"
zu leidenschaftlichem Mißbrauch ausartet, überall ein deutlich erkennbares Bedürfnis bildet, bei den Völkern verschiedenster Kulturstufe in allen Gegenden der Welt sich geltend macht und, vielfach mit religiösen Gebräuchen und Volkssitten verflochten, in oft merkwürdig ausgebildeter, fast möchte man sagen, kunstvoller Weise befriedigt wird,- von den üppigen Gefilden Spaniens bis in die kahlen Renntiergegenden Finnlands und Lapplands , in den wimmelnden Seehäfen der Nord- und Ostsee , wie in den einsamen Schluchten des steirischen Hochgebirges, bei den verachteten Feuerländern am Cap Horn , wie bei den
214
stämmigen Pelzjägern Canadas, von den lieblichen Ufern des Rio Grande bis in die höchsten bewohnten Täler der Kordilleren, in der reizenden Inselwelt Ceylons, wie in dem unwirtlichen Gebiet Sibiriens , von den sumpfigen Gangesmündungen bis in das urwüchsige Hochland des Hymalaya, in dem Eukalyptuslande Australiens und den fruchtbaren Inselgruppen des stillen Ozean wie im Herzen Afrikas , wo die drei Hauptströme im Lande der großen Seen entspringen und kaum erforschte Hochebenen bewässern."
( Schluß folgt.)
-
-
Serena.
Eine venetianische Novelle von Max Vogler.
Aber nein, und der Gedanke an die Ihren durchkreuzte wieder ihre Empfindungen sie hätte sich da doch anders benommen, sie hätte sein heißes Ungestüm, wenn auch freundlich, zurückgewiesen,- sie hätte ruhig erwogen, sie hätte an ihre gesellschaftliche Stellung und die seine und die dadurch geschaf fenen Hindernisse gedacht, sie hätte sich der Absichten ihres Baters erinnert und dadurch die Glut ihrer Leidenschaft zu dämpfen gesucht, sie würde zur Vorsicht gemahnt, sie würde mit flügerem Bedacht gehandelt haben.
-
-
-
Wozu aber hätte am Ende das Sträuben und Zögern genüzt, wenn ihre Herzen nun einmal von anfang an im tiefsten verbunden waren, daß sie nicht wieder von einander lassen konnten, und was wäre aus ihr geworden, wenn ruhige yälte des Verstandes über die wahren glühenden Empfindungen ihres Herzens anf kurze Zeit den Sieg davon getragen hätte, würden dann nicht die lezteren nur alsobald mit erhöhter Macht emporgestiegen sein, und hätte sie nur je der Absicht ihres Vaters entgegenkommen können, hätte sie denn jemals sich zu einer Verbindung mit dem Grafen zu entschließen vermocht, -mit diesem Grafen, diesem blöden, geistlosen Grafen?- Damit wars mit diesen Erwägungen vorbei. Ihr ganzes Herz empörte sich, wenn sie daran dachte, sich auch nur eine zeitweilige Einschränkung der eigensten Rechte desselben gefallen laffen zu sollen. Es erschien ihr mit einemmale wie eine Fügung des Himmels, daß alles so gekommen: ein gnädiges Geschick hatte ihr die Dual langen, nuzlosen Hin- und Herschwankens zwischen erzwungener kalter Ueberlegung und dem wahren Segen ihres Herzens und eine vielleicht zu späte Reue ersparen wollen, und entschlossener noch als vorhin sagte sie bei sich selbst:
-
„ Nein, er soll wissen, daß ich die ihm gegebene Antwort keinen Augenblick bedauere, und er soll sie noch einmal erhalten, so klar und deutlich und unzweideutig, wie es nur immer möglich!"
Die Nacht war schon längst hereingebrochen, und das milde Licht der Ampel strahlte in dem stillen, traulichen Gemach; aber noch hatte Serena, ganz mit ihren Gedanken und Empfindungen beschäftigt, nicht daran gedacht, zur Ruhe zu gehen. Sie schien es auch jezt noch nicht tun zu wollen, sondern trat vielmehr leise zur Tür hinaus und ging über den Korridor und auf derselben Treppe, die nach der Hinterfront des Palastes und nach den Marmorsaal herunterführt, in den Garten hinab. Sie erinnerte sich, daß ein großes Beet prächtigster Rosen unmittelbar unter ihrem Feuster noch in voller Blüte stand. Diesem Beete lenkte sie, drunten angekommen, ihre Schritte zu.
Es war still und dämmerig zwischen den Bäumen, leise rauschten die dunkeln Zweige des Lorbeers, der Magnolien und Bypressen im sanften Abendwinde zusammen, und von der Seite her, aus dem Kanal, tönte das heimlich trauliche Murmeln und Plätschern des Wassers herein.
Mit emsiger Hand pflückte sie einen großen Strauß der duftigen Blumen und kehrte dann still und geräuschlos in ihr
( 7. Fortsezung.)
Zimmer zurück. Hier wand sie mit großer Sorgfalt aus kleinen biegsamen Myrten und Zypressenzweigen, die sie ebenfalls vom Gartem mit heraufgenommen hatte, eine Art niedlichen Körbchens, in welchem sie die herrlichen, teils voll, teils erst halb erblüten Rosen in reizvoller Zusammenstellung gruppirte.
-
" Nun, sei es denn" sagte sie leise, mit flüchtiger Hand die üppigen, dunkeln Locken sich zurückstreichend, indem sie sich vor ihrem überaus kunstvoll gearbeiteten Schreibtisch niederließ. Die rosigen Finger ruhten auf dem zierlichen Bogen, und die Rechte glitt emsig, fast ohne abzusezen, über das glatte Papier.
Einmal noch, als sie den nun beendeten Brief flüchtig überlas, überfiel es sie wie ein Bittern ängstlicher Scheu, daß sie es gewagt, diese Zeilen zu schreiben, aber dann faltete sie ent schlossen die Bogen zusammen und verwahrte sie in einem Couvert, welches sie unter der weichen Blumenhülle im Körbchen verbarg und sorgfältig darin befestigte.
Und nun kam, als hätte sie nach bestem Können alles getan, was sie gewollt und was ihr frommen solle, ein unaussprechlich süßer Hauch der Ruhe über sie, daß sie wohl meinen mußte, der Allbeglücker Schlaf werde jezt mit sanfter Macht die weichen Zauberflügel über ihre Seele legen und in holdem Traume leicht verklärt alles, was sie an diesem Tage erlebt, gefühlt und gedacht, ihr wiederspiegeln.
Nur wenige Stunden aber währte ihr Schlaf. Die Ge danken, mit denen sie sich bis in die späte Nacht hinein beschäf tigt, weckten sie aus dem Schlummer auf, um sich dann in wachem Traume fortzuspinnen. Mit Ungeduld erwartete sie den Morgen, und als das erste graue Dämmerlicht zum Fenster hereindrang, erhob sie sich, legte rasch ein einfaches Morgenkleid an und sah dann, am Fenster stehend, in den Garten hinaus.
Ach, sie würde noch lange so einsam harren müssen, sagte sie sich, bis Camillo heute den Palast betreten würde; denn der dunkle Saal, der erst des Eindringens vollen Sonnenlichts bedurfte, um sich einigermaßen zu erhellen, gestattete keinen allzufrühen Beginn seiner Arbeit.
Aber auch die folgenden, träge dahinschleichenden Stunden vergingen, und bald glänzte leuchtende Strahlenfülle der wieder so warm wie am vorhergehenden Tage herabscheinenden Sonne über die weißen Gänge, über das Grün und den bunten Flor des Gartens.
Nun mußte er bald kommen, sie wußte, daß dann sein erstes, bevor er an die Arbeit ging, ein kurzer Gang durch den morgenfrischen Garten zu sein pflegte. Jezt endlich war er unten vorübergegangen, und sie hatte ihn gesehen. Ein leises, zagendes Zittern ging wieder durch ihr Herz, als sie das hübsche Körbchen erfaßte und sich mit ihr dem Fenster näherte. Camillo sollte sie nicht sehen, darum blieb sie in einiger Entfernung davon. stehen.
Dort tam er wieder dem Palaste zugeschritten, das Auge zu ihrem Fenster emporgewendet. Ein sanstes Beben ihrer Hand - und das niedliche Blumenkörbchen glitt an seidenem Faden