über die Gemüter ihrer Untertanen die Jesuiten erlangt hatten. Dabei machten sie den ausgedehntesten Gebrauch, von dem Rechte, alle Fremden fern zu halten. Geriet jemand durch Zufall oder Absicht ja einmal in das Land der Missionare, so ward er sofort zur Geistlichkeit geführt, wo man ihn einen, höchstens zwei Tage bewirtete, doch nicht, ohne stets ein wachsames Auge auf ihn zu haben. Die Merkwürdigkeiten des Plazes wurden ihm von einem Jesuiten gezeigt, wobei jedoch aller Umgang mit den Landeseinwohnern unmöglich gemacht wurde. Darnach verab= schiedete man den Fremden und ließ ihn von einer Wache nach dem nächsten Distrikte führen, woselbst er wieder aufgenommen und weiter befördert ward, bis er das Gebiet der Missionen hinter sich hatte.

Leicht erklärlich ist demnach die Tatsache, daß die Ein­wohner mit einer lebhaften Abneigung gegen die Fremden er füllt waren, besonders gegen die Spanier, deren Sprache nach und nach von den Jesuiten verdrängt und durch die guaranische Sprache erfezt ward; ja, es eristirte sogar ein Verbot, die erstere zu gebrauchen.

Der Nuzen, welchen das für die Jesuiten hatte, liegt auf der Hand; es gelang niemals einem Fremden, sich über die Verhältnisse in Paraguay zu unterrichten, und die geistlichen Berichterstatter, die Prokuratoren, genossen im vollsten Maße das Vertrauen der katolischen Majestäten und der Päpste. Ward Beschwerde darüber erhoben, daß die heiligen Väter, ihre Unter­tanen zu vermehren, mit ihren Guaranisoldaten andere wilde Stämme befriegt und gewaltsam in ihre Missionen geschleppt hätten, so erklärten jie, angegriffen worden zu sein.

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Beschuldigte man sie, bedeutende Massen von Gold und Silber aus ihren Bergwerken, ohne Vorwissen der Regierung, nach Rom geführt zu haben, so antworteten sie, das sei eine Lüge, vom Neid eingegeben. Wer hätte ihnen das Gegenteil von dem, was sie behaupteten, beweisen sollen, so lange sie Herrscher waren!? Wohl beriefen sie sich darauf, daß durch ihr Regiment die Indianerstämme zum Christentum geführt und dem Elende entrückt seien, daß eine Gütergemeinschaft existire, die ihnen nicht gestatte, für den eigenen Vorteil zu sorgen,- da die Patres aber die ganze Wirtschaft nach eigenem Ermessen führten, so waren sie in Wirklichkeit auch die Besizer und Eigen tümer alles Reichtums, nicht aber die Indianer. Diese waren allerdings, wie das Vich unter der Pflege eines sein Interesse wahrenden Besizers geschützt,- von einer geistigen Fortent­wicklung, einer Vermehrung ihrer Bedürfnisse war jedoch im Laufe eines ganzen Jahrhunderts rein nichts zu verspüren. Die Unterscheidungs- und Beurteilungsgabe fand keinen Gegenstand, woran sie sich hätte erproben und üben können; alle geistige Tätigkeit der Indianer beschränkte sich darauf, die Heiligkeit der ihnen von den Jesuiten gewordenen Befehle zu verehren. Solch ein Leben unterscheidet sich in nichts von dem gezähmter und geschulter Haustiere, die sklavisch auf den Blick und das Wort ihres Herrn zu achten haben.

Unter solcher Verfassung hatte die paraguaytische Republik zur größeren Ehre Gottes", ungefähr 100 Jahre, bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts existirt, als sich das erste drohende Ge­witter über dem Jesuitenorden zusammenzog. Der größte Teil des katolischen Europa stand ihm in offener Feindschaft gegen­über; er war verhaßt bei den Staatsmännern durch den Ein­fluß, den er an den Höfen gewonnen, verhaßt bei dem Handel und Industrie treibenden Volke, weil er den Welthandel be­herrschte und ungeheuere Schäze aufspeicherte; verhaßt sogar bei den übrigen geistlichen Orden, die sich von ihm an Einfluß und Macht weit überholt sahen. Man flagte seine Mitglieder, be­sonders in Spanien , Portugal und Frankreich , der schändlichsten Immoralität, des Verrates, Betruges und selbst des heimlichen Mordes an.

Tie Regierung Portugals drang bei dem Papste Bene­dift XIV. auf eine strenge Untersuchung gegen den Orden, und vertrat eifrigst die Ansicht, es sei notwendig, ihn zeitgemäß um­zugestalten. Der Papst mußte nachgeben, starb jedoch bald darauf, als er dem Patriarchen von Portugal den Befehl

erteilt, die Papiere des Ordens wegzunehmen. Sein Nachfolger, Clemens XIII. , machte diesen Befehl rückgängig.

Um dieselbe Zeit, 15. Januar 1750, schlossen Spanien und Portugal einen Grenz oder Teilungstraktat ab, wonach die Jesuiten sieben ihrer Missionen am östlichen Uruguay zu räumen und das Land an Portugal abzutreten hatten. Dies war die nächste Veranlassung nicht allein zur Aufhebung der paraguay­tischen Republik, sondern auch zum gänzlichen Umsturz des Jesuitenordens in Spanien .

In dem Traktat, Artifel 16, hieß es wörtlich: Aus den Flecken oder Dörfern, welche Seine fatolische Majestät am öſt­lichen Ufer des Uruguay abtritt, sollen die Missionare mit Gut und Gerät abziehen und die Indier mit wegführen, um sich in andern Ländern Spaniens niederzulassen. Die Indier können gleichfalls alle ihre beweglichen Güter und Gerätschaften mit sich nehmen, wie auch die Waffen, Pulver und Kriegsmunitionen, welche sie haben mögen; also sollen die Flecken an die Krone Portugal übergeben werden mit all ihren Häusern, Kirchen und öffentlichen Gebäuden, wie auch mit dem Eigentum und Besiz des Landes."

Der Einspruch der Jesuiten gegen diese Bestimmung blieb vergeblich. Portugal verlangte die Erfüllung des Traktats, und so erklärten sie denn, die betreffenden sieben Ortschaften nicht räumen zu wollen. So waren die beiden Regierungen genötigt, Waffengewalt anzuwenden. Zwei Truppenabteilungen unter den Generalen Gomez Freyre und Valdelirios gingen nach Paraguay ab, fanden jedoch an den Soldaten der Jesuiten , die von diesen selbst angeführt wurden, solchen Widerstand, daß sie nicht vor­zudringen vermochten und einige tausend Mann Verstärkung for­derten. Erst nachdem sie die erhalten, gelang es ihnen im Jahre 1756 einen Sieg über die Jesuiten zu erringen; am 10. Febr., mit einem Verlust von nahezu 1300 Mann, mußten dieselben sich zurückziehen, verwüsteten jedoch auf ihrem Wege alle Ort­schaften und Ländereien, um dem Feinde nichts zum Unter­halte zurückzulassen.

Darauf verschanzten sie sich in äußerst schwer zugänglichen Bergpässen, woraus sie erst nach langer, regelrechter Belagerung vertrieben werden konnten; immer jedoch blieb ihnen noch der wichtigste Teil des zur Abtretung bestimmten Landes.

Mit welchen Mitteln sie ihre Indianer zu so energijchem, anhaltenden Widerstande bewogen, geht aus einem, von dem General Gomez Freyre an den Hof zu Lissabon gesandten Be­richte vom 26. Juni 1756 hervor.

Darin heißt es, gefangene Indianer haben bezeugt, daß ihnen von den Patres gelehrt wurde, alle weltlichen Weißen seien des Teufels Kinder, die er aussende, Gott und die Welt zu verderben; die, fämen sie ins Land, alles mit Feuer und Schwert verderben, die Altäre zerstören und Frauen und Kinder opfern würden. Um die Ursache befragt, weshalb sie jedem ge­fangenen Spanier und Portugiesen den Kopf abschnitten, gaben sie zur Antwort, ihre heiligen Väter hätten sie versichert, daß die Feinde, wenn sie gleich viele Wunden bekommen, doch durch des Teufels Kunst wieder lebendig würden, falls man ihnen nicht den Kopf abschneide."

Im Jahre 1759 hatten die vereinigten Spanier und Portu giesen noch nichts weiter ausgerichtet. Mittlerweile war auch das Verhältnis der Jesuiten zum spanischen Hose wieder ein besseres geworden, der Kampf stockte, und der König von Spanien hob im Jahre 1761 den Teilungstraftat wieder auf, so daß alles auf den früheren Fuß zurüdfam.

Die Jesuiten befestigten ihre Herrschaft aufs neue, dehnten sie noch mehr aus und glaubten sich für alle Zeiten sicher.

Doch gleich darauf begann in Spanien der Prozeß gegen den ganzen Orden, weil er versucht hatte, durch einen Aufstand die Tronfolge zu ändern, ein Unternehmen, an dem Paraguay durch reiche Unterstützungen teilgenommen hatte. In diesem Prozesse ward u. a. bewiesen, daß der Orden durch seine eigenen Mitglieder der Regierung verleumderische Nachrichten gegen sich selbst habe unterbreiten lassen, um durch triftige Widerlegung derselben die Regierung zu der Ueberzeugung zu bringen, daß