   üblich ge­wesenen Eselsfeste( Festa asinorum) zur Erinnerung an die Flucht der heiligen Jungfrau nach Egypten. Die schönste Jungfrau wurde mit Schmuck aller Art ausgestattet, mit einem Säugling im Arme auf einen Esel gesezt und so von Priestern und Volk in die Kirche geleitet, wo der Esel mit seiner schönen Last am Altar aufgestellt wurde. Nun wurde Gottesdienst abgehalten, nach dessen Schluß der fungirende Priester dreimal wie ein Esel schreien mußte, auch das Volk, welches mit Amen erwiderte, ahmte dem Esel nach. Es galt als gutes Zeichen, wenn der Esel während des Gebetes seine Stimme ertönen ließ. Zulezt wurde zu Ehren des Sire Asinus ein lateinisches Lied abgesungen, das mit den Worten schloß: Amen dicas Asine! wobei der hierauf dressirte Esel auf die Knie sant. In Persien   soll sogar noch jezt ein Esels­fest gefeiert werden.

In der Wissenschaft sind besonders viele Esel zur Berühmtheit gelangt, vor allem in der Philosophie, in welcher u. a. der Esel Buridans das Problem der Willensfreiheit lösen half. Der Philosoph stellte ihn gleich weit von zwei Bündeln Heu, um zu erfahren, nach welchem er sich wenden werde. Der Esel, der sich nicht entschließen konnte, da das Bünglein seiner Willenswage weder durch ein äußeres noch inneres Motiv bestimmt wurde, verharrte, wie es heißt, in dieser jeiner Stellung, bis er seinen Geist aufgab.

In der Medizin nahmen die Esel seit alten Zeiten eine geachtete Stellung ein und die Onolatrie stand im Altertum und Mittelalter in hohem Ansehen. In vielen Krankheiten wurde Eselsmilch verordnet, welcher man eine besondere Heilkraft zuschrieb, und man merkt es in der Tat der gegenwärtigen Generation oft sehr deutlich an, daß ihre Vorfahren stark mit Eselsmilch genährt wurden. Römische Damen, wie auch die Französinnen in den Zeiten Franz I.   sollen Morgens zum Frühstück Eselsmilch getrunken haben, ob aus Gesundheitsrücksichten oder vielleicht aus einer ähnlichen Ursache, welche sie bewog, Terpentin zu trinken oder um ihre Schönheit zu erhalten und aufzufrischen, bleibe dahingestellt. Lezteres ist wahrscheinlich, denn die Aerzte Roms berei­teten ein kosmetisches Mittel aus Eselsmilch, dem sie eine verjüngende Kraft beilegten, wenn man damit Haut und Haar salbte. In Italien  trinken noch heute die Lungenkranken Eselsmilch, wie in Deutschland  vom Volksglauben der Kraftbrühe von Hundefleisch eine Heilkraft gegen Schwindsucht zugeschrieben wird. In China   wurde Brusileidenden ein Trank verschrieben, der aus der Haut eines schwarzen Esels bereitet