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selbst mögen sie nicht von den Wohltaten der Revolution reden, ohne„ die blutige Aera von 1793" zu verwünschen! Wir haben uns an diese gedankenlose Aechtung gewöhnt, und appelliren dagegen an unser Gewissen, und an das strenge aber unparteiische Urteil der Nachwelt! Aber entſtelle man wenigstens nicht die Tatsachen, um uns verurteilen zu können! Lasse man uns die volle Verantwortlichkeit unserer Handlungen, unserer wirklichen, vollständigen Handlungen, mit ihren staunenswerten Erfolgen! Es ist grausam und ungerecht, unsere Revolutionsregierung in zwei Abschnitte zu teilen, und auf uns alle Uebel zu laden, das Gute aber, welches daraus hervorgegangen, uns vorzuenthalten.
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Um jedem Vorwurf, als gleiche man uns, auszuweichen, pflegt man die Zeit der Republik zu verdammen. Es ist das eine traurige Geistesverirrung unserer modernen Liberalen( der alte Konventmann hätte erst unsere modernen Liberalen" fennen sollen); ihre Befürchtungen sind albern. Niemals wird man die kalte Beredsamkeit unserer Tribünenhelden mit der leidenschaftlichen Glut eines Danton, oder ein Karakter unserer Millionär- Bankiers mit der Genügsamkeit Robespierres oder dem Stoizismus St. Just's vergleichen können. Wäre es nicht endlich Zeit, diese kindische Angst abzuschütteln und uns nach unseren Taten zu richten? Indem ich auf die Ereignisse von 1793 mit einer Unparteilichkeit zurückblicke, als habe ich feinerlei Rolle gespielt, weise ich die Verantwortlichkeit für keine meiner Handlungen von mir, aber ich bean= spruche auch meinen Anteil an der Dankbarkeit und dem Ruhm für das Gute, welches sie hervorgebracht haben. Ja, die Ernennung von Kommissären mit unbeschränkten Vollmachten war ein tyrannischer Aft; ja, dieser Aft der Regierung öffnete der Willfür ein breites Tor, aber es war das einzige Mittel, Frankreich zu retten: das war, das ist meine Ueberzeugung; und die Tatsachen sind da, um zu beweisen, daß der Triumph unserer Waffen und die Gründung der Republik ganz wesentlich dieser Maßregel zu verdanken sind." Und einige Seiten weiter: „ Man läuft große Gefahr, irre zu gehen, wenn man den Maßstab ruhiger Zeiten an eine Aera der Krisis und des Kampfes legt. Es handelte sich damals vor allem darum, das Vaterland zu retten, die Republik zu retten, die Republik zu begründen. Und der Verrat eines einzigen Generals fonnte Frankreich verderben."" Die militärische Situation, man muß es gestehen, war erschreckend, und es be durfte einigen Muts, ihr kaltblütig ins Antliz zu schauen, um nicht an dem Heil Frankreichs zu verzweifeln! Diesen Mut haben wir gehabt; und wir haben die einzigen Mittel benuzt, die uns zu Gebot standen. Will man einen Beweis, daß wir recht hatten mit unserem Mißtrauen gegen die Militärs, so vergleiche man nur unser Handeln mit dem der Girondisten unter ähnlichen Verhältnissen. Als sie den Aufstand organisiren wollten, fanden auch sie auf allen Seiten dem Adel angehörige Offiziere und Generale, auf welche sie sich stüzten. Sie hüllten sich nicht wie wir in das nötige Mißtrauen, sich zu schwach fühlend, um ohne geübte Generale auch nur einen Moment lang das Feld behaupten zu können, warfen sie sich rückhaltlos den Wimpfen , Piccy und Konsorten in die Arme. Was war die Folge? Ueberall die Girondisten von den Royalisten verraten! Ueberall die Schilderhebung der Girondisten zum Spiel und Werkzeug der Emigration gemacht. Ein gleiches Vertrauen hätte uns ähnliches Unglück gebracht. Was mußten wir also tun? Die alten Offiziere benuzen, da die Notwendigkeit uns hierzu zwang, aber dabei fortwährend auf unserer Hut sein, wie wenn man verbündete Truppen gebraucht, deren Treue nicht gut verläßlich ist. Vor allem mußte man den Soldaten den Karakter als Bürger bewahren, und verhindern, daß sie militärischen Korpsgeist annahmen und sich ihren Führern allzusehr attachirten. Man mußte jeden General absezen, der ehrgeizige Absichten verriet, mochte er zwanzigmal ein militärisches Genie sein, denn nicht von dem Talent einzelner, sondern von der Begeisterung aller konnten wir Rettung erwarten. Der Konvent hatte dekretirt, daß das fran
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zösische Volt keine Eroberungen mache, und für einen Vertei digungskrieg ist der Patriotismus die beste aller Waffen."
So weit Levasseur. Beiläufig sei bemerkt, daß, was man damals unter" Patriotismus" verstand, der Inbegriff aller Bürgertugenden war, und nicht mit jenem Wechselbalg zu tun hat, welchen seitdem Servilität und Chauvinismus erzeugt haben und für den einzig wahren Patriotismus ausgeben.
Die Ansichten des alten Konventmanns über„ militärischen Korpsgeist" und Verwandtes sind nach den jezt herrschenden Begriffen sehr kezerisch, immerhin aber beachtenswerth und interessant.
Tatsache ist, daß das Vorwalten solcher Ansichten der fran zösischen Republik zum Siege verholfen hat.
Und nun eine Episode aus dem Leben Levasseurs.
Wir sind im Jahre 1793. Die Armeen der Republik , an fangs siegreich, werden zurückgedrängt. General Custine , der Eroberer von Mainz , hat sich durch sein zweideutiges Benehmen verdächtig gemacht, und ist, durch Befehl des Konvents, inmitten seiner Armee( der Nordarmee) verhaftet worden. Diese Maßregel brachte begreiflicherweise unter den Truppen, die ihm sehr zugetan waren, eine große Erregung hervor; es kam zu Tumulten, eine allgemeine Meuterei schien zu drohen.
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Der Wohlfahrtsausschuß wurde schleunigst von dieser bedenklichen Stimmung unterrichtet. Wie die gährenden Gemüter beruhigen? Das geringste Zeichen der Schwäche und alles war verloren. Nur Entschlossenheit und Kaltblütigkeit kann uns retten und den Aufruhr sogar zum Vorteil der Republik wenden. Es gilt nun, die bewaffnete Macht der Zivilgewalt unterzuordneten, und den erbitterten Soldaten begreiflich zu machen, daß sie nicht die kleinen Werkzeuge eines Mannes, sondern bewaffnete Staatsbürger seien bewaffnet zur Verteidigung des Vaterlandes und vor allem der Autorität des Nationalkonvents unterworfen. Man beschloß also in das Lager von Cesar, wo der Hauptheerd der Unzufriedenheit war, einen Volksvertreter mit unumschränkten Vollmachten zu schicken, der in seinen Händen die ganze Autorität des Konvents vereinigte. Nachdem dieser Beschluß gefaßt worden, bestellte mich der Wohlfahrtsausschuß in seine Mitte. Ich traf nur Carnot, der namentlich mit Leitung der Armeen betraut war und von dem ein berühmter Feldherr ( Hoche?) gesagt hat:„ Er organisirte den Sieg in seinem Arbeitszimmer( Il organisait la victoire du fond de son cabinet). Die Nordarmee, redete er mich an, ist in offenem Aufruhr, es bedarf einer festen Hand, um die Rebellion zu ersticken. Wir haben dich gewählt."" Diese Wahl ehrt mich, Carnot, aber mit Festigkeit ists nicht getan; es bedarf auch der Erfahrung, militärischer Kenntnisse und diese wesentlichen Erfordernisse gehen mir ab."" Wir kennen dich, und wissen was du leisten kannst. Der Anblick eines geachteten Mannes, eines Freundes der Freiheit und des Vaterlandes wird genügen, um die verirrten Geister in den Weg der Pflicht zurückzuführen."
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„ Aber wahrhaftig, Carnot, schon mein Körper macht mich untauglich. Sie doch, wie klein ich bin, wie sollte ich mit einem solchen Aeußeren deinen Grenadieren Respekt einflößen?" ,, Alexander magnus corpore parvuus erat,"*) entgegnete Carnot lächelnd. Ja, aber Alexander hatte seine Jugend im Lager zugebracht; er hatte von der Picke auf gedient- er wußte wie man mit Soldaten umgeht." Freund, die Verhältnisse machen den Menschen; deine Karakterfestigkeit und deine Begeisterung für die Republik sind uns genügende Bürgschaften." -Gut, ich nehme an. In Ermangelung militärischer Kennt nisse verspreche ich dir wenigstens Eifer und Muth. Wann muß ich abreisen." Morgen."" Ich werde bereit sein." Morgen erhältst du das Dekret, Waffen und die Uniform eines Konventskommissärs."**) Und meine Instruktion?"- Du hast sie in deinem Herzen und deinem Kopf; den Umständen
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*) Lateinisch. Alexander der große war flein von Körper. **) Das Kostüm der Komisjäre in Mission" bestand in einem mit dreifarbigen blau, mit rotem Federbusch geschmückten runden Hut, um den eine dreifarbige Tafftschärpe geschlungen war. Auch um die Hüfte geschlungen trugen sie ein dreifarbige Schärpe.