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politische und religiöse Leben. Mitwinter, Wintersonnenwende oder Julfest heißt unter diesen Hochgeziten" d. i. hohen, heiligen Zeiten die hochheiligste und fällt auf Martini oder auf den 14.- 16. Dezember, später auf die Tage vom 24. Dezember bis 6. Januar.
Ruhe von schwerer Arbeit, Ruhe auch vom rauhen Waffenhandwerk, Götterfriede, Dank- und Bittopfer, Festschmaus und Trinkgelag, gegenseitiges Begeben und Beschenken, Abhalten von ,, ungebotenen" d. i. nicht besonders angesagtem Ting- oder Gerichtstag kennzeichnen bald alle vier, bald wenigsten drei jener großen Zeiten.
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Dast Fest leitet ein längeres Fasten ein. Zu des Gottes heiliger Quelle und zu seinem heiligen Baum, einer Buche oder Linde oder dem. Hagedorn, wenn es, wie am Julfest, namentlich Wodan ( und dem Sonnengott Freyr) gilt, wandeln dann in festlichem Zuge und bestem Schmuck die Gaugenossen. Priester führen weiße Rosse, welche auf Wagen die Symbole oder Zeichen des Gottes ziehen: Odins oder Wodans Speer, Zios Schwert, Donars Hammer. Schon zur Zeit des Tacitus, der zwar erzählt, daß die Germanen ihre Götter nicht in Tempel einschlössen, aber selbst einen solchen erwähnt, waren jene heiligen Stätten zunächst von einem Hagedorngehege umfriedet, ja mit Holzhütten, dann mit runden Steinbauten umschlossen, in dessen Mitte der heilige Herd mit dem immer brennenden Feuer sich befand und die rohgeschnizten Bilder eines oder mehrerer Gottheiten. Daselbst befand sich auch der heilige Kessel, in dem das Blut der Opfertiere aufgefangen wurde. Diese waren: Pferd, Rind, Schafe, Böcke und Ziegen, Eber, Eichhörnchen, Hähne und Hühner, in ältester Zeit auch Menschen, Slaven oder Kriegsgefangene und solche Freie, die ihr Leben verwirkt hatten. Blumengeschmückt und, falls es Hornträger waren, mit vergoldeten Hörnern, wurden die Opfer feierlichst umgeführt unter Gesang und Tanz der Teilnehmer. Mit hei ligem Wedel aufgefangenes Blut wurde über alle Anwesenden gesprengt; Herz, Leber, Lunge gehörten dem Gotte, das Fleisch ward durch die Priester unter das Volk gebracht. Oft schloß sich an dieses eigentliche Heiligtum ein geräumiges Langhaus zur Abhaltung der Opferfeste. Längs der Wände befanden sich Size, in der Mitte je ein Hochsiz für besonders Vornehme, in der Mitte des Langhauses cine Reihe von Opferfeuern mit den Kesseln, in denen das Fleisch gesotten wurde. Ueber die Kessel und Feuer hinweg tranken sich die Gegenübersizenden Wodans Minne zu aus Bechern und Trinkhörnern. Die Kosten dieser politisch- religiösen Opferfeier mögen oft, wie in Schweden , durch eine Gauſteuer aufgebracht worden sein.
Priester im Hause des einzelnen war das Familienhaupt, Opfer allda kleine Tiere, meist aber unblutige, als Getreide, Früchte, Blumen, Milch, Käse, Honig, Met. Der ganze Gau hatte seine Staatspriester, wohl vom Volfe gewählte, nicht eine besondere Kaste bildende Beamte, neben denen es auch Priesterinnen gab. Ihre Tätigkeiten waren Vollzug des Opfers, der Sühnung, feierliches Gebetsprechen und Weissagung aus Stimme und Flug der heiligen Vögel Adler, Rabe, Dohle, Krähe, Eule, Elster, Kukut, Specht , Huhn, Gans, Schwalbe u. a.; auch aus dem Wiehern und Schnauben der Rosse, sowie aus den Losstäben mit eingerizten Runen, wobei kräftige Sprüche und Lieder gesprochen wurden.
Festliche Ruhe herrscht auch im Hause der einzelnen, gegenseitige Geschenke gaben dem Feste eine weitere Weihe. Blankes Gewaffen blizt von den Wänden der mit Tannen- und Fichten reis geschmückten Halle, den Boden bedecken ebenfalls Nadelholzzweige, mächtige Kienfackeln spenden Licht den Mannen, die auf allen Wegen zu Fuß und zu Schiff bei solchen vornehmen Stammgenossen zusammengekommen sind, die Gut oder Geld genug haben, um durch Spendung eines mehrtägigen Bier- oder Metgelages für Freunde und Gemeindegenossen sich hohe Ehre zu erwerben. Im ganzen Hause, d. h. in allen Wohn- und Wirtschaftsräumen, meist einstöckigen Blockhäusern, mußte alles rein und in Ordnung und jede Arbeit fertig sein. Hielten die Himmlischen selbst, Wodan und seine Gemahlin Freia , auch
Perchta , Frida oder Iguta, Gode, Frau Holle genannt, Umschau und prüften Wohnungen und Gehöfte, Kühe und Stallung, Fleiß und Ordnung lohnend, Unfleiß und Unordnung strafend. Noch lebt im Volksbrauch Wodan mit seinem fahlen Rosse Sleipnir in dem Schimmelreiter gewisser deutscher Landschaften. Da bindet ein Bursch ein Sieb mit langer Stange vor, an der ein Pferdekopf befestigt ist, das ganze wird mit weißen Tüchern behängt. Anderwärts bilden mehrere Bursche das weiße Roß, Begleiter sind oft ein Bär, oder der in Haferstroh ringseingebundene Haferbräutigam, oder die Feien, Bursche mit unheimlich geschwärzten Gesichtern und Frauengewändern; in Schlesien eine Menge Knechte, die mit ihren Peitschen gewaltig fnallen und Kuchen einsammeln, daher denn ihre Tätigkeit und die ganze Mummerei auch Kuchenplazen heißt, welche hier zur Ernte oder um Martini stattfindet. St. Martin der christlichen Sage, an Mantel und Schimmel kenntlich, eignete sich gut als Stellvertreter und Erbe Wodans in Glaube, Sitte und Brauch; die Feuerbrände zu Martins Ehre am Rhein und in Flamland weisen den wunderbaren Heiligen genügend als Lichtund Jahresgott aus, zu dessen Ehren brennende Holz- und Strohräder von den Anhöhen in die Tiefen gerollt oder hoch in die nächtliche Luft emporgewirbelt werden. Noch heute flammen Feuerbrände auf zu Weihnachten( ze den wîhen nechten zu den( zwölf) geweihten, heiligen Nächten, auch Zwölften, Raunächte, Lossage genannt) in Schweden und Norwegen . In England wird ein behaglich wärmendes, hellleuchtendes Kaminfeuer unterhalten in der Stube, die mit Immergrün, und Misteloder Stechpalmenzweigen geschmückt ist. Der Julblock, ein gewaltiger Wurzelstock eines Baumes, ist von altersher die Hauptspeise des Feuers, welches mit einem wohlverwahrten Rest des vorjährigen Julblockes entzündet werden muß. Zu Shakespeares Zeit lag dieser heilige Block vorher inmitten der Halle, und alle Hausgenossen nahmen nacheinander einmal darauf Plaz, um ein Jullied zu singen und auf fröhlich Weihnachten und glückliches Neujahr zu trinken. In Norwegen wurden in alter Zeit drei Becher geleert, der erste für Odin um Sieg und Macht, der zweite für Niörs und Freyr um Feldsegen und Frieden, beim dritten zu Brajas Ehren gelobte man Schenkungen oder kühne Heldentaten.
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In York , Northumberland und anderwärts in England wer den zu Weihnachten noch Schwert- und Riesentänze aufgeführt, der vornehmste der Riesen heißt noch heute Wodan ; auch Wodans Gattin fehlt nicht dabei. Vielleicht handelte es sich ur sprünglich um die Befreiung Friggs aus der Gewalt der Winteroder Frostriesen, d. h. um die Ueberwindung des Winterfrostes durch Sonnenlicht und Wärme und Neubelebung der schier erstorbenen Mutter Erde .
Anderwärts heißt dieser religiöse Tanz das Berchtelspringen, ist also ein heiliger Tanz zu Ehren der Berchta , wobei die Tänzer mit Schellen behangen waren, die bei jedem Tritt er klangen. Auch andere Wesen der Vorzeit tauchen in Weihnachtsbräuchen auf; drei weiße Fräulein in Schwaben sind vielleicht die heidnischen Nornen oder Schicksalsgöttinnen; ebenso kommen die den Göttern geheiligten Tiere zum Vorschein, so in Schwa ben ein weißes Schwein, eine weiße Gans u. a.
An die Fest- und Opferschmäuse altheidnischer Zeit erinnern noch heute gewisse stehende Gerichte am heiligen Abend, am Sylvester und Neujahr, die nicht versehen werden dürfen, wenn nicht bestimmte Strafen eintreten sollen. Wer am Sylvester nicht Häringssalat gegessen hat, dem schneidet nach türingischem Aberglaube Berchta den Leib auf, füllt ihn mit Häckerling und näht ihn mit Eisenketten und Pflugschar wieder zu. Dieselbe Strafe droht dem Voigtländer , wenn er nicht Polze ißt, einen altväterlich überlieferten Mehlbrei. Heringsjalat am Heringssalat am Sylvester verspeist man im Wittenbergischen, daß dem Gläubigen nie das Geld ausgeht. Derselbe Segen lohnt in Schwaben alle die, welche zu Neujahr gelbe Rüben essen. In Steiermark ist das Weihgericht Karpfen und Mohnstrudel, in der Lausitz, ebenso wie in Schlesien , der„ polnisch" zubereitete, d. h. in Pfefferkuchensaus gekochte Karpfen und Mohnklöſe.