sondern auch die Worte, welche Clara vergangene Nacht im magnetischen Schlafe gesprochen hatte.

Der Doktor hörte aufmerksam zu. Während Frau Crayfords Mitteilung schwand nach und nach das ruhige Lächeln von seinem Gesicht und zum ernsten Mann verwandelt, stand er, als sie zu Ende war, gedankenvoll vor ihr.

" Führen Sie mich zu ihr," sagte er.

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Er sezte sich neben Clara, und blickte ihr prüfend, seine Hand an ihrem Pulse, ins Gesicht. Zwischen dem träumerischen, geheimnisvollen Temperament der Patientin und dem offenen, praktischen Karakter des Arztes herrschte wenig Sympatie. Clara konnte den Mann nicht leiden. Nur widerwillig unterwarf sie sich seinen ärztlichen Forsdungen. Er fragte sie antwortete sie antwortete widerstrebend. Einen Schritt weiter gehend- der Doktor licß sich nicht leicht entmutigen richtete er ihre Aufmerksamkeit auf die Nachrichten über die Expedition, und sprach darüber in der von Frau Crayford bereits eingehaltenen Weise. Clara zeigte sich abgeneigt, diese Frage noch einmal zu erörtern. Mit höflicher Förmlichkeit erhob sie sich und bat sich Erlaubnis aus, nach dem Hause zurückkehren zu dürfen. Der Doktor wider­stand nicht länger und antwortete, sich in den Mißerfolg seiner Aufgabe fügend: Gewiß, Fräulein Burnham." Zuvor aber hatte er Frau Crayford einen Blick zugeworfen, welcher deutlich sagte: Bleiben Sie hier bei mir!" Clara verneigte sich falt und förmlich und ließ die beiden allein zurück. Der Doktor felgte der noch immer anmutigen Gestalt des sich langsamen Schrittes entfernenden Mädchens mit den Augen, in denen Frau Crayford mit großer Befümmernis den Ausdruck ernster Besorgnis las. Erst als Clara unter der Veranda, welche an der dem Garten zu gelegenen Seite des Hauses entlang lief, verschwand, begann er:

" Sagten Sie mir nicht, daß Fräulein Burnham weder Vater noch Mutter mehr besize?"

Ja. Sie ist Waise."

" Hat sie nahe Verwandte?"

" Nein. Sie können sich mir gegenüber, als ihre Hüterin und Freundin, aufrichtig über sie aussprechen. Fürchten Sie für sie?"

" Ich hege ernste Besorgnis. Vor zwei Tagen erst war ich hier, und finde sie seitdem auffallend zum Schlimmen verändert. Physisch wie moralisch. Beunruhigen sie sich darum nicht nuz­los. Ich versichere Sie, es gibt noch Mittel zur Wiederher­stellung ihrer Gesundheit. Unsere große Hoffnung ist, daß Herr Aldersley noch lebt. Ist das erwiesen, so hege ich nicht die mindeste Befürchtung für die Zukunft mehr. Ihre Heirat würde sie zur gesunden und glücklichen Frau machen. Wie die Sache aber liegt, muß ich gestehen, fürchte ich den bösen Einfluß ihrer festen Ueberzeugung, daß Herr Aldersley nicht mehr am Leben ist und ihr eigener Tod bald erfolgen wird. In ihrem augen­blicklichen Gesundheitszustand muß die gefaßte Idee, die ihr Tag und Nacht feine ruhige Stunde lassen wird, ihren bösen Einfluß auf Körper und Geist haben. Wenn wir sie von diesem unseligen Gedanken nicht abbringen können, so wird der lezte Rest ihre Kraft bald aufgezehrt sein. Wollen Sie noch anderen ärztlichen Rat hören, so, bitte, senden Sie danach. Meine An­sicht fennen Sie nun."

" Ihre Ansicht genügt mir vollkommen," erwiderte Frau Crayford. Um Gottes willen, sagen Sie, was fönnen wir tun?" Versuchen wir es mit gänzlicher Veränderung und bringen wir sie von hier fort."

,, Das wird sie sich nicht gefallen lassen. Schon mehr als einmal schlug ich ihr einen Ortswechsel vor, sie sagt aber stets nein."

Einen Augenblick lang schwieg der Doktor und überlegte, dann erwiderte er:

Ich hörte auf dem Wege hierher etwas, das mich auf den Gedanken bringt, eine Metode einzuschlagen, die sicherlich diese Echwierigkeit beseitigt. Wenn ich mich nicht gänzlich irre, wird Fräulein Burnham zu dem Ortswechsel, den ich im Sinne habe, nicht nein jagen."

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,, Und welcher wäre das?" fragte Frau Crayford begierig. ,, Verzeihen Sie, wenn ich meinerseits eine Frage an Sie richte, bevor ich Ihnen antworte. Sind Sie so glücklich, in irgend welcher Beziehung zu der Admiralität zu stehen?"

,, Gewiß, mein Vater ist Sekretär bei derselben und zwei andere Herren der Admiralität sind sehr befreundet mit ihm." ,, Vortrefflich! Nun kann ich offen reden, ohne Sie zu cnt­täuschen. Nach dem, was ich Ihnen schon sagte, werden Sie mir beistimmen, daß die einzige Aenderung in Fräulein Burn­hams Leben, die ihr von irgend welchem Nuzen sein kann, eine solche sein muß, welche die augenblickliche Stimmung ihres Ge­mütes verändert. Sezen Sie sie in die Lage, nicht mit Hülfe ihrer eigenen krankhaften Einbildungen und Visionen, sondern durch wirkliches Schauen und Handeln zu entdecken, ob Herr Aldersley noch lebt oder nicht, dann wird das hysterische Blend­werk, welches jezt ihre Gesundheit so entsezlich untergräbt, ein Ende haben. Angenommen selbst, das Schlimmste sei geschehen, und Herr Aldersley im Eismeer umgekommen, so wird es ihr weniger schädlich sein, wenn sie die positive Wahrheit entdeckt, als wenn der krankhafte Aberglaube und die krankhaften Grübe­leien an ihrem Geiste Wochen und Wochen lang, bis die nächsten Nachrichten über die Expedition nach England kommen, herum­nagen. Mit einem Wort: ich möchte, daß Sie bis Ende dieser Woche Fräulein Burnhams gegenwärtige Ueberzeugung auf eine praktische Probe stellen. Wie also, wenn Sie zu ihr sprächen: -, Unsere Meinungen, liebe Clara, über Franz Aldersley gehen auseinander. Tu behauptest, ohne den leisesten Schatten eines Grundes dafür, er sei sicher tot, und mehr noch, er sei durch die Hand eines seiner Kameraden gestorben. Ich behaupte, ge­stüzt auf die Nachrichten in der Zeitung, daß nichts der Art geschehen ist, und vieles dafür spricht, daß er noch unter den Lebenden weilt. Was sagst du zu dem Vorschlage, nach dem Eismeer zu fahren, und zu sehen, wer von uns beiden recht hat? Denken Sie, Fräulein Burnham wird dazu nein sagen? Wenn ich die menschliche Natur nur einigermaßen kenne, wird sie die Gelegenheit als ein Mittel ergreifen, Sie zu dem Glauben an das zweite Gesicht zu bekehren."

,, Großer Gott, Doktor! Willen Sie mir damit sagen, wir sollen zur See, der Nordpolexpedition entgegen gehen?" ,, Richtig geraten, Frau Crayford! Das ist es, was ich meine."

,, Wie aber sollen wir das anfangen?"

,, Das will ich Ihnen sogleich auseinandersezen. Nicht wahr, ich erwähnte, daß ich auf dem Wege hierher etwas gehört hätte?"

" Ja?"

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Ich begegnete also an meiner Gartentüre einem alten Freunde, der mich ein Stück begleitete. Er erzählte mir, daß er gestern Abend bei dem Admiral in Portsmouth gespeist habe. Unter den Gästen befand sich auch ein Mitglied des Minister­rates, welches die Nachricht über die Expedition mit von London herüber gebracht hatte. Der Herr äußerte gegen die Gesell­schaft, daß die Admiralität sehr wahrscheinlich sogleich einen Tampfer aussenden werde, um die Geretteten von der Küste Ameritas heim zu holen. Unterbrechen Sie mich nicht, Frau Crayford. Es weiß noch niemand, unter welchen Bestimmungen und Anordnungen das Schiff fahren wird. Bei ähnlichen Um­ständen sind Bevorzugte als Passagiere oder vielmehr als Gäste auf Ihrer Majestät Schiffen mitgenommen worden, und was bei früheren Gelegenheiten gestattet war, wird ohne Zweifel auch jezt gestattet sein. Ich kann Ihnen nicht mehr sagen. Wenn Sie für Ihre Person sich vor der Reise nicht fürchten, ich fürchte nichts für meine Patientin. Nun, was meinen Sie? Wollen Sie an Ihren Herrn Vater schreiben und ihn bitten, zu ver­suchen, was er in Ihrem Interesse bei seinen Freunden unter der Admiralität auswirken kann?"

Erregt sprang Frau Crayford auf.

Schreiben!" rief sie." Ich werde mehr tun, als das. Die Reise nach London ist eine Kleinigkeit, und meine Haushälterin ist eine zuverlässige Person, die für Clara während meiner Ab­