hätte, daß sie das Bett nicht mehr verlassen konnte, barm­herziger Himmel! wenn sie am Ende gar

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Er wagte diese ängstlichen Befürchtungen des treuen Vater­herzens nicht weiter auszuspinnen.

Oder sollte, fragte er sich dann wieder, Serena vielleicht garnicht in ihrem Zimmer anwesend sein,- wäre sie zu so später Stunde vielleicht noch einmal in den Garten hinunter­gegangen?"

Er schüttelte das Haupt.

Aber es ließ ihm keine Ruhe mehr, er mußte sich über den Grund, daß seinem Klopfen und Rufen keine Antwort wurde, Gewißheit verschaffen. Pochenden Herzens ging er nach seinem Zimmer zurück, um von dort den Hauptschlüssel zu holen, mit welchem er die Tür zu Serenas Gemach öffnen wollte. Nach Verlauf weniger Minuten stand er wieder vor dem lezteren und wendete den Schlüssel im Schloß.

Jezt trat er in den stillen Raum ein. Kein Laut ließ sich bei seinem Eintritt vernehmen, kein Atemzug hauchte ihm ent­gegen. Die Gardinen waren zusammengezogen und tiefes Dunkel herrschte ringsum. Nur ein silberner Armleuchter schim­merte von dem Tische aus der Mitte des Zimmers hervor. Der Marchese trat auf ihn zu und machte Licht... Gleich darauf zuckte er heftig zusammen, und ein halb unterdrückter bebender Laut entfuhr seinen Lippen... Seine Augen hatten bergebens um sich geblickt; sie entdeckten niemand in dem ein­samen Gemach. Mit wankenden Knieen schritt er in das Neben­zimmer hinüber, Serenas Bett stand unberührt.

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Von größter Angst getrieben, zündete er jezt eine Kerze an, die er auf dem Toilettentisch der Tochter bemerkte, löschte die Lichter der Girandole und eilte, den Leuchter mit dieser Kerze in der Hand, zum Zimmer hinaus. Bald hallten seine Schritte drunten durch den einsamen Flur, das Licht flackerte unruhig hin und her und warf zitternde, gespenstige Schatten an die kalten Mauerwände. In ungestümer Hast irrte er dann nach allen Richtungen im Garten hin und her, dann und wann Serenas Namen rufend. Er erspähte die Gesuchte nicht, und es erfolgte feine Antwort, als das leise Rauschen der Blätter im Abendwinde... Seine Erregung stieg aufs höchste, und die Angst preßte ihm den falten Schweiß aus allen Boren.

Nach einer langen Weile irren Suchens ging er in das Haus zurück und fant, nachdem er sein Zimmer wieder erreicht, tief Atem holend und beide Hände vor die fiebernde Stirn pressend, in einen Sessel...

Der Marchese war nur furze Zeit erst in sein Zimmer zurückgekehrt, als drunten die Wasser geräuschvoller plätscherten, eine zierliche Gondel an dem in majestätischer Ruhe in die Nacht aufragenden Marmorfoloß des Balastes vorüberschaukelte und vor dem Eingang zum Garten hielt.

Glühende Lippen stammelten sich in langem, heißen Kuß ein inniges Abschiedswort, felicissima notte!"- Glück­lichste Nacht!" verklang es, aus wonnetrunkener Brust der Liebenden hervorgehaucht, in der milden, weichen Lust... Dann schwebte eine hohe, schwarzverschleierte Mädchengestalt, von sicherer Hand geleitet, über den Rand des schwanken Fahr zeugs, die Tür am Garteneingang wurde vorsichtig geöffnet, und eine dunkelrote, üppig erblühte Rose flog in geschicktem Wurf über das ephenumrankte Gitter hinaus und wurde draußen eilig von den schimmernden Marmorstufen aufgehoben... Ein mal noch nach dem ihr in seligem Versuntensein Nachblickenden zurückschauend und mit weißer Hand zärtlich hinübergrüßend, verschwand Serena in dem traumhaft webenden Mondlicht zwischen dem Dämmer der Bäume...

VII.

Totenblässe hatte Serena's Antliz überzogen, als sie fol­genden Morgens am Kaffeetische erschien. Und sie war gestern Abend so glücklich und in innerster Seele zufrieden heimgekehrt, sie hatte heute so freundlich und heiter scheinen wollen, um dem

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Vater alle um ihretwillen gehegte Bekümmernis und Sorgen zu benehmen. Sie konnte ja auch, ohne sich selbst und andern zu täuschen, jezt heiter und freundlich sein; denn nun quälten sie keine Zweifel über ihre Haltung in der Zukunft mehr; sie hatte klar überlegt, war einig mit sich selbst und wollte einzig durch alles, was sie tat und redete, auf die Erfüllung ihrer und Camillos Wünsche hinzuarbeiten suchen.

Aber an diesem Abend schon, als sie im Begriff gewesen, in ihr Zimmer einzutreten, war dieses ruhige Gleichgewicht ihres Wesens mächtig erschüttert worden. Die zehnte Stunde hatte bereits geschlagen, als sie heimkehrte, und da sie wußte, daß in der Regel der Marchese und die Marchesa, wenn sie überhaupt im Hause weilten, sich um diese Zeit in ihre Zimmer zurückgezogen zu haben pflegten, schritt sie, noch ganz von der Erinnerung an die eben verflossenen seligen Stunden einge­nommen, ruhig und furchtlos durch einen auf dieser Seite be­findlichen Nebeneingang, zu welchem sie den Schlüssel besaß, in das Haus und ging dann über den stillen Korridor ihrem Gemache zu.

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Als werde sie urplözlich aus einem schönen Traume, der die Seele in süßes Selbstvergessen tauchte, gewaltsam empor­gerissen, war es ihr, wie sie, im Begriff, die Tür des Zimmers zu öffnen, bereits einen Schlüssel im Schlosse fand. Sie ver­suchte ihn in diesem zu wenden, suchte ihn in diesem zu wenden, es gelang, und es konnte, da sie den ihren bei sich trug und außer demselben, soviel ihr bekannt, fein anderer vorhanden war, somit nur der Haupt­schlüssel sein, den sie jezt vorsichtig abzog und zu sich steckte. Man mußte also in ganz besonderer Absicht in ihrem Zimmer gewesen sein; nur so erklärte sich, da man die Tür verschlossen fand, die Benuzung des Hauptschlüssels. Ein eiskalter Schauer fuhr ihr, wie sie sich das zum Bewußtsein brachte, durch den ganzen Leib, und sie mußte alle ihre Kraft zusammennehmen, daß sie, halb besinnungslos über die Schwelle taumelnd und die Tür heftig nach sich ziehend, diese nicht mit lautem Getöse zuschlug. Aus der veränderten Stellung mehrerer Gegenstände auf dem Tische in der Mitte des Gemachs, insbesondere jener silbernen Girandole, ersah sie vollends, daß sich jemand hier zu tun ge­macht hatte, und als sie ganz außer sich vor Angst und Schrecken in das Nebenzimmer getreten war, und das Fehlen des kleinen Leuchters auf dem Toilettentisch bemerkt hatte, rang sie die Hände und sank, wie gebrochen, auf den Divan nieder. Freilich ahnte sie noch nicht den Zusammenhang dieser beängstigenden Umstände; aber ihr Herz mit seinem bebenden Schlage sagte daß vielleicht alles, ihr, daß etwas unheilvolles geschehen, was sie klar und klug ausgedacht, schon im Keime zerstört, daß ihre seligste Hoffnung schon im Entstehen vernichtet worden sei.

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Wenn man sie dennoch beobachtet, wenn man dennoch wußte, daß sie fortgegangen und wo sie gewesen, wann sie heimgekehrt sei, wenn man ihren zärtlichen Abschied von Camillo be­lauscht hatte?-sprach sie voll größter Besorgnis zu sich selbst. -Was sollte sie sagen ohne zu lügen oder alles schon von anfang an zu verderben?

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Mit einem male sprang sie vom Divan auf und trat hastig auf die Türe zu, um sich wiederholt zu überzeugen, daß sie dieselbe auch fest verschlossen hatte und niemand hereinzukommen vermöge, es packte sie, das sonst so klarsehende und be­herzte Mädchen, plözlich wie Geisterfurcht, und als sie vor den hohen, mit fostbarem Rahmen aus Mahagoniholz und Bronce versehenen Spiegel trat, der die schöne, schlanke Gestalt mit den vollen Locken in aller Größe und Deutlichkeit zurückwarf, er­schrak sie fast vor sich selbst, so bleich und verstört sah sie aus.

Dann hatte sie unaufhörlich hin und her gesonnen, wer wohl in ihrem Zimmer geweilt haben könne, und ihre Gedanken waren dabei allerdings auf den Vater gekommen, der sich vielleicht in ängstlicher Sorge noch einmal nach ihrem Befinden hatte er­fundigen wollen und nun mit einemmale über ihre Abwesen­heit unterrichtet war. Vielleicht aber auch hatte es ein miß­günstiges Geschick gefügt, daß er gesehen, wie sie den Palast verließ, vielleicht war er ihrer Spur gefolgt, hatte sie dann aus den Augen verloren und sich darauf überzeugen wollen, ob