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lich viel weniger Macht in ihren Scheeren haben. Seine Nahrung besteht aus Fleischsubstanzen, welche er aber wahrscheinlich mehr durch seinen Geruchssinn als vermittelst seiner Augen findet. Nachdem wir ihn genugsam betrachtet haben, binden wir ihn mit einer seiner Scheeren an einen Bindfaden und suchen nun noch mehrere in die Gewalt zu bekommen. Nach kurzer Zeit schon haben wir das Vergnügen, eine ziemliche Anzahl erbeutet zu haben, und wir sind eben im Begriff, noch ein Exemplar zu erhaschen, als plözlich eine herrliche Erscheinung, von der wir aber nicht einmal wußten, ob wir es mit einer Pflanze oder mit einem Tiere zu tun hatten, unsere Schritte Hemmte. In einer kleinen Spalte, in welche noch von Zeit zu Zeit etwas Wasser fließt, sehen wir nämlich eine ziemlich kleine, dünne, aber lang aufgeschossene weiße Gestalt, welche oben in einen Büschel von Strahlen endet. Kaum aber haben wir das Tier, denn ein solches ist es, berührt, als die Büschel verschwinden und wir nun einen häßlichen, weißen und schleimigen Klumpen vor uns haben. Wir reißen das Tier, welches sich jedoch mit seiner ganzen Kraft an den Steinen festhält, endlich los und finden nun, daß dasselbe zu der Gattung der Seeanemonen gehört. Das Tier hat, wie schon oben gesagt wurde, eine lange, ziemlich dünne Gestalt. Mit seiner breiten unteren Fläche sezt es sich an Muscheln oder Steine fest. Ganz am oberen Teile sehen wir einen schmalen Ring und ein wenig über demselben erhebt sich die Mundscheibe. In der Mitte derselben findet sich die Mundöffnung des Tieres und an den Seiten ist sie in fünf Lappen geteilt. Auf diesen stehen die Saugfüße, welche aber nicht wie beim Seestern zur Bewegung dienen, sondern vielmehr zur Ergreifung der Nahrung. Es befinden sich nämlich an der Spize, der einzelnen Saugfäden tausende kleiner Kapseln, in welchen eine kleine Spiralfeder aufgerollt ist. Wird nun irgend ein Saugfaden durch ein leines Tier berührt, so werden die Kapseln durch die Muskelkraft der Anemonen geöffnet, und die Faden legen sich um das Tier und vergiften es durch ein klebriges Gift, welches an den Fäden haftet. Hat sie das Tier auf diese Weise unfähig gemacht, zu entfliehen, so zieht sie dasselbe an sich und schiebt das ganze Tier in die Mundöffnung. Dieses Exemplar, welches wir soeben gefunden haben, ist eines der schönsten seiner Art und zwar
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| eine Seenelke. Der Name Nelke ist sehr treffend für diese Art, da es, wenn es seine Fühler ausgestreckt hat, dieser sehr ähnlich ist. Eine andere Eigentümlichkeit einer Art dieser Gattung ist, daß sie sich häufig im Meere nur auf dem Hause eines Einsiedlerkrebses befindet. Den Vorteil, welcher für die Anemone hierin liegt, können wir wohl erklären. Sie ist nämlich nicht imstande, sich im freien Meere fortzubewegen und so wird ihr nun durch das Umherwandern des Krebses ein Mittel geboten, ihren Plaz zu verändern und infolge dessen ihre Nahrung besser zu finden, als wenn sie an einem Ort festgebannt wäre. Welchen Nuzen aber der Krebs hiervon hat, ist bis jezt noch nicht bekannt.
Nachdem wir auch von diesen Tieren einige unserem improvisirten Aquarium eingereiht haben, hat sich das Meer so weit zurückgezogen, daß wir ruhig bis an das äußerste Ende der Buhne gelangen können. Doch kaum sind wir hier, als wir auch schon eine rundliche, schirmartige Gallertmasse mit weißlicher, etwas bläulicher Farbe sehen, welche in der Mitte und am Rande mit kurzen schleimigen Fäden bedeckt ist. Schnell benuzen wir unsern Stock, um das Tier in unsern Bereich zu bringen. Als wir es ziemlich nahe herangetrieben haben, fassen wir mit der Hand zu, um es ganz an das Land zu holen. Doch plözlich lassen wir dasselbe wieder zur Erde fallen, denn ein Schmerz, ähnlich dem von Brennesseln, durchzuckt unsere Glieder. Wir sind nun vorsichtiger und finden, daß es eine Dualle und augenscheinlich eine brennende oder nesselnde ist. Es sind natürlich nicht alle Duallen imstande, uns durch ihre Nesseln zu belästigen, sondern nur ein Teil derselben hat diese Eigenschaft. Eigenschaft. Diese Tiere haben nämlich, wie die Anemonen, eine große Anzahl kleiner starrer Kapseln, welche allerdings so klein sind, daß man sie mit dem bloßen Auge nicht erkennen kann, sondern sich dazu einer Lupe bedienen muß. In diesen Kapseln befinden sich ebenfalls Spiralfedern. Dadurch nun, daß ein fester Gegenstand dieselben berührt, springen die Kapseln auf und die Feder schnellt empor.
Für diesmal wollen wir unseren Spaziergang hiermit beendigen. Wer aber von unseren freundlichen Lesern im nächsten Sommer eine unserer herrlichen Nordseeinseln aufsucht, der möge nie versäumen, die Buhnen zu durchsuchen. Er wird noch manches interessante Tier daselbst sinden.
( Mit Illustration.)
Wer kennt nicht die romantische Geschichte von dem Polen Mazeppa, der sich als Page in seine schöne Herrin, eine polnische Gräfin, verliebte und auch Gegenliebe fand, wofür er von dem erzürnten Grafen auf den Rücken eines wilden Steppenrosses gebunden wurde, das man in die Wildnis der Steppen und Wälder Polens trieb und das seinen unfreiwilligen Reiter bis nach Südrußland in die Ukraine trug, wo er durch merkwürdige Schicksale eine hohe Machtstellung gewann und als Verbündeter des tollen Karl XII. von Schweden nach der Schlacht von Poltawa durch Selbstmord starb! Den wilden Ritt durch Steppen und Wälder hat Lord Byron in seinem Epos:" Ma zeppa " mit seiner mächtigen Poesie verherrlicht.... Die Wölfe verfolgen den wild dahersausenden Renner, der den gebundenen Mazeppa auf dem Rücken trägt; der Pole hört ihr Geheul und wünscht sich nur Waffen, um im Kampfe zu sterben und nicht von jenen blutgierigen Bestien lebend zerrissen zu werden: ,, Wir rascheln durch das Laub wie Wind, Bis Wald und Wölf entschwunden sind. Ich hörte Nachts sie hinter mir
Und immer näher durchs Revier
Kam ihr Galopp, der Jägersmann
Und Hundeshast ermüden kann; Wohin wir flohn, sie waren nah,
Die Sonne fam sie blieben da....
Die Schnelligkeit und Wildheit des Rosses rettet Mazeppa vor den Wölfen; mit Sturmeseile gehts von dannen:
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Als meines Renners Flucht begann, Wie wünscht ich da das Ziel heran! Nun bangt' ich um zu kurze Flucht: Grundlose Furcht! Der Steppe Zucht Durchmannt ihn wie des Berges Reh; Nicht schneller blizt der Alpenschnee, Wann blendend der Lawine Braus Begräbt den Hirten nah beim Haus, Eh' er betäubt die Schwell' erreicht Als durch den Wald der Renner streift, Haltlos und rastlos, wild und blind, Rasend wie ein verzogenes Kind,
Dem etwas quer geht
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nein, noch schlimmer: Wie ein gereiztes Frauenzimmer!"
Endlich geht dem Rosse die Kraft aus und inmitten eines Schwarmes von herbeigekommenen Steppenrossen fällt es mit seinem Reiter gebrochen nieder. Byron schildert diese freien Steppenrosse mit der ganzen Pracht seiner Poesie:
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,, Da, wie mein Pferd sich weiter pladt, Glaub' ich ein wichernd Roß zu hören Aus jenem Didicht schwarzer Föhren Ists Wind, was in den Zweigen fnackt? Nein! Stampfend aus dem Forste jagt Ein ganzer Trupp sie nahen schon In einer mächtigen Schwadron! Ich möchte schrein, die Luft versagt. Die Rosse brausen mutig weiter, Wo sind die Zügel und die Leiter? An tausend Pferde und kein Reiter!
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