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wurden von dem Hauptexportartikel Englands, den Steinkohlen, 578 000 Tonnen( die Tonne zu 1000 Kilogramm) nach Indien verladen, deren Wert nach den Zollregistern in England 5½ mill. Mark betrug. Als die Steinkohlen in Indien angekommen waren, stellte sich nach den Angaben der indischen Zollbehörde ihr dortiger Wert auf nicht weniger als 18 millionen Mark, somit hatten die Versender ohne die geringste Bemühung, alle Transportkosten abgerechnet, mehr als das Sümmchen von 10 millionen Mark, d. s. so ziemlich 200 Prozent, profitirt. Damit war aber das Geschäft noch nicht zu Ende. Die Steinkohlenexporteure kauften für ihre 18 millionen Mark 60 000 Tonnen Jute ( spr. Dschuth), jener zu allerlei Gespinnsten und Geweben brauch baren indischen Bastfaser: und diese 60 000 Tonnen repräsentirten in Englant einen Wert von nahezu 22 millionen Mark. Damit waren also an einem Exportartikel im Werte von 52 millionen, zum mindesten 13 millionen Mark rein profitirt.
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Kolonien als Bezugsquellen für Rohstoffe und Waaren, welche ein Land nicht selbst besizt oder ein Volk nur unter viel ungünstigeren Bedingungen zu produziren und zu fabriziren vermag, Kolonien als Absazgebiet für Rohstoffe, die ein Land im Ueberfluß besizt und für Waaren, die ein Volk in einem seine eigenen Bedürfnisse weit überbietenden Maße unter gün stigen Bedingungen zu produziren vermag, sind also offenbar von sehr großer Bedeutung für jedes Land und jedes Volk.
Schon aus diesem Grunde hätten die leitenden Kreise in Deutschland seit langem überseeische Ländereien zu erwerben und dort lebenskräftige Kolonien anzulegen erachten müssen. Die Bersplitterung Deutschlands , die Vielköpfigkeit seiner Herrscher, die nichts weniger als ein Hindernis daran war, daß Deutsch land sehr oft und in sehr vielen Beziehungen völlig kopflos regiert wurde, haben bis in die neuste Zeit an der Erwerbung von Kolonialbesiz gehindert.
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Im 19. Jahrhundert hat sich nun noch ein weiteres Moment dafür besonders fühlbar gemacht. Das ist der mächtige Auswandrungsdrang der Deutschen , mit dem die hervorragende Befähigung des deutschen Volkes für die Zwecke der Kolonifation für Urbarmachung von Wüste und Waldland, für Ackerbau und Viehzucht, für Afklimatisirung und Einlebung in fremde Verhältnisse, Lebensgewohnheiten und Sitten Hand in Hand geht. Werfen wir einen flüchtigen Blick auf die durch Deutsche bewirkten Kolonisationen größerer Landeskomplexe.
Schon seit dem 12. Jahrhundert siedelten sich Deutsche , dem Rufe ungarischer Könige folgend, in Siebenbürgen , in den oberungarischen Karpaten und den an Desterreich und Steiermark grenzenden Landstrichen Ungarns an. Nebenbei entstanden noch mehrere deutsche Städte in sonst ungarischen Landesteilen, so 3. B. Ofen. Am Ende des 17. Jahrhunderts ward durch die österreichischen Heerführer, welchen es gelungen war, die Türken zu vertreiben, wiederum ein großer Auswandrungsstrom nach Ungarn gelenkt. In der Umgegend von Pest und Ofen, im bakonyer Wald und dem Vertesgebirge, auf der Donauinsel Czezet und in den Komitaten Tolna und Baranya wurden deutsche Bauern seßhast.
Unter Maria Theresia begannen von neuem großartige Kolonisirungen durch Deutsche . Nach dem siebenjährigen Kriege wurden in das eben erst den Sümpfen abgerungene Banat, sowie nach der Bacska und noch einigen anderen Gegenden 400 000 deutsche Bauern, zumeist Schwaben , verpflanzt, und 1872 30g Joseph II. noch 40 000 Schwaben nach der Bacska . Dies war die lezte größere Einwandrung Deutscher in Ungarn , von den 1500 würtembergischen Schwaben abgesehen, die im Jahre 1846 ins siebenbürgische Sachsenland einzogen.
Gegenwärtig hat Ungarn 4 große Gruppen deutscher Ansiedlungen aufzuweisen: die der Sachsen und Landler in Sieben bürgen, ungefähr 235 000 Köpfe start, die der Schwaben im Banat , in der Woiwodina und den Nachbargespanschaften mit der Zahl von 700 000 Röpfen, ferner die der deutschen , auf ungefähr 500 C00 Köpfe zu schäzenden Ansiedler zwischen der österreichischen Grenze und der Donau bei Pest und die Deutschen im Slowakengebiete, etwa 100 000 Seelen zählend.
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An Bewohnern zahlreiche und an Land ausgedehnte Kolonien finden wir auch in Rußland . Im Gouvernement Ssamara werden 80 000, in Cherson 50 000, in Ssaratow 40 000, in Taurien 27 000, in Bessarabien 22 000, in Jekaterinoslaw 20 000, in St. Petersburg 4000, in Transfautasien 3000, in Drenburg 1500 und in Stawropol 1000 Deutsche gezählt. Außerdem sind über die baltischen Provinzen eine große Menge kleiner deutscher Ortschaften verstreut. Im ganzen wird die Zahl der Deutschen in Rußland auf 400 000 geschäzt.
Ist schon die nach dem europäischen Osten und Südosten gerichtet gewesene Auswandrung eine sehr beachtenswerte, so erweist sich die nach dem außereuropäischen Westen gerichtete als eine geradezu kolossale. In dem wenig über ein halbes Jahrhundert umspannenden Zeitraum von 1815-79 wanderten ungefähr 4 millionen Deutsche aus und davon gingen nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika 3 600 000. Diese sehr große Anzahl Deutscher hat sich in den Staaten Missouri , Wis consin , Minnesota , Illinois , Ohio , New- York, New- Jersey , Maryland , Nordcarolina und im Mississippibecken, in den lezten Jahrzehnten auch in Kansas , Teras und Nebraska angesiedelt, und zwischen 400 000 und 500 000 wohnen in den großen Städten der Union , hauptsächlich in New- York , Philadelphia , St. Louis , Chicago nnd Cincinnati .
Auch in Südamerika , vorzüglich in den Südprovinzen Bra siliens wie in Argentinien , Uruguay , Chile u. s. w., sind Deutsche in größerer Zahl vertreten. In Brasilien allein wohnen ungefähr 200 000.
Es ist klar, daß diese millionen Deutscher, welche sich durch Austelligkeit und Arbeitsamkeit vielfach zu Wohlstand und Reichtum emporgeschwungen haben, dem Mutterlande von unberechenbarem Nuzen sein würden, wenn sie mit ihm in unmittelbarem Verkehre geblieben wären. Ist doch schon durch die einfache Tatsache ihrer Auswanderung Deutschland um einen beträchtlichen Teil seines Nationalvermögens gebracht worden, da ja zumeist nicht diejenigen auswandern, welche garnichts befizen, sondern die, welche wenigstens noch ein kleines Kapital zuzusezen haben und auf dessen gewinnbringende Verwertung in einem mit Arbeitskräften nicht so gar überfüllten und mit herrenlosen oder billig zu erwerbenden Landstrecken ausgestattetem Kontinente rechnen.
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Mit gutem Grunde schäzt der mit Recht hochangesehene Statistiker Engel die Durchschnittssumme, welche mit jedem Auswandrer Deutschland entzogen wird, auf 2000 Mark, was einen Kapitalverlust von etwa 112 milliarde Mark für die lezten 30 Jahre gleichkommt. Und den Gesammtverlust dem Beginn der Auswandrung nach Amerika im Jahre 1682, einschließlich der Erziehungskosten und der materiellen Arbeitskraft der Ausgewanderten kraft der Ausgewandertenberechnet Ernst v. Weber auf die ungeheure Summe von 23 milliarden Mark, eine gradezu riesige Einbuße, welche dadurch, daß stets ein Prozentsaz der Ausgewanderten aber nur ein sehr geringer mit dem auf gewanderten fremdem Boden erworbenen Vermögen ins Vaterland zurückgekehrt ist nur um ein sehr Geringes vermindert wird.
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In allerneuester Zeit nun ist eine Teilung der Welt im Werke, welche es für Deutschland auf das allerdringendste ge raten erscheinen läßt, schleunigst seine Maßregeln zu ergreifen, wenn es überhaupt Kolonien von bedeutenderem Umfange und hoffnungsvoller Zukunft erwerben und wenn es dereinst dem Konzert der Weltmächte ebenso angehören will, wie heut dem der europäischen Großmächte.
Wie hohe Zeit es in dieser Beziehung ist, für Deutsch land zu handeln, zeigt auf das deutlichste eine ziemlich um Afrikareisenden Gerhard Rohffs, die im diesjährigen Septemberfangreiche Abhandlung eines Sachverständigen, des bekannten heft von Gottschalls unsre Zeit, Revue der Gegenwart", ver öffentlicht ist. Dieselbe trägt den Titel„ Welche Länder können Deutsche noch erwerben?" und karaktrisirt die zu deutschen Kolonisationszwecken brauchbaren Länder in einer jedenfalls im ganzen völlig zutreffenden Weise.
In möglichst gedrängtem Auszuge sei hier das Wichtigste aus der Rohlfsschen Arbeit wiedergegeben.