die oft zwanzig Ringe, welche bei den Negern der roten Erde Männer und Frauen in jedem Ohrläppchen tragen? Ueberhaupt ist die Kunst, den Körper zu verunstalten in Afrika und Süd­amerifa am frassesten und schlimmsten entwickelt. Dem an und für sich unschönen Körper, welchem Hängebauch und enge Brust meist von Natur eigen sind, während bei uns das Korsett diese Schönheiten verursacht, verzieren die Neger überall, wo sich nur cine Hautfalte anbringen läßt; Stäbchen, Knochensplitter, Strah halme, Glasperlen, Ringe, Pflöcke und Nägel von Metall und Holz sind hindurchgebohrt durch künstliche und natürliche Falten an der Stirne, am Auge, an allen möglichen Stellen der Nase, den Mundwinkeln, der Ober- und Unterlippe, an Brust und Bauch. Es hat dies keine Verwandtschaft mit dem Tätowiren, welches zur Bekleidung zu rechnen ist, sondern regellos, ohne symmetrische Anordnung sind die genannten Gegenstände ein­gebohrt. Sogar tönerne Pfeifen( viele Neger sind Liebhaber des Tabaks und verfertigen solche Pfeifen) werden ins Ohr­läppchen gesteckt.

Besondere Verunzierungen lieben die Frauen der Bongo­und Mittuneger. Sie durchbohren die Lippen und stecken in die Löcher je eine kleine runde Scheibe, anfangs kleinere, dann immer größere, bis die Lippenränder außerordentlich ausgedehnt werden und vermöge der Scheiben nach vorn stehen, so daß Schweinfurt von einem storchähnlichen Aussehen derselben spricht; er gebraucht den Ausdruck balaeniceps, Storchkopf. Living stone fand bei einer Manganjafran am Nyassasee einen Ring von fünf Centimeter Durchmesser, das Palele, so verwendet. Ueberhaupt finden sich dort die ärgsten Verunstaltungen. Aehn­lich behandeln die Botokuden Brasiliens ihre Ohrläppchen; sie bohren anfangs kleinere Zweige hindurch, ersetzen sie nach und nach durch Scheiben von Baumäſten; zerreißt der immer schwächer werdende Hautstreifen, so knüpfen sie die Enden wieder zu­sammen, um Scheiben hineinstecken zu können und ihrer Schön­heit keinen Eintrag zu tun. Der Name wird sprachlich auch als Pfropfleute erklärt. Die nordamerikanischen Indianer und Kamtschadalen wählen die Wangen und stecken in der Nähe der Mundwinkel die ersteren Knochen, die lezteren Knöpfe hindurch, auch bohren sich bei diesen die Männer Krebsscheeren in die Nasenknochen.

In Australien , Südasien und Afrika sind Verunstaltungen der Zähne sehr häufig; die einen feilen sie spiz, andere aus der

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Mitte ein Stückchen heraus, um Knöpfe einzusezen, die menschen­fressenden Njamnjams, d. i. Fresser, Nachbarn der oben erwähn ten Mombuttu im östlichen Zentralafrifa, feilen sie scharf und verwenden sie als eine gefährliche Waffe im Einzelkampfe. Die Malayen Hinterindiens feilen sie dagegen ab. Bei den Austra­liern wird dem Jüngling, welcher mannbar erklärt wird, zum Zeichen dessen und zur Feier des Tages ein Zahn ausgeschlagen, mitunter auch ein Finger abgehackt.

Zum Schlusse seien noch die künstlichen Körperformen er­wähnt, welche durch Pressung hervorgebracht werden. Daß die chinesischen Frauen kleine Füße für schön halten und dieselben quetschen lassen, ist bekannt, doch ist diese Sitte im Abnehmen. Umformungen des Schädels nehmen einige Indianer und Süd­seeinsulaner vor; der hartköpfige Neger verträgt solche Opera­tionen nicht. Die einen pressen den Neugeborenen ein Brett vor die Stirn, so daß der Kopf sich außerordentlich in der Rich­tung des Wirbels verlängert; ihren Namen haben daher z. B. die Flachkopfindianer; dasselbe findet sich vereinzelt auf ganz getrennten Punkten der Erdoberfläche, nämlich in Patagonien, auf Celebes und Samoa . Bei den Altperuanern wurden die Frauen so behandelt. Eine andere Form des Schädels, der sogenannte Turmkopf, wird erhalten, wenn der Schädel während des Wachstums an den Seiten gepreßt wird; selten kommt diese Form auch bei uns vor, wenn die flachen Schuppennäte des Schädels, welche über den Ohren beiderseits die Scheitelpartie von den Schläfenbeinen trennen, sich früh schließen und ver wachsen, normal schließen sie sich in den ersten Lebensjahren. Das Wachstums des Gehirns, an den Seiten gehemmt, richtet sich dann nach oben und bewirkt die birnenförmige Gestalt des Schädels, welche mitunter auch bei uns zu sehen ist. Die peruanischen Inkas erkannten in dieser Gestalt den Aus­druck der Hoheit und machten es zum Vorrecht ihrer fürstlichen Familie, den Turmfopf künstlich herstellen zu lassen. Doch ist bemerkenswert, daß durch solche Behandlung die geistigen Fähig keiten des Menschen in keiner Weise gehemmt werden, da sich das Gehirn trozdem ausbilden kann. Eine Erfindung gemacht zu haben, welche wie das Schnürleib die organische Entwick lung der Trägerin hemmt und nicht nur deren, sondern auch der Nachkommen Existenz und körperliche wie geistige Entwick lung gefährdet, ist ein Vorzug allein der Kulturvölker Europas .

Aus dem grönländischen Eismeer. ( Mit Illustration.)

Um einen ungefähren Begriff von der gegenwärtigen Natur in den arktischen Breiten zu erhalten, schreibt Fr. v. Hellwald, liegt nichts näher als der wiederholt angestellte und in vielfacher Hinsicht treffende Vergleich mit den Gletschergebieten des uns so nahe gerückten europäischen Hochgebirges der Alpen . Nord­grönland ist ganz von unermeßlichen Gletschern bedeckt, und schon bei 70º n. Br. sind nur einzelne Küstenstriche im Hochsommer schneefrei und bilden Dasen in der unendlichen Eiswüste. Einer der Teilnehmer an der zweiten deutschen Nordpolfahrt 1869 bis 1870, Dr. G. C. Laube, schildert diese nordischen Gletscher in ebenso anziehender wie anschaulicher Weise, indem er sich gleichfalls des Vergleichs mit der Alpenwelt bedient. Er sagt: jene wilden, felsigen Landschaften, die ohne Baum, ohne Strauch, hie und da mit braungrünem Grasboden bedeckt, ihre nackten, vielgestaltigen Zinnen gen Himmel strecken, zwischen denen ewiges Eis sich angesiedelt hat, das, weiße Nebel spinnend und rie­selnde Bächlein im Sonnenglanz gebärend, sich tiefer und tiefer talwärts drängt und endlich zu einem großen breiten Heerstrome vereinigt als Gletscher seine starren, blauschillernden Massen nur langsam vorwärts schiebt: die höchste Alpenregion mit ihren

Gletschern und Firnfeldern muß sich der Leser vor die Seele führen. Aber die Sicht ins Tal ist versteckt, und dichte Nebel­massen breiten sich darüber aus wie ein wogendes Meer, oben scheint die Sonne licht und hell. Das ist der Schauplaz, wohin ich den Leser führe. Statt des Nebelmeeres denke er sich nun das wirkliche Mecr, nicht mißfarbig, sondern blaugrün und klar. Aus ihm steigen romantische Felsberge auf; ein tiefes enges Tal läßt das Auge dazwischen weit ins Innere des Landes dringen. Die Felsen sind natt, schroff, wild zerrissen, senkrecht fallen ihre Wände in die See, nur hie und da liegt eine kleine grüne Matte ausgebreitet. Zwischen ihnen schillerts und schim­merts bald grün, bald blau. Gewaltige Eismassen, jezt breit und sanft wie eine wohlgepflegte Straße auf die Höhen land­einwärts ziehend, nach beiden Seiten schwach gewölbt abfallend, jezt in Terrassen steil aufsteigend und jeden Absaz des kühnen Baues mit wunderlichen Säulen und Ornamenten grünschillernd verziert, steigen sie hinauf bis an die Gipfel; die Firnfelder legen sich darauf und nur hin und wider ragen die Felszacken und gleißt darauf, unten tauchen sie ihren krystallenen Fuß aus dem blendend weißen Mantel hervor. Die Sonne glizert