winzig kleinen Teil des unermeßlichen Gebietes in Abhängigkeit gebracht und mit Kolonien versehen. Die Mehrzahl der Urein­wohner, besonders die in dem an edlen Metallen reichen Para­ guay   zu beiden Seiten des Flüsse Uraguay und Parana an sässigen bedeutenden Stämme der Guarani  , Chiquitos und Moros- Indianer, waren noch unbezwungen und bedrohten mit einer Streitmacht von über 60 000 Mann die spanische Herr schaft, welche zu Buenos- Ayres ihren Siz hatte.

Unter unaufhörlichen blutigen Kämpfen gelang es den Spaniern zwar, einige Pflanzorte, wie Villa- Rikka, Ciudad­Real u. a. anzulegen, jedoch behaupteten sich jene Stämme, deren Waffen nur in Bogen, Speer und Keule bestanden, in den wichtigsten und reichsten Teilen des Landes.

Da erbot sich der Jesuitenorden, mit Genehmigung des Papstes Klemens VIII.  , im spanischen   Südamerika   eine Mission zu beginnen, unter dem Vorhalt, daß dadurch sicherer als durch Waffengewalt die widerstrebenden heidnischen Stämme in Ab­hängigkeit gebracht würden. Mit Freuden ging die spanische Regierung auf diesen Vorschlag ein, wie aus einem von Philipp III.   an den paraguayschen Statthalter General Sarnard Arrias de Sernadro gerichteten Verhaltungsschreiben vom 8. Of tober 1605 erhellt.

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Die ersten Missionare wurden jedoch erst vier Jahre später ( 1609) auf Kosten der königlichen Privatschatulle, wie der Jesuit Bernhard Nusdorfer( dessen Memoiren neben mehrerem anderen dieser Abhandlung zu Grunde liegen) versichert, angesichts der ganzen Bevölkerung von Buenos- Ayres ausgesandt, und schon im folgenden Jahre( 1610) gründeten sie den ersten Missions flecken, Loreto  , am Rio Pirago, einem Nebenflusse des Parana. Was Waffengewalt nicht vermocht hatte, das brachte das so genannte Wort Gottes, wie es die Jesuiten   zu predigen ver­standen, fertig. Viele umherziehende kleine Indianerstämme ließen sich mit ihren Kaziken, wie die Häuptlinge heißen, auf dem Territorium der Gesellschaft Jesu   nieder. Im Jahre darauf folgte die Gründung des Fleckens St. Ignazio  , von welchem die Jesuiten   alsdann durch die Landstriche kapua und Korpus, woselbst sie Flecken gleichen Namens gründeten, sich ausbreiteten. Von hier aus eröffneten sie sich ums Jahr 1620 den Weg zur Gründung des Fleckens La Konzeption am Uraguayflusse, den sie 1626 überschritten, um den Grund zu dem Flecken St. Niko­laus zu legen.

Dies war der schwache Grund, auf welchem die Jesuiten  ein Gebäude errichteten, das als das vollendetste nach den Grundsäzen ihrer Secreta Monita" bezeichnet werden muß. Es handelte sich demnach für den Orden stets um nichts Ge­ringeres als um die Gründung einer Universalmonarchie, wie sie durch das Papsttum auf dem Gipfel seiner Macht, im Mittel­alter( Gregor VII.   und Innozenz III.) zum Teil be reits repräsentirt wurde.

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Diese Tatsache ist wohl zu beachten, will man die jesuitische Staatsgründung in Paraguay   richtig beurteilen. Das rasche Wachstum dieses Embryos der Universalmonarchie ward von den katolischen Königen", wie die Herrscher Spaniens   betitelt wurden, und von den Päpsten selbstverständlich freudig begrüßt. Beide Teile ließen vielfache Begünstigungen und Vorrechte den Missions- Jesuiten zukommen und überhäuften die Proku­ratoren derselben, welche alle sechs Jahre in Madrid   und Rom  zur Berichterstattung erschienen, mit Ehrenbezeigungen.

Im Jahre 1625 zog der Jesuitenpater Raque Gonzales de la Santa Cruz an der Spize der vornehmsten Kaziken des Uruguaydistriktes nach Buenos- Ayres, wo dieselben im Namen ihrer Stammesangehörigen vor dem Statthalter Don Luis Cres­pedes und der ganzen Stadtbevölkerung dem Bischof und den fatolischen Königen als Untertanen huldigten. Darauf erhielten die Missionare die Erlaubnis, sich auch in der Provinz Tel- Tape aus­zubreiten, und schnell entstanden auch hier verschiedene Flecken, die jedoch nicht lange bestehen sollten.

Ungefähr ums Jahr 1632 gerieten die Missionare in Kon­flift mit den portugiesischen Mulatten, den Bewohnern der nahe­gelegenen Grenzstriche Brasiliens  . Dieselben drangen in das

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Paranagebiet ein und verbreiteten sich bis in die Provinz Del­Tape, die Missionsörter zerstörend und die Kirchen verbrennend. Den Einwohnern einiger Missionen gelang es, sich durch die Flucht zu retten, so denen von Loreto   und St. Ignazio  , wie denen, die auf der östlichen Seite des Uruguay   wohnten; diese Missionen wurden dann auf die westliche Seite an den Parana verpflanzt. Der Schuz, welchen die Statthalterschaft von Para­ guay   den Jesuiten   angedeihen lassen konnte, vermochte nicht zu verhindern, daß das Zerstörungswerk der, Mulatten mit kurzen Unterbrechungen einige Jahre dauerte. Papst Urban VIII.   erließ geharnischte Bullen gegen die Frevler wider den geheiligten Orden". Dieselben fruchteten jedoch wenig, und erst unter König Philipp IV.   gelang es, im Jahre 1639 die Ruhe voll­ständig wieder herzustellen. In einem vom 16. September 1639 datirten Defret dieses Königs heißt es, daß über 300,000 christliche Indier von den Mulatten in Gefangenschaft gebracht worden seien, eine Angabe, deren Richtigkeit bezweifelt werden muß, denn die Zahl der Einwohner aller Missionen zusammen­genommen betrug damals noch nicht 25,000.

Als sich Portugal   im Jahre 1640 von Spanien   losriß, hatten die Jesuiten   eine bequeme Gelegenheit, dem spanischen Hofe vorzustellen, wie notwendig es sei, die Indianer ihrer Mission mit dem Feuergewehr zu bewaffnen. Da jezt die Bra­silianer ebensowohl wie die Portugiesen als Rebellen von den Spaniern betrachtet wurden, so ward das Gesuch der Jesuiten  um so eher bewilligt.

Es fonnte nicht ausbleiben, daß aus Spanien  , woselbst die Verhältnisse von Jahr zu Jahr schlechter wurden, sich allerlei Volf einfand, welches mit den Eingeborenen sich zu vermischen begann. Das war jedoch den Zwecken der Jesuiten   entgegen, und sie stellten deshalb im Jahre 1649 dem Hofe vor, daß die unordentlichen Sitten und gegebenen Aergernisse der Spanier das größte Hindernis des Fortgangs ihrer Missionen seien und daß sie sich durch ihr übermütiges Betragen bei den Indianern sehr verhaßt machten. Wäre dieses große Hindernis nicht vorge funden worden, so würde das Reich der Kirche durch die Arbeit der Missionare bereits bis in die unbekanntesten Teile Ameritas ausgebreitet worden sein und alle Provinzen hätten der Bot­mäßigkeit der katolischen Majestät ohne Kosten und Gewalt unterworfen werden können." Wie hätte eine solche Vorstellung am Madrider Hofe, wo schon seit langem die Jesuitengrund­säze zur Staatsraison geworden waren, fein Gehör finden sollen!? So gewährte man denn den Jesuiten   die unumschränkteste Frei­heit, in den nahezu 600 Meilen haltenden, nach den Flüssen Paraguay   und Uruguay   benannten Distriften zu schalten und zu walten.

Die Statthalter der benachbarten Provinzen bekamen sogar Befehl, feinen Spanier oder Fremden in das Territorium der Jesuiten   ohne deren Erlaubnis einzulassen oder zu senden. Diese hingegen verpflichteten sich, nach Verhältnis der Be­völkerungszahl eine Kopfsteuer zu zahlen, sowie eine Anzahl Leute zu des Königs Dienst zu stellen, wenn das verlangt würde und die Missionen zahlreich genug seien, selbige abzu geben.-- Damit begann denn der seltsame Staatsbau, und man muß gestehen, daß derselbe, alles in allem, ein Meister stück jesuitischer Politik darstellt.

Es konnte den neuen Herrschern nicht schwer fallen, die be­reits dem Katolizismus zugeführten Stämme ihren Zwecken gemäß zu schulen im unbedingtesten, blinden Gehorsam und höchster Ehrfurcht. Diese beiden, zu aller Zeit von Herrschern gepflegten" Tugenden" wurden nach und nach derart ausgebildet, daß die Jesuiten   in Wahrheit als Könige über die Leiber und Seelen ihrer Untertanen" bezeichnet werden konnten.

Gottesdienstliche Pracht und Feierlichkeiten spielten dabei die Hauptrolle; alle Kirchen prangten im reichsten Schmucke; nirgends und bei keiner Gelegenheit ward etwas versäumt, einen bleibenden religiösen Eindruck auf das Gemüt der Indianer hervorzubringen, in ihnen die Vorstellung von der übernatür­lichen" Macht der Kirche zu nähren.

So galten die Jesuiten   den Indianern als heilige Väter".