III.
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„ Ans Herz der Heimat wirft sich der Poet, Ein anderer und doch derselbe."
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In England wohlwollend empfangen, war es Kinkel nicht gerade leicht, aber auch nicht unmöglich, sich eine Existenz zu gründen; von Dickens in einem warmen Artikel den Engländern empfohlen, bekam er bald so viele Schüler denn er erhielt sich zunächst durch Unterrichtgeben- daß seine Existenz gesichert war. Johanna stand ihm tatkräftig zur Seite; sie gab Musikunterricht, wußte aber auch den Haushalt so trefflich einzurichten, daß sich beide wieder behaglich fühlten. Die vielen Die vielen Enttäuschungen des Flüchtlingslebens beschrieb Johanna in ihrem nachgelassenen Roman:" Hans Jbeles in London ".
Die abenteuerliche Idee, eine Erhebung Deutschlands von England und Amerifa aus zu bewirken, hatte auch in Kinkel
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einen Anhänger. 1851 reiste er nach Nordamerika , um durch Vorträge Geld zusammen zu bringen. Er brachte auch eine nicht unbedeutende Summe zusammen, mußte sich aber gefallen lassen, von Freiligrath in dem sehr beißenden satirischen Gedicht: „ O Tezel, Tezel, nicht durch Ablaßzettel
Wirfst du der Freiheit Feinde übern Haufen"
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wegen seiner Amerikafahrt verspottet zu werden. Die von Kinkel gesammelten Gelder wurden dem später von Dr. Ladendorf verwalteten Revolutionsfond" in Zürich einverleibt.
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Die Vorlesungen, die Kinkel in London über deutsche Literatur hielt, waren von einem zahlreichen und gewählten Publikum besucht; die verbannte Familie begann sich in London heimisch zu fühlen, bis ein furchtbares Ereignis eintrat, der tragische Tod von Johanna Kinkel am 15. November 1858. Johanna stürzte eines Morgens aus dem Fenster auf die Straße hinab und blieb auf der Stelle tot. Dunkle Gerüchte, als habe Jo
1580CKHAUSY.A.
Speche
Löwe und Löwin der Berberei.
hanna aus Gram sich selbst aus dem Fenster geworfen, tauchten in den Flüchtlingskreisen auf, allein einen Anhalt dafür gab es nicht, und die gerichtliche Totenschau sprach sich gegen die Annahme eines Selbstmordes aus. Auch ergab sich bei der Settion, daß Johannas Herz sich um das doppelte vergrößert hatte. Das„ hohe Weih" ward in Englands Erde bestattet und Frei ligrath rief ihr jenes herrliche Gedicht nach:
Zur Winterszeit, in Engelland, Versprengte Männer, haben
Wir schweigend in der Fremden Sand Die deutsche Frau begraben.
Und hier ist deine Ehrenstatt, In Englands wilden Blüten Kein Grund, der besser Anrecht hat, Im Sarge dich zu hüten!
Ruh aus, wo dich der Tod gefällt, Ruh aus, wo du gestritten! Für dich kein stolzres Leichenfeld Als hier im Land der Briten !"
So sah diese Frau das deutsche Land nicht wieder, während Kinkel, nachdem er sich wieder verheiratet, 1866 einem Rufe nach Zürich folgte, um am eidgenössischen Polytechnikum in Zürich eine Professur der Archäologie und Kunstgeschichte zu übernehmen.
In dieser Stellung hat er auch bis zulezt gewirkt und sich im Schweizerlande vollständig eingebürgert.
Er wäre gerne nach Deutschland zurückgekehrt, wie aus einigen seiner nachgelassenen und nun veröffentlichten Briefe hervorgeht. Aber vielleicht fühlte er sich in der Schweiz doch unabhängiger, wenngleich es Tatsache ist, daß er 1873 einen vergeblichen Versuch machte, eine Anstellung an der Straß burger Universität zu bekommen. 1866 hatte er sich mit der preußischen Politik, soweit sie ihm auf eine Einigung Deutsch lands gerichtet schien, einverstanden erklärt und sich von der alten Demokratie losgesagt; er stellte sich damit auf die Seite jener spezifisch preußischen Demokratie, besser Fortschrittspartei, von der Ziegler sagte, ihr Herz sei da, wo die preußischen Fahnen weheten. Aber was auf 1866 folgte, gefiel Kinkel nicht; er ist nicht mit dem liberalen" Schwarm gegangen, sondern Demokrat geblieben, denn später in einer schweizer Versammlung, wo jemand die Annektion der Schweiz durch Deutschland verlangte, trat er heftig auf und sagte, in einem solchem Falle werde er selbst wieder zur Büchse greifen.
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