-

130

"

-

Es ist die trägste Jahreszeit jezt, und es war eigentlich töricht, so früh schon nach der Stadt zurückzukehren," -fuhr er fort- oder es ist vielmehr töricht, nicht nochmals auf das Land zu gehen."

" Zum Sterben langweilig, gnädige Marchesa!" gab ja immer so versteckt und zurückgezogen, daß man sie hätte bei dieser zur Antwort. den Töchtern des Kaufmanns aus Mailand   im Grase vermuten können, wenn einem nicht bekannt gewesen wäre, daß sie" Daß sie borzog, sich ihre Gesellschaft unter den schmuzigen Mein Gott," Dorfbewohnern zu suchen unterbrach sie sich plözlich selbst- ,, wie können Sie Sich darüber überhaupt noch verwundern, Graf? Jeder Mensch hat eben seine Pas­sionen! Und Sie wissen ja, daß das Wesen Serenas im Grunde auch hier in Venedig   dasselbe ist!"

"

"

-

-

Aber ich bitte Sie, lieber Graf," warf die Marchesa ein war es denn auf Ihrer Besizung am Garda   minder langweilig? Dieses einförmige Dahinleben von Tag zu Tag in einer Gegend, wo einen der Anblick des ewig blauen Himmels und des ewig blauen Wassers allein schon schläfrig zu machen geeignet ist"

-

-

" Ich bedaure," versezte der Graf etwas piquirt daß Ihnen der Aufenthalt am Garda   so wenig gefallen, und daß ich Ihnen nicht mehr habe bieten können."

-

, bitte, wie hätten Sie überhaupt für größeres Amüse­ment zu sorgen vermocht! Sie haben ja alles aufgeboten, um uns den Aufenthalt angenehm zu machen. Aber Sie werden mir zugeben, daß die täglichen Ausfahrten in die Berge mit den stereotypen Ausblicken auf Matten und Felsen und das fortwährende Geschaukel der Gondel auf dem stillen, wie im Schlafe liegenden See nicht jedermanns Sache sind, keinesfalls aber für die Dauer als genügende Abwechslung in dem lang­weiligen Einerlei einer Villegiatur angesehen werden können.... Und unsere Nachbarschaft, mein Gott, sie war die denkbar langweiligste!- Der russische Baron, dessen ganze Familie an nichts weiter Gefallen zu haben schien, als tagtäglich auf den fleinen struppigen Steppenpferden in der Gegend herumzujagen, diese halben Barbaren auf der einen und die deutsche Kauf­mannsfamilie aus Mailand  , die wieder den ganzen Tag im Walde kampirte und sich ins Gras vergrub, wo es am höchsten wuchs, auf der anderen Seite, dazwischen die beiden Gou­vernanten Mein Gott, wenn ich an diese Gouvernanten denke!" Die Marchesa stieß ein helles Lachen aus und fuhr ausgelassen fort: Die des Barons die wildeste Reiterin, die mit dem jungen Baron um die Wette über Hecken und Gräben sezte und, selbst eine passionirte Raucherin, eigenhändig ihren halberwachsenen Pflegbefohlenen, den dicken Backfischen mit den gelben Gesichtern, die Cigarretten drehte, und die des deutschen Kaufmanns, die, wenn sie saß, wie an allen Gliedern gefesselt aussah und den Hals steif hielt, wie die Individuen einer ge= wissen liebenswürdigen Gattung unter dem Federvieh, die, wenn sie ging, ängstlich abgemessenen, trippelnden Schrittes hinter den Kindern herschritt, wie ein Hirt, der sein Schäfchen zur Tränke treibt, und die kein Wort zu sprechen wagte, ohne vorher mit stierem Blick ihren Herrn oder ihre Herrin angesehen und ge­wissermaßen die Erlaubnis zum Reden von den Augen gelesen zu haben. Nein, diese Gouvernanten, es war zu lustig!"

-

-

-

-

-

Und die Marchesa lachte wieder so hell auf, daß auch den Grafen ein Anflug von Heiterkeit überkam und ein leises Lächeln über seine Züge ging.

Die Erinnrung an die Gouvernanten scheint Sie ja selbst noch heute außerordentlich heiter zu stimmen, gnädige Frau;" sagte er- Sie haben also doch einiges Ergözen dieser Ville­giatur zu danken!"

Die Erinnerung an diese Art Menschen ist bekanntlich eher erträglich, als sich in ihrer Nachbarschaft zu befinden, bester Graf!... Nun wohl, ich will nicht ganz undankbar sein: ich habe doch manchmal über diese sonderbaren und an sich so ver­schiedenen Erzieherinnen herzlich lachen müssen!" " Uebrigens" warf der Graf ein

Serena"

war,"

-

-

-

-

- ,, hätte Fräulein Die natürlich der Gegenstand aller Ihrer Aufmerksamkeit unterbrach ihn die Marchesa mit schelmischem Auf­blizen der Augen und doch in einer Weise, als wolle sie leisen Vorwurf aussprechen. Der Graf mochte das wohl fühlen. Aber er warf ihr nur einen fast ernsten, schwer zu deutenden Blick zu und fuhr, ihre lezten Worte übergehend, fort:

Uebrigens hätte Fräulein Serena, wie ich meine, auch etwas mehr zu unserer Unterhaltung beitragen können! Sie hielt sich

"

-

-

" Wenigstens in der Beziehung, daß sie mir auch hier be­ständig aus dem Wege geht!" versezte der Graf voll Bitter­keit. ,, Und was die Passionen anlangt, so scheint das gnädige Fräulein jezt eine ganz besondere zu besizen."

,, Und diese wäre?"- fragte die Marchesa gespannt. Sie wüßten wirklich nicht?"- versezte der Graf. Ich bitte, Graf," warf jene wieder ungeduldig ein Sie wissen, daß ich nicht gern ,, nicht so geheimnisvoll! lange rate!"

"

-

-

,, Es scheint mir ganz seltsam, gnädige Frau,"- fuhr der Graf, sehr überrascht, fort, Graf, sehr überrascht, fort,- ,, daß Sie, die Sie sonst ein so scharfes Auge für Ihre Umgebung haben, nicht bemerkt haben sollten, welch' ein intimer Verkehr schon seit Wochen zwischen Fräulein Serena und dem in Ihrem Hause tätigen Maler Camillo von Winter stattfindet.... Wäre Ihnen das wirklich entgangen, gnädige Frau?"

Er sah die Marchesa forschend an, als ob er für möglich hielt, sie stelle sich nur unwissend.

Diese aber schlug die Augen weit auf und neigte sich mit dem Ausdruck größter Ueberraschung ihm zu, indem sie sagte: Ich höre wirklich das erste Wort davon, Sie scheinen ja ein wahrer Herzenskündiger zu sein, Graf! Worher wissen Sie denn das?"

-

Es gehören keinerlei besondere Fähigkeiten dazu, gnädige Marchesa!" antwortete der Graf etwas verwirrt Serena und der Maler haben nicht das geringste Hehl aus ihrer Sym­patie für einander gemacht

"

Lieber Graf," unterbrach ihn die Marchesa, die Hand leicht auf seinen Arm legend und in ihrer Ueberraschung von vorhin merklich herabgestimmt-" Sie scheinen mir da doch mit eigen­tümlichen Augen gesehen zu haben.... Wäre es möglich, daß Sie den Verkehr zwischen Serena und Herrn von Winter schon mit eifersüchtigen Blicken bewachen?"

Es hatte sich der Marchesa unmerklich eine kleine Miß­ſtimmung bemächtigt, die leise durch diese Frage hindurchklang; sie ließ ihre Hand immer noch auf dem Arme des Grafen ruhen und sah ihm, als ob sie ängstlich um etwas besorgt wäre und Beruhigung aus seinen Zügen lesen wollte, ins Gesicht. Der Graf aber versezte lebhaft:

-

" Keine Eifersucht, gnädige Frau! Jeder unbefangene Blick wird, so oft er die Begegnungen und Unterhaltungen der beiden zu beobachten Gelegenheit hat, wahrnehmen, daß- Daß Serena für die Kunst schwärmt, bester Graf!" unterbrach ihn die Marchesa heftig. Wenn Sie die beiden so scharf beobachtet haben, so kann es von Ihnen doch wohl faum unbemerkt gelassen worden sein, daß sich ihre ganze Unter haltung fort und fort um Gegenstände der Kunst dreht!...

-

" Ich sage Ihnen, Graf, mir schwirrt, wenn ich mich in ihrer Gesellschaft befinde, zuweilen ordentlich der Kopf von all dem wunderlichen Zeug, über welches Sie reden! Ja, wenn Sie das meinen, wenn Sie das einen intimen Verkehr nennen!..." Nein, das ist nicht alles!"

-

-

-

-

versezte der Graf mit tomischer Wichtigkeit und scharfer Betonung der Negation. Ich will freilich zugeben, daß Serenas bis zu excentrischer Ausartung gesteigerte Liebhabereien dabei eine Rolle spielen, aber ich weiß mehr, gnädige Frau, ich habe Gelegenheit ge habt, sie mit Herrn von Winter allein zu treffen " So?"-warf die Marchesa jezt in langgezogenem Tone dazwischen, indem sie die Hand wieder von seinem Arme herab­gleiten ließ und in ihren Geberden abermals gespannte Er­wartung verriet.

"

( Fortsezung folgt.)