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schriften rief das Traktat hervor, welche den Wunderglauben in Schuz zu nehmen und die sonstigen unkirchlichen Lehren Spinozas zu widerlegen suchten. Indessen fehlte es Spinoza schon bei Lebzeiten auch nicht an vielen Anhängern.
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Das Hauptwerk, welches die eigentlichen Akten des Spinizismus enthält, und als opus posthumum herausgegeben wurde es erschien im Todesjahre des Philosophen ist die Etik ( Ethica more geometrico demonstrata). Das Werk zerfällt in fünf Abschnitte, es handelt 1. von Gott, 2. von der Natur und dem Ursprung des Geistes, 3. von dem Ursprung und der Natur der Affekte, 4. von der Macht der Affekte oder der mensch lichen Knechtschaft, 5. von der Macht des Verstandes oder der menschlichen Freiheit. Sonnenaufgang! besser könnte man die Bedeutung dieses Werks kaum bezeichnen. Die Etik ist das großartigste Werk, das die philosophische Spekulation aller Zeit geschaffen, ein monumentaler Krystallpalast klassischer Philosophie, derjenigen Philosophie, welche keineswegs wie andere Systeme durch die Naturforschung verdrängt wurde, sondern im Gegen teil in den Naturwissenschaften, speziell im Darwinismus, ihre glänzende energische Bestätigung findet, derjenigen Philosophie, von welcher Lessing mit vollem Recht sagte, es gebe nur eine Philosophie und das sei die des Spinoza . Von der Basis weniger unbestreitbarer Axiome sind die Lehrsäze abgeleitet, welche wie massive Quader sich einander anreihen, sich über einander schichten und zum großartigen Prachtbau emporwachsen. Aber dieser Bau gleicht jenem Zauberschlosse der Mährchen, zu dem unwegsame Pfade führen, zu welchem man nur durch steile, steinige und dornige Wege gelangen kann. Die geometrische Metode, welche Spinoza seinem Vorgänger Cartesius nachahmte und vielleicht mehr noch die Terminologie, erschweren das Verständnis desselben, weshalb man sich nicht wundern darf, daß Spinozas Lehre die mannigfaltigsten Deutungen erfahren hat. Aber einmal eingedrungen fühlt man sich gehoben und beseligt vom Lichte der Erkenntnis, das hier in schönster Klarheit strahlt, und wonnig umfäuselt von den Friedenslüften innerster Har monie.
Der Spinozismus ist das System der reinen Natur, d. h. er begreift die Weltordnung als ein gegebenes Ganze, das von Ewigkeit her in derselben Gesezmäßigkeit besteht; er erklärt mithin alle Dinge, die sind und alle Kräfte, die wirken, die geistigen ebenso gut wie die materiellen, als gegebene und natür liche Tatsachen. In der Lehre Spinozas ist alles Natur: die Substanz ist die unendliche Natur, die Attribute sind die ewigen Naturkräfte, die einzelnen Dinge sind die vorübergehenden Naturerscheinungen. Im Lichte dieser Erkenntnis zerstieben alle jene Gespenster, welche in der teologischen Weltanschauung spuken. Spinoza ist ferner der Begründer des Determinismus, er ist der erste, welcher das Geheimnis des Willens ergründet und erkannt hat, daß der menschliche Wille ebenso wie jede Natur erscheinung dem Geseze der Kausalität unterworfen ist, daß
daher die Freiheit des Willens im Sinne absoluter Willkür eine Absurdität ist. Absurdität ist. Unter allen Illusionen erscheint Spinoza diese Einbildung als die barste, törichtste, und er kann kaum von ihr reden, ohne sie zu verspotten. Indem Spinoza damit eine Menge teo- und philosophischer Probleme seiner Vorgänger in ihr nichts zerrinnen ließ, hat er zugleich die wissenschaftliche Riesenarbeit vollbracht, die Grundgeseze des Fühlens und Wollens festzustellen und sämmtliche Seelenbewegungen wie Naturerscheinungen zu zergliedern und auf die elementaren Regungen des Fühlens und Begehrens zurückzuführen. Liebe, Haß und die Menge verwandter, einfacher und vermischter Seelenbewegungen werden von Spinoza mit derselben Sicherheit und Klarheit erklärt, wie etwa eine dynamische oder optische Erscheinung. Auf diese einzig solide Grundlage baut Spinoza seine erhabene Etik auf, von der Hegel sagt:„ Es gibt keine reinere und erhabenere Moral als Spinozas". Das etische Grundprinzip Spinozas ist die Erkenntnis. Je mehr der Mensch sich selbst und die Welt richtig erkennt, desto mehr befreit er sich von der Macht der schlimmen Affekte, desto mehr erstarkt seine sittliche Kraft, desto mehr erhebt er sich zur Tugend und Liebe und Glückseligkeit. Ein näheres Eingehen auf das System können wir uns hier um so eher ersparen, als die„ Neue Welt" im vorigen Jahrgang den Spinozismus, insbesondere die etische Seite desselben, eingehend erörtert und dessen poetische Verklärung durch Goethe nachgewiesen hat.( Vgl. den Artikel:„ Die Religion der Vergangenheit und der Zukunft" Kap. 8 ff. in Nr. 13 ff.).
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Weitere Schriften Spinozas sind: Tractatus politicus ( Abhandlung über die Politik), Tractatus de intellectus emendatione( Abhandlung über die Ausbildung des Verstandes), Compendium Grammatices linguae hebreae( Abriß der hebräischen Sprachlehre) und endlich die Briefe, epistolae. Ein großer Teil dieser Briefe ist an seine intimen Freunde Oldenburg , Ludwig Mayer und de Vries gerichtet; sie bilden noch gegenwärtig eine überaus interessante Lektüre und glätten manche Falte in den philosophischen Schriften. Im allgemeinen bewundern wir in dem Briefwechsel Spinozas die stets gleichbleibende Bereitwilligkeit, mit der derselbe wiederholt auf Fragen und Einwürfe antwortet, sowie die Milde und Freundlichkeit, mit der er alles Entgegenstehende behandelt. Die Herausgeber berichten auch, daß Spinoza einen Traktat über Optik und Farbenlehre und noch manche andere Schriften verfaßt habe, die aber bis jezt nicht aufgefunden wurden.
Es ist nicht ein unhistorisches und beliebiges Schematisiren, sagt B. Auerbach, wenn man die Lehre Spinozas als die Grundlage des modernen Weltlebens erkennt; ist auch die mit ihr beginnende Epoche nicht so äußerlich historisch erkennbar, weil sich nicht der Beginn einer Schule, Sefte oder ein hervorstechendes Ereignis daran knüpft, so ist eben das das Eigentümliche der freien Idee, daß sie nicht in geschlossenen Tatsachen und Dokumenten, sondern im freien Wollen des Geistes hervortritt.
Der Schmuck der Naturvölker. Etnologische Stizze von Dr. P. Paftor.
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Die Sorge der Menschen, ihre äußere Erscheinung durch Schmuck aller Art vorteilhafter hervortreten zu lassen, ist bei zivilisirten und unzivilisirten Völkern gleich groß, und bei beiden sind auch die Ausschreitungen darin gleich bedeutend. Die Neigung sich zu schmücken herrscht so sehr vor, daß sogar die Sorge um die Nahrung dagegen zurücktritt, gleichsam als ob die Furcht in der Natur des Menschen begründet läge, daß sein Wert sänke, wenn er nicht mehr mit dem gewohnten Glanze auftreten könnte. Lehrreich ist es zu finden, daß viele schmückende Anhängsel, welche wir für Ausgeburten einer von Friseuren, Friseusen, Schneidern, Puzmachern heraufbeschworenen albernen Mode halten, bei den Naturvölkern bereits verbreitet und seit
alter Zeit eingebürgert sind. Lehrreich ist es aber auch, daß bei lezteren oft der Schmuck, auch wenn er uns noch so abgeschmackt vorkommt, nach der Natur des Landes, den Gewohn heiten des Volkes u. s. w. als eine wohlbegründete sinnreiche Sitte erscheint. Nicht überall läßt sich der Sinn mehr erkennen, aber für die vergleichende Völkerkunde werden solche Tatsachen, wie eine gleiche Art des Schmuckes, wichtig, da sie einen Schluß gestatten auf die Verwandtschaft der Völker, frühere Wohnsize, einstige Lebensweise. Als lezte wichtige Tatsache scheint aber aus solchen Beobachtungen zu folgen, daß die Natur des Men schen ebenso wie sein Körperbau eine ursprünglich gleiche iſt, so daß auch die Frage nach der gemeinsamen Abstammung des