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als könne das Gesicht den Kreuz- und Duerzügen des Affengeistes kaum folgen. Niemals aber hat dieses Gesicht einen edlen, gutmütigen, treuherzigen Ausdruck. Es kann wohl sanft erscheinen, aber alsdann fehlt auch das Kluge, Geweckte; der sanfte Affe ist ein schläfriger, trauriger Gesell. Je flüger, listiger, schlauer, tückischer, unverschämter und wilder der Affe ist, um so beweglicher, zugleich aber auch verzerrter, mißbildeter und häßlicher ist sein Gesicht. Unschuldig, kindlich sehen blos die geistesärmeren, stilleren Affen aus, und doch ist der Wechsel in ihrem Gesichtsausdruck noch immer ein erstaunlich rascher und umfassender. Die Verschiedenheit des Gesichtsausdrucks tritt ganz besonders beim Orang- Utang zu Tage. Dieser bei voller Geistesruhe gemütlich, menschenartig aussehende Affe wird ganz Tier, sobald sich eine Leidenschaft in seiner Seele regt. Die gefaltete, haarige Stirn, die fletschende Schnauze mit den Raubtierzähnen und der flachen Nase und die funkelnden Augen des zornigen Affen machen einen wahrhaft scheußlich abschrecken den Eindruck. Oken karakterisirt den Affen folgendermaßen: „ Die Affen sind dem Menschen ähnlich in allen Unsitten und Unarten. Sie sind boshaft, falsch, tückisch, diebisch und unanständig; sie lernen eine Menge Possen, sind aber ungehorsam und verderben oft den Spaß mitten im Spiel, indem sie dazwischen einen Streich machen, wie ein tölpelhafter Hanswurst. Es gibt keine einzige Tugend, welche man einem Affen zu schreiben könnte und noch viel weniger irgend einen Nuzen, den sie für den Menschen hätten. Wachestehen, Aufwarten, verschiedene Dinge holen, tun sie blos so lange, bis sie die Narrheit anwandelt. Sie sind nur die schlechte Seite des Menschen sowohl in leiblicher wie in geistiger Hinsicht." Er hat etwas fazenartiges, sagt Masius, ist diebisch, geizig, tückisch und prahlt gern mit seinen Obszönitäten. Jederman hat in Menagerien diese frechen Geberden gesehen, die um so ekelhafter werden, jemehr sie in Widerspruch zu stehen scheinen mit den greisenhaften Zügen des Affengesichts. Wenn indes gewisse Naturgeschichtschreiber aus diesem„ unmoralischen" Karakter des Affen demselben eine Inferiorität gegen andere Tiere, z. B. den Hund, zuschreiben oder gar Kapital gegen den Darwinismus daraus zu schlagen suchen, so ist das entschieden falsch. Im Gegenteil beweisen diese Eigenschaften seine höhere Intelligenz, seine Willenskraft, sein Selbständigkeitsgefühl. Von Tugend im eigentlichen Sinne fann nur beim Menschen gesprochen werden, bei dem der Karakter durch die höhere Einsicht, durch die Vernunft bestimmt wird. Eine Tugend" hat man dem Affen nicht bestreiten können: seine Jungenliebe. Die Affen gebären ein Junges, wenige Arten zwei. Dics ist regelmäßig ein Fleines, überaus häßliches Geschöpf, scheinbar mit doppelt so langen Gliedmaßen, wie seine Eltern sie befizen und mit einem Gesichte, welches dem eines Greises viel ähnlicher sieht, als dem eines Kindes, so faltig und runzelig ist es. Dieser Wechselbalg ist aber der Liebling der Mutter, sie hätschelt und pflegt es mit der wärmsten Zärtlichkeit. Sie macht sich ohne Unterlaß mit dem tenren Sprößling zu schaffen, bald leckt sie ihn, bald laust sie ihn, bald drückt sie ihn an sich, bald nimmt sie ihn in beide Hände und weidet sich an seinem holden Anblick, bald legt sie ihn sich an die Brust, bald schaukelt sie ihn hin und her. Plinius versichert, daß die Aeffinnen ihre Jungen aus lauter Liebe oft zu Tode drücken, was neuerdings bezweifelt wird. Bei der geringsten Gefahr stürzt sie auf ihr Kind zu, läßt einen ganz eigentümlichen Ton hören, durch den sie es einladet, sich an ihre Brust zu flüchten. Kindlichen Ungehorsam bestraft sie mit Kniffen und Büffen, oft mit förmlichen Ohrfeigen. Indessen ist das Affenkind in der Regel so gehorsam, als es ein Pädagog nur wünschen kann. In der Gefangenschaft teilt die Affenmutter jeden Bissen Brod treulich mit ihrem Jungen und zeigt an seinem Geschick einen solchen Anteil, daß man sich oft der Rührung nicht erwehren kann. Der Tod eines Kindes hat in der Gefangenschaft regelmäßig das Hinscheiden der Mutter zur Folge; der Gram bringt sie um. Von der Kugel des Jägers tötlich getroffen, stürzt die Affenmutter aus dem Wipfel, aber mit ihrer lezten Kraft faßt und hält sie das Junge und
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stirbt weinend, wie die malayische Sage hinzufügt. Stirbt eine Aeffin, so nimmt das erste beste Mitglied der Bande die Waise an Kindesstatt an, und dies tut sowohl die Aeffin wie der Affe. Die Zärtlichkeit gegen ein Pflegekind der eigenen Art ist kaum geringer als die, welche dem eigenen Kinde zuteil wird.
Was die Intelligenz der Affen anbelangt, so kann niemand deren große geistige Begabung leugnen. Sie befizen ein ganz vortreffliches Gedächtnis und wissen ihre Erfahrungen sehr verständig zu benüzen. Sie verstehen es, mit wirklicher Schlauheit und List ihre Vorteile immer wahrzunehmen; sie bekunden ein Geschick in der Verstellung und lassen es oft nicht merken, daß sie irgend eine heillose Absicht in ihrem Gehirn ausbrüten; sie wissen sich Gefahren gewandt zu entziehen und finden trefflich die Mittel auf, sich gegen sie zu wahren oder zu verteidigen. Aber troz ihres Verstandes werden sie oft auf die albernste Weise überlistet und getäuscht. Ihre Leidenschaften tragen häufig einen vollständigen Sieg über ihren Verstand davon( ungefähr wie beim Menschen). Sind jene rege geworden, so achten sie auch die plumpste Falle nicht mehr und vergessen ihre Sicher heit gänzlich über der Absicht, ihrer Gier zu fröhnen( während 3. B. der Fuchs liever argen Hunger leidet, als daß er in die Falle geht). Die Malayen höhlen harte Kürbisse durch eine kleine Deffnung aus und füllen sie dann mit Stücken von Nahrung, namentlich mit Zucker oder Früchten, welche die Affen gerne essen. Diese zwängen nun, um zu ihrer Lieblingsspeise zu gelangen, ihre Hände durch die enge Deffnung und erfassen eines der Stücke mit solcher Gier, daß sie sich lieber fangen lassen, als das einmal Erfaßte loszulassen. In solcher Weise beherrschen die Leidenschaften auch die klügsten Affen.
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Die Affer gehören zu den lebendigsten, beweglichsten Säugetieren. So lange sie auf Nahrungserwerb ausgehen, sind sie nicht einen Augenblick lang ruhig. Schon die Mannigfaltigkeit ihrer Nahrung bedingt das. Ihnen ist alles Genießbare recht. Früchte, Zwiebeln, Knollen, Wurzeln, Sämereien, Nüsse, Knospen, Blätter und saftige Pflanzenstengel bilden die Hauptmasse ihrer Mahlzeiten; ein Kerbtier aber wird auch nicht verschmäht, und Eier, junge Vögelchen sind Leckerbissen. Da gibt es nun immer etwas zu beguden, zu erhaschen oder abzupflücken, zu beriechen und zu kosten. Solche Untersuchungen erfordern viel Bewegung, und daher ist auch die ganze Bande nie ruhig. Die Sorge um das liebe Futter ist groß; sogar der gewaltige Elefant bekommt seine Prügel, wenn er so unverschämt ist, an der Affentafel- und das ist der ganze große Wald schmausen zu wollen. Wir säen, aber die Affen ernten, sagen die Araber Ost- Sudans. Jeder einzelne Affe verwüstet zehnmal mehr, als er frißt, und ist deshalb nur dem abergläubischen Hindu erträglich. Gegen diese Spizbuben hilft weder Schloß noch Riegel, weder Hag noch Mauer. Sie öffnen die Schlösser und steigen über Mauern hinweg, und was nicht gefressen werden kann, wird wenigstens mitgenommen, auch Gold und Edelsteine. Man muß eine Affenherde selbst gesehen haben, wenn sie auf Raub auszieht, um begreifen zu können, daß ein Landwirt sich halb tot über sie ärgern kann. Dem Unbeteiligten gewährt sie dagegen ein höchst unterhaltendes Schauspiel. Alle Künste gelten! Es wird ge laufen, gesprungen, geklettert, gegaufelt, im Notfall auch geschwommen. Die Künsteleien auf dem Gezweig übersteigen allen Glauben. Nur die Orangaffen und Paviane sind schwerfällig, die übrigen sind vollendete Gaukler; sie scheinen fliegen zu können. Säze von zwanzig ja dreißig Fuß Sprungweite sind ihnen Spaß; vom Wipfel eines Baumes springen sie dreißig Fuß hernieder auf das Ende eines Astes, beugen denselben durch den Stoß tief herab und geben sich, während der Ast zurückschnellt, noch einen mächtigen Schwung, der Schwanz oder die Hinter veine werden als Steuer lang ausgestreckt und wie ein Pfeil durchfliegt das Tier die Luft. Sofort nach glücklicher Ankunft geht es weiter, durch die fürchterlichsten Dornen hindurch, als wandelte man auf getäfeltem Fußboden. Eine Schlingpflanze ist eine höchst bequeme Treppe für die Affen, ein Baumstamm ein gebahnter Weg. Sie klettern vor und rückwärts, kopfoberst