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Biograph bemerkt: Unser Philosoph ist sehr glücklich zu preisen,| unterrichten wollen. Darum sei vieles in diesem Buch ent­nicht allein wegen der Ehre, die er sich durch sein Leben er­worben hat, sondern auch durch die Umstände seines Todes. Wie wir es von Leuten wissen, die zugegen waren, hat er ihm unerschüttert entgegengesehen." Am 25. Februar wurde die Leiche unter zahlreicher Begleitung bestattet.

Die erste Schrift Spinozas, welche 1663 zu Amsterdam er­schien, führt den Titel: Renati Des Cartes Principiorum Philo­sophiae Pars I et II, more geometrico demonstrata( Die Lehrsäze der Cartesianischen Philosophie auf geome­trische Weise bewiesen), welchen cogitata metaphysica ( metaphysische Gedanken) beigefügt waren. Spinoza selbst erklärte diese Schrift für eine Abhandlung, die er einst einem Jüngling diktirt, den er in der Philosophie des Cartesius habe

halten, wovon er selbst das Gegenteil behaupte. Die Schrift, für welche sich Spinoza später wenig mehr interessirte, enthält übrigens eine meisterhafte Darstellung der cartesianischen Philo­sophie.

Ohne Namen des Verfassers, der sich aber in seinen Briefen überall dazu bekennt, und mit dem pseudonymen Druckfort Ham­ burg statt Amsterdam kam sodann 1670 der Tractatus theo­ logico- politicus ( Teologisch- politischer Traktat über die Bibel, die Prophezeihung, die Wunder, die Staatsgrundsäze, die Denkfreiheit) heraus, dessen Veröffentlichung aber mannig­faltigen Schwierigkeiten begegnet war. Dieses epochemachende Werk, das man als die Vorhalle des Spinozismus bezeichnen kann, repräsentirt so zu sagen die teologische Seite desselben.

Kallenbach, Ost S

Samojedische Frauen.( Seite 135.)

Spinoza trat damit das Erbe der Reformation an. Hatte diese das Joch der Tradition zerbrochen und die Bibel als einzige Duelle der Religion bezeichnet, so strebte Spinoza die Befreiung vom Bibelbuchstaben, Offenbarungs- und Wunderglauben an. ( Wunder und Unwissenheit sind nach Spinoza gleichbedeutend, weil diejenigen, die die Religion durch Wunder zu stüzen suchen, eine dunkle Sache durch eine andere dunklere, die sie garnicht fennen, dartun wollen"). Indem er aus dem alten Testament selbst schlagend nachwies, daß dessen Schriften keineswegs von den Verfassern herrühren können, denen sie der Kirchenglaube zuschreibt( womit auch deren göttlicher Ursprung erschüttert ward), wurde er der Vater der rationellen Bibelkritik. Aus der wissen schaftlichen Grundlage des Werks entwickelte Spinoza die prak tisch - politische Tendenz desselben; er fordert vom Staat absolute Gewissens, Rede- und Preßfreiheit und zeigt, daß die Denk­freiheit unbeschadet der Religion und des staatlichen Friedens gestattet werden müsse. Er war der erste, welcher gegen die Unduldsamkeit, insbesondere die staatliche, mit ehernen, im Präg stod unerbittlicher Logit geprägten Säzen zu Felde zog, mit Säzen, welche ein Jahrhundert später die lessingsche Muse aus

dem Erz der Prosa in das Gold der Poesie verwandelte. Spi­ noza war frei von jenem philosophischen Dünkel, der sich in spekulativer Erhabenheit oder Feigheit den Aufgaben der Gegen­wart fern hält. Es sei noch bemerkt, daß sich Spinoza in dem Traktat als Republikaner bekundet; mit überzeugender Kraft dringt er auf allgemeine Volksbewaffnung und zeigt das Ver­derbliche der geworbenen und besoldeten stehenden Heere, die durch das System Ludwigs XIV. immer mehr um sich griffen.

Ein frischer Lebenshauch weht durch dieses ganze Werk Spinozas, aus den abstrakten Erörterungen der Schule und Wissenschaft erhebt es sich in die volle reiche Wirklichkeit und griff mächtig ein in die Zeitbewegung. Das zeigte sich zunächst in dem heftigen Gegenkampfe, der besonders von den Teologen ausging. Ateismus! schrie es von allen Seiten, und Verfol gungen aller Art wurden gegen den Autor versucht. Es war gut, daß das Werk in lateinischer Sprache geschrieben war, sonst wäre es ohne Zweifel mit Erfolg unterdrückt worden; wurde es ja ohnehin nach einiger Zeit seines Erscheinens mit Beschlag belegt und verboten; doch schon 1673 wurde es unter verschiedenen Scheintiteln neu gedruckt. Auch eine Menge Gegen­