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ins Meer. Sind das nicht die gläsernen Berge des Mährchens? Alles ist still und stumm wie in einer verzauberten Gegend, faum fliegt eine einsame Möve über das Wasser oder ein Rabe sticht einmal als schwarzer Punkt von der blendenden Eismasse ab. Wir sind allein auf leichtem Boote, unsere Neugier treibt uns näher und näher, zeitweilig läßt sich ein Teises Geräusch vernehmen, ein fernes Donnern aber das kennen wir ja von den heimischen Gletschern her. Näher und Näher. Durch das blaugrüne Wasser ziehen unter uns Streifen hin wie weiße Nixenschleier, das Meer wird. lichter und lichter und endlich beinahe ganz milchweis, just wie das Wasser des heimischen Gletscherbaches. Da sind wir nun angelangt am Fuße des Eisriesen, nein, wir sind schon weit über seinen Fuß hinauf, denn durch die Flut sehen wir das Eis heraufblauen, während ein Teil abgebrochen, mit ruinenhaften Trümmern bedeckt, weite domartige Höhlen im Innern des Gletschers schauen läßt, hoch genug, daß ein Schiff hineinsegeln und darin umwenden könnte. Ein rechter Geisterpalast. Und während wir da, nichts Arges träumend, uns der Anschauung der nie geschauten Pracht hingeben, ja fast so dreist werden, in eine der Höhlen einzubringen, da fängt ein grauenhafter Spuk an. Schäumend und wallend beginnt sich das Wasser am Fuße des Gletschers zu regen, als ob es plözlich durch unterirdisches Feuer ins Sieden geraten wäre; es braust auf und das Getöse wächst bis zum Gebrüll des Donners, Eisblöcke brechen aus der Tiefe hervor und schnellen, auf den Wogen schwankend und krachend, hin und her; wilder und wilder wird das Chaos, da hebt sichs mitten drin, eine weiße Riesengestalt taucht auf, höher und höher, eine mächtige Eismasse, der scheitergroße Blöcke entfallen: neu und neu rauscht die See auf, denn das neugeborene Ungetüm wälzt sich bald auf diese, bald auf jene Seite und wirst dabei eine breite Wassergarbe von sich endlich kommt es ins Gleichgewicht; das Getümmel schweigt und beruhigt sich allmälich, die See ist wieder glatt, die Donner sind in der Ferne verhallt und wir, die wir mitten darin auf schwankem Boote Zeugen waren und mit dem bloßen Schrecken und mit heiler Haut davongekommen sind, wagen es aber nicht allzunahe- das jüngste Kind des Gletschers oder dessen„ Kalb", wie es die Leute in Grön land nennen, näher anzusehen. Da liegt der schwimmende Eis berg vor uns, gewärtig, mit der nächsten Flut seine Wiege, seinen Erzeuger zu verlassen und allmälich mit seinen Genossen, die schon vorne am Eingange des Fjordes zu einer Flotte ver sammelt, auf eine günstige Gelegenheit warten, mit der Strömung nach Süden zu wandern, um, weiter und weiter getrieben, von der schmeichelnden Woge von unten, von der warmen Sonne von oben leichter und leichter gemacht, fern von der Heimat endlich im weiten Meere seinen Untergang zu finden. Das ist doch wie ein Mährchen, wo plözlich aus der Tiefe ein krystallenes Schloß irgend eines bösen Kobolds aufsteigt. Nun dürfen wir auch den Gletscher in der Nähe besehen, er ist ganz so gebaut wie die heimischen in den Alpen ; aber wie bescheiden sind diese in der Ausdehnung gegen ihre nordischen
Brüder!
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( Iisblinkens Kalving) bei den großen Gletschern sehr häufig stattfindet. Diese losgerissenen Stücke oder Kälber" eines Gletschers, welche plözlich an die Oberfläche heraufsteigen, bilden die gefürchteten Eisberge, welche im Sommer, namentlich im Juni und Juli, einesteils aus der Baffinsbai, anderseits aus dem sibirischen Meere bis nach Neufundland hinabgetrieben, sowie aus dem ochotskischen Meere nach Süden geführt werden und sogar noch in diesen tiefen Breiten die Schiffahrt gefähr= den. Der Anblick des ersten Eisberges macht stets auf den Schiffer den nämlichen tiefen Eindruck, welchen im Süden die erste Kokospalme oder das erste Auftauchen des südlichen Kreuzes hervorbringt. Sogar der rohe Matrose fühlt sich ergriffen, wenn der schwimmende Koloß, von der Polarströmung getragen, langsam und majestätisch sich ihm nähert. Indessen hat man gewöhnlich, wie Dr. Laube bemerkt, durch Abbildungen und Schilderungen eine etwas verkehrte und übertriebene Vorstellung von den schwimmenden Eisbergen. Gewöhnlich sind es große unförmliche Blöcke mit gerundetem Rücken, nach allen Seiten oder wenigstens an einer Seite steil abfallend. Diese, tie Abbruchseite, ist meistens mit einer Menge lose haftender Eisstücke behangen, die bei jeder günstigen Gelegenheit herabſtürzen. Oft gewahrt man ins Innere führende mächtige Höhlen und Arkadenreihen oder Torbogen als Reste solcher Gänge. Andere, namentlich solche, welche schon längere Zeit unterwegs sind oder von steilfallenden Gletschern stammen, sind vielzackig und mannig fach zerklüftet; die Schatten wechseln vom zartesten Himmelblau bis ins tiefste Ultramarin in leuchtender Farbe oder nicht minder prächtig grün. Solche Eisberge sind zwar die schönsten, aber gefährlichsten Nachbarn. Der Krach eines Flintenschusses ist im stande, an einem solchen einen aufstrebenden Pfeiler zum Falle zu bringen und so daß Gleichgewicht des ganzen Klozes zu stören, der nun in schwankende Bewegung kommt und nach allen Seiten hin Trümmer abwerfend, wohl gar vollkommen in sich selbst zerfällt; jeder liebe lichte Sonnenschein sezt ihm allein schon so zu, daß er, von ihm bewogen, oftmals schwere Trüm mer abwirft. Das von der Sonnenwärme abgetaute Wasser sickert in die Spalten der Eismassen und gefriert dort wieder, wobei es sich ausdehnt und die Kluft weiter spaltet, was unter schußähnlichem Gekrach geschieht. Wenn mit Sonnenuntergang die Temperatur sinkt, dann brüllt bald hier, bald da ein ein stürzender Eisberg auf, die See scheint stellenweis wie mit Gletschereis überschottert und in ziemlich weite Entfernung trägt die aufschlagende Welle die Kunde vom Untergange des Riesen. Die höchsten Eisberge, die Dr. Laube sah, ragten etwa 50 Meter über Wasser; wenn man bedenkt, daß sie etwa 6-7 mal so tief unter Wasser gehen und oft 100 Meter Länge er reichen, so kann man sich eine Vorstellung machen, welche kolossale Masse Eis eine solcher über Wasser ganz unscheinbareer Berg faßt. Aber klein und unansehnlich sind sie geworden, wenn ſie auf ihrer Wanderung nach Westgrönland gelangen, immer leichter und beweglicher werden sie, man unterscheidet sie an ihrem start zernagten Aeußeren von denen, die sich hier erst zur Gesellschaft der nordischen Wanderer gesellen.- Die Oberfläche der ark tischen Eisberge ist mitunter wie bei unseren Gletschern mit Schutt und Steinen bedeckt. Es sind dies die Reste von Moränen, die auch über die nordischen Gletscher sich verbreiten, also der nämlichen Erscheinung, womit wir das Auftreten der erratischen Blöcke auf dem europäischen Festlande erklären. Wäh rend aber bei uns die großen Steine auf alten Gletschern nicht selten gleich Tischen auf der Spize von Gletschersäulen stehen, sind dagegen auf den nordischen Gletschern dieselben oft in trich terförmige Gruben eingesenkt. Die meist dunkelfarbigen Steine werden nämlich von den Sonnenstrahlen stärker erwärmt als die Eisfläche; das Eis schmilzt daher unter denselben früher hinweg als die Umgebung, und sie sinken in das Eis ein. Daß nehmen, gehört übrigens nach Dr. Laube zu den seltener wahr die Eisberge auf solche Art Felsenstücke mit auf die Wanderung nehmbaren Erscheinungen; solche, welche von Gletscherschlid heimlich und wieder an Kobolde und gespenstisches Treiben schwarz gebändert sind, kommen dagegen nicht selten vor. Un
Die unbedeutendsten der dortigen würden, in unsere Alpen versezt, Aufsehen erregen, und allenthalben haben sie sich angesiedelt; wie die Schwalbennester hängen sie zwischen den Felsen und ganze Täler füllen sie aus. Ueber das Meer reichen sie bis auf die davor gelegene Insel, und die See fließt darunter hinweg wie durch einen smaragdenen Brückenbogen. Und wer über sie wegwandern wollte, der könnte sie tagereisenweit verfolgen, ohne ihr Ende zu erreichen; ganz Grönland scheint innen eine starke Eiswüste zu sein, deren Abflüsse nach der See hin die gewaltigen Gletscher sind, die in das Meer - Vom Frühling bis Herbst, bemerkt Hellwald, ist das Meer in etwa 700 n. Br. bei Grönland allerdings offen, die Gletscher des Landes aber werden fortwährend in das Meer hinausgeschoben, und diese bei weitem raschere Bewegung des nordischen Gletschereises im Vereine mit dem mit Ebbe und Flut schwankenden Wasserstande des Meeres hat nun zur Folge, daß das Brechen oder des„ Eisschimmers Kalbung"
hinabragen.
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