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Gebäude Westminster- Palast - selbst statt. Im ganzen kann man sagen: es gibt in ganz England kaum eine andere Menschenklasse, welche ihrem Berufe pünktlicher, ausdauernder und gewissenhafter obläge, kaum einen Beruf, der die Verstandskräfte und Nerven härter abspannte, als das stenographische Referiren nach mündlichem Redevortrage. Wie kein anderer strengt der Beruf eines parlamentarischen
Ein Engelmacher.
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Wer hat nicht von jenen Frauen gehört, die in England, den Vereinigten Staaten , Frankreich und leider auch Deutschland - den entsezlichen Beruf verfolgen, die ihnen anvertrauten Säuglinge und Kinder bald mit, bald ohne Zustimmung der Eltern zu„ Engeln zu machen", d. h. ohne Umschreibung: zu morden!? Die armen Dinger, deren Leben an einem Faden hängt, aus der Welt zu schaffen, ist ja sehr leicht. Etwas unpassende Nahrung, ein Spaziergang bei Ostwind,
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das genügt; und erweist die Natur der auserlesenen Opfer sich als zu zähe, nun, so vollbringt systematische Mißpflege das Mordwerk, und zwar dergestalt, daß nur in den seltensten Fällen ein juristischer Schuldbeweis erbracht werden kann. Tausende und tausende von menschlichen Wesen werden auf diese Weise an der Schwelle des Lebens unbarmherzig getötet.
Weit mörderischer als alle Engelmacherinnen ist aber ein einziger Engelmacher, der seit Jahrzehnten sich in England herumtreibt, von Haus zu Haus schleichend, die Kinder in der Wiege erwürgend- und der nun auch in Deutschland seine furchtbare Arbeit begonnen hat. Wir meinen jenen als Wohltat der Mütter und Kinder" gepriesenen Schlaftrunt, der lange Zeit unter dem Namen Godefroy's Cordial bekannt war, neuerdings aber, gleich andern Mördern, sich hinter allerhand falschen Namen und Titeln zu verstecken sucht.
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Wer wissen will, welche Verheerungen dieser aus Opium und Syrup gebraute Gifttrant schon angerichtet hat, der muß die Verhandlungsberichte der englischen Parlamentskommissionen lesen, welche sich zur Zeit der Zehnstunden bill Agitation mit den Zuständen der Fabrikbevölkerung und den Uebeln der langen Arbeitszeit" beschäftigten. Grauenhaftes fam da zu Tag. Wie junge Mütter, die in der Fabrik arbeiten, um den Lohn nicht zu verlieren, von Morgens früh bis zum Mittag, und dann nach kurzer Pause wieder bis spät in die Nacht, häufig auch ohne Speise, von Morgens wenn der Hahn kräht bis tief in die Nacht hinein, ihre Säuglinge verlassen und ohne Aussicht allein lassen, und ihnen, damit sie inzwischen„ ruhig" bleiben, den vermeintlichen Labetrunk eingeben. Wie die Kinder ihn gierig einsaugen, wie sie von Tag zu Tag besser und fester schlafen, und wie bald ein Tag kommt, wo der Schlaf so fest ist, daß sie nicht mehr aufwachen.
Die erschreckten Barlamentsmitglieder stellten fest, daß dieser Gebrauch der Kinderelixire und Cordials sich nicht auf vereinzelte Distrikte beschränkte, sondern in sämmtlichen Fabrikbezirken des Landes ganz allgemein ist, und daß die Zahl der Opfer garnicht zu berechnen.
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Wenn je die Wahrheit des Wortes:" Der Schlaf ist der Bruder des Todes" eindringlich und greifbar demonstrirt worden ist, dann durch diesen Schlaftrunk, der in Wahrheit ein Todestrunk war und ist. Ist: denn er ist noch in voller Tätigkeit und verrichtet noch immer sein
Mordwerk.
Leider hat das englische Parlament in dieser Sache nicht die gehörige Energie bewiesen. Wohl hat es- wesentlich durch die Enthüllungen über den mörderischen Schlaftrunk bestimmt die Zeitdauer der Kinderund Frauenarbeit herabgesezt, um den Müttern die jorgsame Pflege ihrer Kinder zu ermöglichen; wohl hat es die Kontrole des Verkaufs von Giften, und namentlich von Opium, verschärft, doch das ist auch alles, und es reicht nicht aus. Wird der Gifttrunk unter dem einen Namen verfolgt, so nimmt er einen anderen an; die Ingredienzen werden etwas verändert
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das tötliche Opium aber bleibt.
Bon einer englischen Zeitschrift wird die Zahl der Opfer ſeit 1830, also innerhalb des lezten halben Jahrhunderts in runder Summe auf eine million veranschlagt. Und, wer die Verhältnisse kennt, wird dies nicht als übertrieben bezeichnen.
Hatten wir nicht Recht zu sagen, daß dieser eine Engelmacher mörderischer sei, mehr Morde auf dem Gewissen habe, als alle Engelmacherinnen von Profession zusammengenommen?
Und dieser Engelmacher ist jezt unter uns. Zum Glück hat er hier und da bereits die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich gelenkt. So lesen wir in den Leipsiger Blättern:
Bekanntmachung.
Es ist ermittelt worden, daß in manchen Gegenden des Landes ber ungefezliche Vertrieb einer, den vorgenommenen Untersuchungen zufolge stark Opium haltenden, Tinktur unter dem Namen„ schmerzstillende Kindertinktur" oder nur Kindertinktur" sowohl durch haufirende Händler- die sogenannten Königſeeer- als sonst in beträchtlichem Umfange stattfindet und daß namentlich auch Hebammen die Da der Gebrauch dieser Tinktur, wenn er ohne ärztliche Verordordnung stattfindet, erhebliche und ernste Gesundheitsgefährdungen im Gefolge haben kann, der Vertrieb der Tinktur aber nach Maßgabe der
beregte Tinktur verwenden.
Berichterstatters Geist und Körper an; es ist etwas ganz gewöhnliches, daß ein und derselbe Referent drei- oder sogar viermal auf zwanzig Minuten, ja eine halbe Stunde seinen Siz in der Loge einnehmen muß, so daß er zehn oder zwölf Stunden lang hintereinander zu arbeiten hat, während welcher Zeit ihm höchstens einige Minuten übrig bleiben, um eine hastige Erfrischung zu sich zu nehmen. D. G.....
zwar, mit Rüdsicht auf die starkwirkenden Eigenschaften derselben, unter Ausschluß vom Handverkauf stattfinden darf, auch die Tinktur nicht zu denjenigen Heilmitteln gehört, deren Verordnung und Anwendung den Hebammen nach§ 14 der revidirten Hebammenordnung vom 8. Mai 1872 gestattet ist, warnen wir in Folge höherer Verordnung ernstlich vor der Verwendung der fraglichen Tinktur im hiesigen Stadtbezirk und werden in vorkommenden Zuwiderhandlungsfällen mit allem Nachdruck einschreiten und die Bestrafung der Kontravenienten in Gemäßheit der Vorschriften in§ 367, sub 3 des Reichsstrafgesezbuches, bez. in§ 10 der die Einführung einer revidirten Hebammenordnung betreffenden Verordnung vom 8. Mai 1872 veranlassen.
Richter.
Das ist recht! Wir wollen wünschen, daß das Beispiel der Leip ziger Stadtbehörden überall Nachahmung finden möge, und daß die Staatsregierungen eingreifen! Soll aber das Eingreifen von Erfolg sein, so müssen die Behörden vom Publikum unterstüzt werden. Wir haben die Gefahr in ihrer Größe gezeigt. Mütter seid auf der Hut! L.
Die Termen des Caracalla.( Bild s. S. 116 u. 117.) Mit dem Baden, sagt ein Volksschriftsteller, muß es seine eigene Bewandtnis haben. Hier sehen wir einen Schmeerbauch, in der Hoffnung, daß das Wasser zehrt", seinen übermäßig genährten Bauch den Wellen anvertraun, um mager zu werden. Neben ihm erblicken wir einen hageren, bleichen Mann, der mit Neid auf die Fülle seines Nachbars blickt und das Bad benuzt, um das Defizit seines schwächlichen Kadavers zu decken. Dort geht ein Beamter, ein Gelehrter ins Wasser, um seinen steifge= wordenen Leib anzuregen, und ihm folgt ein Arbeiter, der seine Glieder den ganzen lieben langen Sommertag mit Energie und im Schweiße seines Angesichts gerührt hat. Da flagt einer über Schläfrigkeit und Trägheit in den Gliedern und hofft durch ein Flußbad aufgeweckt zu werden, und neben ihm versichert ein anderer, daß er die ganze Nacht in Schlaflosigkeit zubringen müßte, wenn er nicht jeden Abend ein Bad nähme. Dem einen sizt es im Kopf, dem andern in den Beinen und beide gehen ins nasse Element, um sich da Gesundheit zu holen. Und zwischen diesen, welche die entgegengesezten Wirkungen vom Bade erwarten, wimmeln völlig Gesunde umher, um sich im Wasser zu tummeln und auf den Wellen umherzuschwimmen aus purer frischer Lebenslust. Das erklärt sich aber ganz einfach daraus, daß das Bad den Stoffwechsel erheblich befördert, die Lebensflamme läutert, daß sie heller und schöner lodern kann. Darum ist das Bad eine Panacee, eine Universalmedizien für Kranke wie für Gesunde. In den ältesten Zeiten wußte man nur von Flußbädern. Bei fortgeschrittener Kultur dachte man darauf, den wohltätigen Genuß in die Wohnungen zu verpflanzen, und bald folgten öffentliche Bäder und Mineralquellen, um welche sogar ganze Dörfer und Städte entstanden. Von keinem Volk aber wurde das Bad so kultivirt wie von den alten Römern. Seit der Zeit, wo Rom anfing, mit den griechischen Sitten bekannt zu werden und sich zur Welthauptstadt aufzuschwingen, verwendeten die Römer besondere Sorgfalt auf die künstlich zugerichteten warmen Bäder, die Balnea und Termen. Der Gebrauch warmer Bäder wurde in Rom üblich und immer mehr zum Bedürfnis für jedermann, für Männer und Frauen, für die höheren Stände wie für die niederen, wie es scheint, seit der Zeit des zweiten punischen Kriegs.( Bender, Rom und römisches Leben.) Die großartigsten Termen aber datiren aus der Zeit des Augustus. Sie enthielten außer einer vollständigen, allen raffinirten Bedürfnissen und Liebhabereien genügenden Badeeinrichtung auch die nötigen Anstalten für Leibesübung und Spiele. Dies waren die eigentlichen Lurusbäder. Immer weicher und raffinirter wurde die Ausstattung, und so wurden diese Bäder allmälich der Mittel
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punkt eines Genußlebens, bei welchem der sanitäre Zwed zurüdtrat
lautet:
und welches die Korruption mehr als irgend eine andere Sitte des Gesellschaftsleben beförderte. Die Bäder wurden zu Tummelpläzen der Weichlichkeit, Ueppigkeit und Ausschweifung. Ein altes Distichon Balnea, Vina, Venus corrumpunt corpora nostra, At vitam faciunt Balnea, Vina, Venus. Bäder und Liebe und Wein zerstören uns unsere Leiber, Aber das Leben es ist Bäder und Liebe und Wein.
Da auch Frauen in den Bädern erschienen, so wurde das Bad neben Teater , Zirkus und andern öffentlichen Orten nach Ovids Angabe als passende Gelegenheit für ein Rendezvous benüzt und allmälich war das gemeinsame Baden beider Geschlechter ganz gewöhnlich geworden.
Die großartigsten und prachtvollsten Termen Roms waren die
kaiserlichen Berordnung vom 4. Januar 1875 nur in Apoteken, und jenigen, welche der Kaiser Caracalla( eigentlich M. Aurelius Antonius,