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und ernster hinzu:„ Sagen Sie lieber Fräulein Burnham, daß Sie mich hier gesehen haben."
Der Mann grüßte und ging. Crayford schritt im Boothause auf und ab.
Obgleich er vom Tode in den Deden des Nordpols errettet und mit seinem schönen Weibe wieder vereinigt war, sah er doch unsagbar bekümmert und gedrückt aus. Woran mochte er wohl denken? Er dachte an Clara. Am ersten Tage, an denen sich die Geretteten an Bord der„ Amazone" befanden, hatte Clara nicht allein Crayford, sondern auch all die anderen Offiziere der Expedition durch die Art, in welcher sie nach Franz Aldersley und Richard Wardour fragte, in Verlegenheit gebracht. Sie hatte keine Spur von Kummer oder Verzweiflung gezeigt, als sie hörte, daß man nichts über die zwei Vermißten erfahren hatte. Sie hatte sogar traurig vor sich hin gelächelt, als Cray
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ford, aus Mitleid für sie, erklärte, daß er und die Kameraden die Hoffnung, Franz und Wardour wieder zu sehen, noch nicht aufgegeben hätten. Obgleich sie ruhig sprach, verrieten ihre ersten Worte doch, daß derselbe Verdacht in ihrer Seele lauerte, wie ihn auch Crayford hegte: es mußten böse Dinge vorgefallen sein. Der Lieutenant war darüber so bekümmert und seine Kameraden so betreten, daß alle einer Antwort unfähig sie sprachlos anstarrten. Die Vorboten des Sturmes, welcher bald darauf losgebrochen war, zeigten sich schon am Himmel und auf der See. Crayford erfaßte die Gelegenheit, um sich kurz entschuldigend die Kajüte, in der das Gespräch stattgefunden hatte, verlassen zu können, und seine Kameraden schüzten, seinem Beispiel folgend, ihre Pflichten auf Deck vor und gingen, wie er. ( Fortsezung folgt.)
Ein Gedenkblatt zu seinem 250 jährigem Geburtstag am 24. November 1882. Von Dr. Richard Ernst.
Wie ungeheuer steht dein Bild vor mir.
Goethe.
Das Altertum wie das Mittelalter, so schr sie in ihrer Weltanschauung wie im praktischen Leben divergirten, stimmten doch darin überein, daß sie die lezte Ursache des Seins und Werdens nicht in der Welt selbst erblickten, daß ihr die Materie und die ihr innewohnenden Kräfte zur Erklärung ihrer Existenz und der mannigfaltigen Erscheinungsformen unzureichend schien, weshalb sie transzendente oder außernatürliche ewige Mächte, göttliche Wesen, annahmen, denen sie die Erschaffung, Erhaltung und Regierung der Welt zuschrieben. Die Erkenntnis, daß die gesammte Erscheinungswelt, mit Einschluß des Menschen und seines Geisteslebens ,. sich aus der Eubstanz und den ihr immanenten Krästen vollkommen erklärt und daß daher alle übernatürlichen Wesen als Geschöpfe menschlicher Phantasie in das Reich der Fabel zu verweisen seien, mit einem Wort, die naturalistische Weltanschauung ist erst in den lezten Jahr hunderten aufgedämmert, und wenn sie sich auch nur mühsam Bahn gebrochen hat und noch in der Gegenwart nur verhältnis mäßig wenige Menschen von ihr erleuchtet sind, während die meisten noch immer der supranaturalen oder mytologischen Weltanschauung mehr oder minder konsequent huldigen, so hat doch bereits unser ganzes Kulturleben ihren heilsamen Einfluß verspürt und einzelne Kreise desselben verdanken ihr schon jezt ihre rationelle Neugestaltung. Der kühne Denker, dessen gewaltiger Geist erstmals den Nebel durchbrach, welcher ehemals das menschliche Denken umfing, der Mann, dem die Menschheit die neue Offenbarung verdankt, der alle Gözen und Wahngebilde zertrümmerte, vor welchen die Menschen bis dahin in Furcht. Gewohnheit und Gedankenträgheit ihr Knie gebeugt hatten, und ein philosopisches System aufbaute, dessen festes Gefüge die massiven Bausteine strengsten logischen Denkens bilden, auf dessen glänzenden Zinnen das beglückende Banner der Humanität aufgepflanzt ist, heißt Benedikt Spinoza .
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Was ein Kopernikus, Newton und Kepler für die Astronomie gewesen sind, das war Spinoza für die Philosophie.
Stizziren wir zunächst den Lebensgang des Mannes, der als granitner Karakter nicht minder imponirt wie als epoche machender Denker. Wenn wir sagen„ stizziren", so wählen wir diesen Ausdruck auch mit Rücksicht darauf, daß, wie Kuno Fischer bemerkt, das einsame und tiefsinnige Leben Spinozas von seinen Zeitgenossen zu wenig gekannt wurde, um einen genauen und treffenden Darsteller zu finden. Daher wurde es nur nach seinen Umrissen beschrieben und in Notizen zusammengestellt, die von dem Leben des Philosophen selbst eine undeutliche und höchst
fragmentarische Anschauung gewähren. Auch ist die Glaubwür digkeit dieser Nachrichten wohl zu bedenken. Denn ein gewiffer Fanatismus bemühte sich eifrig genug, das Bild Spinozas zu beflecken, und da gerade damals der blinde Glaubenseifer das große Wort führte, so erklärt es sich leicht, wie dieses Zeitalter weder Verstand noch Gerechtigkeit genug besaß, diesen Karakter und dieses Leben gebührend zu würdigen. Das Leben Spinoza's wurde verfälscht, und namentlich sein Tod, der nur einen Zeugen gehabt hat, durch mutwillige Lügen entwürdigt. Es war den Freunden Spinozas nicht vergönnt, das Bild des Mannes aus den Verzerrungen wieder herzustellen, die ihm die erfinderische Phantasie seiner Feinde angedichtet hatte, denn jede Rechtfertigung Spinozas wurde ebenso verfolgt als dessen Lehre. Spinoza war tot, seine Anhänger mußten stumm sein, so konnten seine Gegner ungehindert ihr Spiel mit dem geächteten Philosophen treiben. Unter diesen Umständen muß man es dem Schicksal Dank wissen, daß sich unter Spinozas Gegnern ein Biograph fand, der zwar das unverständige Urteil der Zeloten teilte, aber sich wenigstens, so weit es möglich war, von dem ungerechten Urteil rein hielt; der beschränkt genug war, um Spinoza wegen seiner Gedanken zu verabscheuen, aber nicht schlecht genug, um den glänzenden Karakter desselben anzutasten. Dieser Biograph, der die richtigste und nächste Quelle für das Leben Spinozas darbietet, ist Colerus, Prediger an der luterischen Kirche im Haag.
Benedikt, ursprünglich Baruch Spinoza , wurde am 24. November 1632 zu Amsterdam geboren. Er stammte aus einer jener unglücklichen Judenfamilien, die aus Spanien und Portugal durch die christliche Liebe vertrieben worden waren, zum Dank dafür, daß es Juden gewesen, welche gemeinsam mit den dort wohnenden Arabern oder Mauren diese Länder des schönen Südens durch Fleiß und Betriebsamkeit, vor allem aber durch ihre Liebe für Kunst und Wissenschaft auf eine bewun denswerte Höhe des Wohlstandes und der Bildung gehoben hatten. Das Christentum ließ ihnen die Wahl, entweder katolisch zu werden oder in die Verbannung zu wandern. meisten wählten das leztere, unter ihnen auch Spinozas Vater, der Kaufmann d'Espinosa. Er zog mit den Seinen nach den Niederlanden , die sich kurz zuvor von der spanischen Herrschaft losgemacht und der Freiheit eine Freistätte gegründet hatten, nach Amsterdam , dem Sammelpunkt aller Geächteten und der ersten Gelehrten seiner Zeit überhaupt. Baruch erhielt von Kindheit an den herkömmlichen hebräisch- rabbinischen Unterricht, und da er zum Rabbiner bestimmt war, wurde er bald in die jüdische Teologie eingeführt, besonders durch den Rabbiner
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