Plözlich fühlte er, wie eisiger Luftstrom ins Zimmer drang. Er wandte sich um, und sah Crayford, der soeben die Hütten­türe geöffnet hatte. Ein Mann stand hinter ihm. Wardour erhob sich hastig und blickte über Crayfords Schulter.

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War er konnte er der Mann sein, der die Buchstaben in das Bret geschnitten hatte? Ja! Franz Aldersley.

XI.

Noch bei der Arbeit?" rief Crayford beim Anblick der halb zerstörten Bettstelle aus. Gönnen Sie sich ein wenig Ruhe, Richard. Die Rekognoszirungstruppe ist zum Abmarsch bereit. Wenn Sie von Ihren Kameraden Abschied nehmen wollen, so ist es die höchste Zeit. Großer Gott!" unterbrach er sich plözlich, wie bleich sehen Sie aus. Ist etwas vorge­fallen?"

Franz, der an sein Schubfach getreten war, um sich noch verschiedene Kleidungsstücke, die er auf der Reise brauchte, zu holen, blickte um sich. Auch er war eben so betroffen wie Cray­ford über Wardours Veränderung, seit sie ihn zulezt gesehen

hatten.

"

, Sind Sie frank?" fragte er teilnehmend." Wie ich höre, haben Sie Batesons Arbeit übernommen. Haben Sie Sich vielleicht verlezt?"

Wardour bog den Kopf zur Seite, um vor den beiden Kameraden das Gesicht zu verbergen, zog das Taschentuch aus der Tasche und band es dick um die linke Hand.

" Ja," entgegnete er, ich habe mich mit der Art verlezt. Es ist nicht schlimm, schadet nichts. Schmerzen haben immer cine merkwürdige Wirkung auf mich. Ich sage Ihnen, es ist nichts, achten Sie nicht weiter darauf."

Ebenso hastig wie er ihnen das Gesicht abgewendet hatte, wendete er es ihnen wieder zu, kam ihnen einige Schritte ent­gegen und richtete das Wort mit gezwungener Vertraulichkeit an Franz:

" Ich antwortete Ihnen nicht höflich, als Sie mich vor einer Weile ansprachen; ich meine, als ich vorhin mit den übrigen hierher fam. Ich bitte um Verzeihung. Reichen Sie mir die Hand! Sind Sie zum Marsch bereit?"

Franz begegnete dem sonderbar abgerissenen Entgegenkommen mit dem besten Humor.

" Ich freue mich, mich Ihr Freund nennen zu dürfen, Herr Wardour. Ich wünschte, ich wäre den Strapazen ebenso ge­wachsen wie Sie."

Wardour brach in ein rauhes, unnatürliches Lachen aus: " Nicht kräftig, wie? Sie sehen auch nicht so aus. Die Würfel hätten besser getan, wenn Sie mich hinausgeschickt, und Sie zurückbehalten hätten. Ich fühlte mich mein Lebtag nicht gefünder als jezt." Er schwieg eine Weile und fügte dann, Franz scharf ins Auge fassend und besonderen Nachdruck auf die Worte legend, fort: Wir Leute aus Kent sind aus hartem Material gemacht."

Franz trat seinerseits mit neuem Interesse Wardour einen Schritt näher:

"

Sie kommen von Kent?"

86

Wardour gab keine Antwort, sondern nahm die Unterhaltung mit Franz wieder auf.

"

Eine der Grafenfamilien?" wiederholte er, die Witherbys von New Grange vielleicht?"

"

Nein," sagte Franz; aber Freunde der Witherbys: Burn­hams."

Troz allen verzweifelten Kämpfens konnte Wardour nicht Herr über sich bleiben. Er fuhr heftig zurück. Das um seine Hand gebundene Tuch fiel herab. Crayford bückte sich danach, Wardour noch immer nicht aus dem Auge lassend.

Hier ist Ihr Taschentuch, Richard," sagte er. Sonderbar!" " Was ist sonderbar?"

"

"

"

Sie sagten uns, Sie hätten Sich mit der Art verlezt-" Nun?"

An ihrem Tuche ist aber kein Blut zu sehen."

Wardour riß Crayford das Tuch heftig aus der Hand und schritt, ihm den Rücken kehrend, der äußeren Türe zu. Kein Blut an dem Tuche zu sehen," wiederholte er für sich. Es werden Flecken daran sein, wenn er es wieder sicht." An der Türe wandte er sich noch einmal zu Crayford: Sie erinnerten mich daran, von den Kameraden Abschied zu nehmen, bevor es zu spät ist, ich gehe, Ihrem Rate zu folgen."

Als er die Hand auf den Drücker legte, wurde die Türe von Außen geöffnet und ein Quartiermeister des Wanderer" trat ein.

" Ist Kapitän Helding hier, Herr?" fragte er Wardour. Dieser zeigte auf Crayford.

Was wünschen Sie von Kapitän Helding?" sagte Crayford, dem Mann entgegen gehend.

" Ich habe eine Meldung zu machen, Herr. Es ist auf dem Eise jemand verunglückt."

,, Einer, eurer Leute?"

,, Nein, Herr, einer unserer Offiziere."

Wardour, der eben im Begriff stand, hinauszugehen, blieb bei der Entgegnung des Duartiermeisters stehen. Einen Moment ging er mit sich zu Rate, dann schritt er langsam an Franz' Seite zurück. Crayford wies dem Quartiermeister die gewölbte Seitentüre und sagte:

Ich bedaure, von dem Unfall hören zu müssen. Sie werden Kapitän Helding in jenem Zimmer finden."

Zum zweitenmale erneute Wardour mit sonderbarer Beharr lichkeit das Gespräch mit Franz.

,, Sie kannten also die Burnhams? Was wurde aus Clara, nachdem ihr Vater starb?"

Franz' Gesicht wurde rot vor Aerger und heftig fuhr er auf: ,, Clara? Was berechtigt Sie von Fräulein Burnham in so vertraulicher Weise zu reden?"

Wardour ergriff die Gelegenheit, Streit mit ihm anzufangen und entgegnete barsch:

,, Welches Recht haben Sie zu fragen?"

Franz' Blut fam in Wallung. Er vergaß das Clara ge­gebene Versprechen, ihre Verlobung noch geheim zu halten- er vergaß alles bis auf das Herausfordernde in Wardours Sprache und Auftreten.

,, Ein Recht, welches ich zu respektiren bitte; das Recht

" Ja, von Ostkent." Er wartete wieder einen Augenblick ihres Verlobten." und blickte Franz scharf an:

Kennen Sie den Teil des Landes?"

" Ich hörte viel von Ostkent reden, mir liebe Freunde wohnten einst dort."

" Freunde von Ihnen? Wohl eine der Grafenfamilien?" Während er diese Frage stellte, sah er plözlich über seine Schulter. Er stand zwischen Crayford und Franz. Ersterer, der an der Unterhaltung nicht teilnahm, hatte ihn mit immer wachsender Aufmerksamkeit betrachtet und seinen Worten gelauscht. Instinktmäßig hatte Wardour dies gemerkt und begegnete Cray­fords Betragen mit ungerechtfertigter Gereiztheit.

"

"

Warum starren Sie mich so an?" fragte er.

Warum sehen Sie Sich selbst so unähnlich?" erwiderte Crayford ruhig.

Crayfords forschendes Auge ruhte noch immer fest auf Wardour und jener fühlte es. Noch einen Schritt weiter, und Crayford stellte sich zwischen die beiden. Selbst Wardour erkannte plöz­lich die Notwendigkeit, sich zu beherrschen, koste es, was es wolle. Mit überströmender Höflichkeit entschuldigte er sich gegen Franz mit den Worten:

,, Es wäre unmöglich, dieses Ihr gutes Recht Ihnen streitig machen zu wollen. Sie werden mich aber vielleicht entschuldigen, wenn ich Ihnen sage, daß ich ein alter Freund Fräulein Burn­hams bin. Unsere Väter waren Nachbarn. Wir sind einander stets wie Bruder und Schwester begegnet-

Hier unterbrach Franz großmütig die Entschuldigung. ,, Genug, halten Sie ein. Ich war im Unrecht ich ver­gaß mich. Bitte, vergeben Sie mir."

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