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und noch heutigen Tages sind viele derselben im römischen Ge­sezbuch in Kraft. Solon   fatte Achtung vor dem Individuum, er opferte nicht den Menschen dem Staat, nicht den Zweck dem Mittel auf, sondern ließ den Staat dem Menschen dienen. Seine Geseze waren Bänder, an denen sich der Geist der Bürger frei und leicht nach allen Richtungen bewegte; Lyfurgs Geseze dagegen waren eiserne Fesseln. Darum reiften in Athen  alle Tugenden, blüten alle Gewerbe und Künste, regten sich alle Sehnen des Fleißes und alle Felder des Wissens wurden bearbeitet. Unser Bild zeigt den athenischen Gesezgeber neben einer Säule, auf welcher Nomos  ( Gesez) geschrieben ist; neben ihm stehen die Archonten mit Myrtenkränzen und Stäben, hinter ihm die Senatoren. Im Vordergrunde kniet eine Gestalt, die im Begriffe ist, die drakonische Gesezgebung zu zerstören. Das Gemälde ist eine vorzügliche, äußerst wirkungsvolle Komposition und unser Holzschnitt hat es vortrefflich nachgebildet.- Nach­dem die Athener   die neue Gesezgebung angenommen hatten, begab sich Solon   auf Reisen nach Egypten, Cypern und Klein­ asien  . In Sardes   wurde er von dem durch seine Reichtümer sprüchwörtlich gewordenen Lydienkönig Krösos gastlich empfangen. Im stolzen Gefühle seines Glücks ließ ihn Krösos, wie Herodot  berichtet, durch seine Schazkammer führen und fragte ihn als­dann, wen er für den glücklichsten Sterblichen halte, darauf rechnend, Solon   werde niemand nennen als ihn. Aber dieser

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nannte zuerst den Athener   Tellos, der mäßige, aber hinreichende Glücksgüter besessen, im siegreichen Kampfe wider die Feinde seinen Tod gefunden und von seinen Mitbürgern an der Stelle, wo er gefallen, mit großen Ehren begraben worden sei. Weiter befragt, nannte Solon   zwei Jünglinge, Kleobis und Biton, Söhne einer Herapriesterin in Argos, und erzählte: Einst hätte die Mutter zu einem Opfer in den Tempel fahren müssen und als die Zugstiere ausblieben, spannten sich die Jünglinge selbst an den Wagen und zogen ihn in den Tempel. Da erflehte die Mutter zum Lohn für die Söhne, was den Menschen das Beste sei, worauf diese im Tempel einschliefen und nicht wieder erwachten. Als ihm Krösos seinen Unwillen darüber äußerte, daß der athenische Weise sein Glück nicht anerkennen wolle, sprach Solon   das berühmt gewordene Wort: Niemand ist vor seinem Tode glücklich zu preisen. Dieses Worts, dessen Wahr­heit Krösos bald nach Solons Abreise erfuhr, als ihm sein Lieb­lingssohn Atys auf der Jagd durch einen Speer getödtet worden, erinnerte sich Krösos auch, als er von dem Perserkönig Kyros  ( Cyrus) mit Krieg überzogen und geschlagen wurde und den Scheiterhausen besteigen mußte, um in den Flammen zu sterben.

Solon  ! rief er laut, und dieser Ruf rettete ihn; denn er weckte die Neugierde des Perserkönigs, der sich den Vorgang erzählen ließ und, an die Ungewißheit seines eigenen Schicksals erinnert, den Gefangenen begnadigte.

St.

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Serena.

Eine venetianische Novelle von Max Vogler.

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Bitte, hören Sie!" fuhr er, als habe er das bedeu tungsvollste Ereignis von der Welt zu berichten, hastig fort. Es ist jezt fast eine Woche her, daß mich der Herr Marchese. es war in in den Marmorsaal führte. Als wir eintraten es war in der Dämmerung Sie können sich denken, gnädige Frau Marchese" der Graf sprach so erregt, als ob ihn das, was er erzählte, im lezten Augenblick begegnet und er noch gar nicht zur Beruhigung gefommen wäre, wie groß mein Erstaunen war, als ich Fräulein Serena nur wenige Schritte von dem Maler im Säulengang stehen sah, mit bestürztem, fast ver­störtem Gesicht-- Sie hatte offenbar eben noch an des Malers Seite gestanden und war wohl nur durch unser Kommen aus vertraulicher Unterhaltung mit ihm aufgeschreckt worden. Ich sehe sie noch jezt: sie eilte hastig an uns vorbei und zur Tür hinaus, der Maler aber schien mir so zurückhaltend, so verschlossen, als fürchte er durch irgendwelche unfreiwillige Aeußerung in Worten oder Geberden das Geheimnis der lezten Augenblicke zu verraten, so daß es ganz ohne Zweifel-­

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Die Marchesa lachte laut auf, so laut, daß das weiße Käzchen mit fröhlichem Sprung in die Höhe schnellte und auf den niedlichen Fuß seiner schönen Herrin, der noch immer auf dem Bänkchen ruhte und unter dem Saum des rosaroten Kleides hervorsah, zuflog, um mit ihm zu spielen. Und der schöne Fuß ließ sich das Spiel auch gefallen und tänzelte, das Käzchen immer wieder zu neuer Anstrengung lockend, auf dem Bänkchen neckisch hin und her. Die kleine Hand aber legte sich wieder, und zwar diesmal ziemlich heftig, dem Grafen auf den Arm, und der blühende Mund redete lachend:

" Tas flingt ja wahrhaftig wie die Schilderung eines ge­heimnisvollen Vorgangs in einem Roman!... Ich muß sagen, Sie verstehen zu spannen, lieber Graf!- Verzeihen Sie mir, aber ich hätte ein derartiges Erzählertalent faum in Ihnen ver­mutet.... Im Ernst aber,"- und sie bemühte sich, eine ihren und sie bemühte sich, eine ihren nun folgenden Worten entsprechende Miene zu machen was Sie mir da erzählen, ist mir völlig neu, es macht mich nach denklich, und ich danke Ihnen für Ihre Mitteilung. Aber ich meine doch auch jezt wieder, daß Sie mit allzu mißtrauischen Augen gesehen haben; denn Sie wissen es ja der Maler

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( 5. Fortsezung.)

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ist erst so kurze Zeit in unserem Hause, und so schnell läßt sich das Herz Serenas nicht gewinnen, soweit ich sie kenne " Verzeihung, gnädige Frau!"- warf der Graf mit Leben­digkeit ein digkeit ein hier kommt eben die Kunstschwärmerei Seneras ins Spiel."

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Nun, ich muß gestehen, daß mir Ihre Meinung jezt viel begründeter erscheint, als vorhin, lieber Graf"- versezte die Marchesa. Denn wirklich, Naturen wie Serena sind unbe­rechenbar, und es mag schon sein, daß sie an dem hübschen, jungen Maler Gefallen sindet. Aber doch, wenn es wäre,- was könnte Sie das kümmern? Sie glauben doch wohl nicht im Ernst, daß daraus ein dauerndes Verhältnis zwischen den ich beiden entstehen oder daß diese flüchtigen Begegnungen­scheue mich fast es auszusprechen- gar zu einem wirklichen Bunde führen könnten?- Der Marchese würde sich mit aller Macht dagegen sträuben, Sie wissen, welch einen beredten und standhaften Fürsprecher bei Serena Sie an ihm haben!" Ihre Blicke ruhten wieder forschend auf dem Antliz des Grafen, und ihre Züge zeigten einen so sonderbaren Ausdruck, daß es schwer zu erraten gewesen wäre, ob sich darin zärtliche Anteilnahme an den Herzensangelegenheiten des Grafen oder die Absicht aussprach, tief in dem Gemüt desselben Gefühle zu ergründen, an denen sie selbst ein eigenstes persönliches Interesse hatte.

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Der Graf wollte ihr eben entgegnen, als der Marchese wieder hereintrat und ihn zwang, diese Absicht aufzugeben.

Der leztere sah immer noch verstimmt aus und bemühte sich, nachdem er neben den beiden wieder Plaz genommen, augenscheinlich vergebens, eine freundlichere Miene zu zeigen. Auch die Marchesa war auffallend still geworden und schien ganz mit Gedanken beschäftigt, die sie in ihrem geheimsten Innern lebhaft bewegten. Für ihren Gemahl hatte sie kaum einen Blick, geschweige denn ein Wort.

Die hellen Strahlen der Nachmittagssonne aber webten noch klar und goldig wie zuvor in dem schönen luftigen Gemach auf und nieder. Ob ihr blizendes Licht und ihr wärmender Glanz die drei, die darin so wortfarg und beklemmt beisammen ſizen, wohl zu lebhafterem, freundlicheren Gespräch anregen und den