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seiner Jungen hält er sich zu seinem Weibchen. Sobald aber die Sonne untergegangen ist und der Abend dämmert, richtet das gewaltige Tier sich auf, und nun erschallt jenes aller Beschreibung spottende fürchterliche Gebrüll, das die Herden heulen macht und vor dem der Beduin im fernen Zeltdorf erschrocken verstummt. Nichts aus dem weiten Reich der Töne kommt diesem entsezlichen Laut gleich, welcher den Mut und die Kraft des Mutigsten und Kräftigsten verkündigt. Erst dumpf röchelnd, fast seufzend, schwillt er bald in langgezogenen Stößen an, bis er zulezt donnergewaltig die Luft erfüllt. Raad„ Donner " nennt darum auch der Araber das Gebrüll des Löwen und ihn selbst heißt er Essed, d. i. der Aufruhrerregende. Denn sobald der erste Ton erdröhnt, bergen die Tiere der Wildnis sich angstvoll oder versuchen zu fliehen, denn sie wissen, daß der Löwe jezt über meilenweite Strecken hin seinen Raubzug beginnt. Durch die dichteste Finsternis glüht sein stieres Auge, von Minute zu Minute nähert sich sein Gebrüll, endlich in einem ungeheuren Saz überspringt der Mächtige den acht, ja selbst zehn Fuß hohen, aus den stachlichsten Aesten der Mimosen geflochtenen dichten Dornenzaun des Pferchs, um sich ein Opfer auszuwählen. Ein einziger Schlag seiner Pranken fällt ein zweijähriges Rind, das kräftige Gebiß zerbricht dem widerstandslosen Tier die Wirbelknochen des Halses. Dumpfgrollend liegt der Räuber auf seiner Beute; die großen Augen funkeln hell vor Siegeslust und Raubgier; mit dem Schwanze peitscht er die Luft. Nun tritt er seinen Rückzug an. Die ungeheure Kraft des Tiers zeigt sich ganz besonders beim Fortschaffen der Beute. Man bedenke, was dazu gehören will, mit einem Rind im Rachen über einen breiten Graben oder einen sechs, acht, ja zehn Fuß hohen Zaun zu sezen. Aber der Rücksprung gelingt ihm. Brehm sah eine neun Fuß hohe Seriba( Pferch), über welche der Löwe mit einem zweijährigen Rind im Rachen hinweggesezt war. Mit Leichtigkeit trägt er eine solche Last seinem entfernten Lager zu. Erst nach Abzug des Löwen atmet alles Lebende im Lager freier auf. Der Hirt ergibt sich gefaßt in sein Schicksal, er weiß, daß er in dem Löwen einen Herrn erkennen muß, der ihn nach Belieben brandschazt, als hätte er ein historisches Recht dazu. Wo der Löwe der Herde nicht näher zu kommen vermag, belauert er den Eber, jagt er die Antilope, schleicht er der Karawane oder dem räuberischen Kabylen nach. Oft folgt ihm dabei in scheuer Ferne der Schakal, der von den Resten des Königsmahls sich sättigt. - Daß der Löwe den Menschen nicht angreife, ist Fabel; wenigstens wagt bei Nacht kein Araber allein und ohne Waffe sein Lager zu verlassen. Kazenartig duckt er sich zum Sprunge, der bis zu einer Weite von vierzig Fuß seines Zieles sicher ist und mit einem Schlage seiner Branken streckt er das galop pirende Pferd sammt dem Reiter nieder. Indessen ist es doch verhältnismäßig selten, daß der Mensch vom Löwen angegriffen wird; die hohe Gestalt und der energische Blick scheint der Bestie zu imponiren. In Sudan wenigstens, wo der Löwe häufig vorkommt, sind so gut als gar keine Fälle bekannt, daß ein Mensch von einem Löwen gefressen worden wäre. Den Krokodilen, ja selbst den Hyänen fallen dort weit mehr Menschen zum Opfer, als dem Löwen . In Südafrika soll es anders sein, doch wird die Schuld den Kaffern zugeschrieben, die beständig miteinander in Fehde leben und die oft genug heimtückisch erschlagenen Feinde da liegen lassen, wo das tötliche Geschoß sie ereilt. Der Löwe, der einen solchen frischen Leichnam findet, läßt sich denselben schmecken, und hat er einmal Menschenfleisch gekostet, so wird er ein„ Manneſser", wie die Kaffern ihn dann nennen. Diese versichern, daß solche menschenfressende Löwen auch nicht selten mitten unter die Lagerfeuer stürzen und den einen oder andern der schlafenden Männer ohne weiteres mit. sich nehmen. Merkwürdigerweise zeigt der Appetit des men schenfressenden Löwen eine Vorliebe für die dunkle Rasse. Die Hautfarbe allein gibt schwerlich den Ausschlag, es müssen vielmehr chemische Agentien wirken, etwa die Ausdünstung. Andrerseits wird behauptet, daß wer bei einem Zusammentreffen mit dem Löwen Herz genug hat, ruhig stehen zu bleiben, nicht
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leicht von ihm angegriffen wird, und daß schließlich der Löwe die Flucht ergreift, namentlich wenn es ein Löwe ist, der noch niemals mit einem Menschen gekämpft hat. Unter allen Umständen bleibt es mißlich, vor dem Löwen zu fliehen, denn er ist schnell genug zu Fuß, um den Flüchtigen einzuholen. Am wenigsten sollen Kinder von dem Löwen zu fürchten haben.
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Daß ein solches Tier, welches unter den Herden so große Verheerungen anrichtet und auch das Menschenleben bedroht, Gegenstand eifriger Verfolgung wird, begreift sich von selbst. Aber diese Jagd ist äußerst gefährlich, und der Jäger, der es mit ihm wagt, kann jederzeit darauf rechnen, seinen lezten Gang zu tun. Unter den Europäern ist der Franzose Jules Gérard als Löwenjäger zu hohem Ruf gelangt; die Araber selbst verehren ihn fast wie einen Minotaurusjäger. Er hat auf eigene Hand fünfundzwanzig Löwen erlegt und die anschaulichste, lebendigste Beschreibung des kühnen Dramas gegeben. Gewöhnlich beschleicht ein ganzer Stamm von Beduinen wohlbewaffnet und vorsichtig den Lagerplaz des Tieres, den die breite Fährte verrät. Ex ungue leonem aus der Klaue den Löwen " heißt es hier wörtlich, denn wenn die ausgespreiteten Finger einer Manneshand die Spur nicht decken, so weiß der Araber, daß er es mit einem volljährigen männlichen Löwen zu tun haben wird, im Gegenteil erkennt er an der kleineren Fährte die Löwin oder das Junge. Das seltsame Tier erwacht inzwischen, denn es hat die Bewegung des Feindes gehört. Es hebt den majestätischen Kopf schnell empor, sträubt die Mähne und antwortet mit einem markerschütternden Gebrüll auf das herausfordernde Geschrei der Araber. Diese haben sich in große Gruppen verteilt, schießen ins Gebüsch und schmähen den Trägen. Da tritt der Löwe hervor und rings wirds schreckensstill; aber jede Hand liegt am Gewehr. Er bleibt stehen, mit wutfunkelnden Augen die Gegner messend, die sich so dicht aneinander drängen, daß ein Burnus sie bedecken würde; dann wandelt er grollend- stolzen Schritts an den Feuerröhren einher, peitscht mit dem Schweif die Erde, so daß sie stäubt und verkündet mit einem neuen entsezlichen Gebrüll den Talbewohnern die Schlacht, die sich nun entspinnt. Oft auch duckt er sich zum Sprunge und schmiegt die gewaltige Gestalt so dicht an den Boden, daß nur der Kopf aus dem dunklen Mantel der Mähne hervordroht. In diesem Augenblick gilt es, den Meisterschuß zu tun. Auf einen Ruf des ältesten unter den Beduinen krachen dreißig Gewehre, und war das Glück günstig, so rollt sich das riesige Tier wie eine Schlange unter dem mörderischen Regen und stirbt ohne Klage. Aber nur selten wird der Löwe so getroffen. Meist reizen ihn die Wunden zur rasendsten Wut, und er stürzt mitten in den Haufen der bleichen Männer, dem einen ein Auge, dem andern einen Arm ausreißend und über einen dritten mit einem Schrei sich herwerfend, der das Blut erstarren macht. Dies ist der furchtbarste Augenblick. Den Vorderfuß auf die Brust seines Opfers gestemmit, den Schweif hochaufschwingend, die Mähne wild gefträubt: so steht er triumphirend da. Von Zeit zu Zeit streicht er seine große rauhe Bunge über den Sterbenden, dann zieht er die Lippen zurück und beleckt das Gebiß. Unterdessen haben die Freunde des Unglücklichen die Mutigsten in der Schaar zur Rettung aufgefordert, und sie gehen in dichter Reihe, das Gewehr angelegt, den Finger am Drücker, auf den Löwen zu, der sie kommen sieht und erwartet. Aber um den zu Rettenden nicht zu töten, gilt es, dem Tiere ganz nahe zu kommen, che ein Schuß getan wird. Gewöhnlich opfert sich ein Verwandter, der allein zu dem Löwen tritt und die andern Jäger etwa zwanzig Schritte hinter sich zurückläßt. Schwinden dem Löwen allmälich die Kräfte, so zermalmt er den Kopf des Mannes, der unter ihm liegt, und zwar in dem Augenblicke, als er das Rohr des Gewehrs zu seinem Dhr sich senken sieht. Dann schließt er die Augen und erwartet den Tod. Fühlt er sich dagegen noch stark, so becilt er sich, den Jäger in seinen Klauen zu töten, um sich auf den Verwegenen stürzen zu können, der jenem zu Hülfe zu kommen wagt. In Indien wird die Jagd der Löwen und Tiger zumeist in der Weise betrieben, daß die Jäger auf Elephanten ſizen. Nicht selten ereignet es