zur Unterhaltung des Gastes, dem von allen Seiten die höchste Aufmerksamkeit und Hochachtung bewiesen wird, im Hause des Wirtes einzufinden, der auch sie bewirten muß.
235
Je nach der Wohlhabenheit der Einzelnen richtet sich die Art der Ernährung, doch dienen entsprechend der Hauptbeschäf= tigung des Volkes, die in der Viehzucht besteht, hauptsächlich Fleischspeisen als Nahrungsmittel. Bei den Reichen wird dem Gaste zuerst Schaschlyt, am Spieße gebratenes Fleisch, gereicht, sodann folgt gekochtes, bestehend aus Hammelfopf, Hammelfettschwanz oder Hinterkeule, hierauf Schurna, die Fleischbrühe mit saurer Milch und verschiedenen Gewürzen zubereitet und ge= nossen aus kleinen Schalen von Holz oder Ton. Zum Schlusse fommt noch Reißbrei mit Honig, oder ausgeschlagene Eier, die in Butter mit Honig gebraten sind. Zum Essen reicht der Wirt den Gästen nur Löffel, da jeder an der Scheide des nie fehlenden Dolches auch sein Messer mit sich führt.
Für zivilisirte abendländische Nasen ist weder der Aufenthalt in den Wohnungen der Karatschajern, noch überhaupt der Vertehr mit ihnen besonders angenehm. Wohnungen, Kleider und Personen starren meist von Schmuz. Baden und Waschen sind gänzlich unbekannte Dinge, und die Waschungen, welche die Religion ihnen auferlegt, haben mit der Reinlichkeit durchaus nichts zu tun. Die Wäsche, die wohl nur bei den Vornehmsten in Anwendung kommt, wird nicht eher gewechselt, als bis sie in Lumpen zerfällt, während die Kleider, die Tag und Nacht nicht abgelegt werden, oft so abgetragen und schmuzig sind, daß weder Stoff noch Farbe sich erkennen lassen. Daß den Karatschajer infolge dessen stets ein scharfer, unangenehmer Geruch begleitet, ist ganz natürlich. Die Bekleidung besteht aus dem langen faukasischen Rock mit Ledergürtel; die Füße umwickeln sie mit Lappen, über welche sie die aus unbearbeiteten Fellen gefertigten Schuhe, die Haare nach außen, anziehen. Der Dolch in Leder scheide hängt jedem an der Seite.
-
-
Was die Wohnungen betrifft, so sind dieselben noch sehr primitiv und roh da sie als einziges Werkzeug die Art führen, wenn auch vielleicht für die Verhältnisse praktisch eingerichtet. Die Hütten sind ganz aus Baumstämmen aufgeführt und mit Erde bedeckt; an das Wohnhaus stoßen die Ställe und sonstigen Wirtschaftsgebäude, die einen viereckigen Hof einschließen, auf welchen alle Fenster und Ausgänge münden, während die äußere Balkenwand keinerlei Deffnungen zeigt. Die Gehöfte eines Auls liegen nicht wie bei uns die Dörfer, dicht beisammen, sondern infolge der Beschaffenheit des Landes über weite Strecken verteilt. Es sind nämlich die 12 bis 21/2 Werst( Kilometer) breiten, von steilen Felsenwänden eingefaßten Flußtäler vielfach durch Wald unterbrochen und mit zahlreichen Felsblöcken und Trümmern bedeckt. Dadurch sind die Bewohner gezwungen, ihre Hütten da anzulegen, wo der Boden ihnen gestattet, ihre Felder in der Nähe zu haben.
Sehr lohnend ist aber der Ackerbau nicht, troz der unendlichen Mühe und der Schwierigkeiten, die er macht. Zunächst gilt es, die unzähligen Steinblöcke sowohl über als unter der
Erde
zu entfernen, mit denen das urbare Land umfriedigt wird. Außerdem werden dieselben auch in großen Haufen aufgeschichtet. Wie gering die Fläche des so urbar gemachten Landes ist, fann man sich unschwer denken. Und wie gering wiederum der Ertrag desselben! Die einzige Frucht, welche das rauhe Klima der Nordseite des Gebirges zu bauen gestattet, die Gerste, gibt faum 3-4fältigen Ertrag, da der Acer nur spärlich gedingt werden kann. Denn infolge des Mangels an Wiesen in den Tälern läßt sich wenig Vieh im Stalle erhalten, der Mist zur Düngung fehlt also, und außerdem steht auch die Landwirtschaft auf sehr niedriger Stufe. Zwar hat man in neuerer Zeit mit dem Bau von Kartoffeln begonnen, allein dieselben arten nach mehreren Jahren aus, so daß neuer Samen von auswärts zu geführt werden muß. Die Einführung von Getreide ist daher eine Notwendigkeit, da die eigenen Erzeugnisse den Bedarf nie
decken.
Infolge dessen sind die Karatschajer zur Viehzucht gezwungen. Von der Krone oder den kubanischen Kosakengemeinden pachten
sie zu diesem Zwecke an den Nordabhängen des Gebirges und der Vorberge ausgedehnte Viehweiden, die sie im Sommer mit ihren Herden beziehen. Den klimatischen Verhältnissen entsprechend ist auch die Vegetation der Nordseite der kaukasischen Alpen eine rein alpine, während dieselbe auf den nördlichen Vorbergen schon mehr einen mitteleuropäischen Karakter trägt. Ueppig fann sie aber weder auf diesen, noch auf den eigentlichen kaukasischen Alpen genannt werden, während der Südabhang des Gebirges inbezug auf Klima und Vegetation sich günstig von der Nordseite unterscheidet. Sobald der Schnee geschmolzen und die Entwicklung der Vegetation weit genug vorgeschritten ist, werden die Herden: Schafe, Ziegen, Rinder und Pferde auf die Hochalpen getrieben. Man darf sich nicht vorstellen, daß das Vieh der kaukasischen Gebirgsbewohner Aehnlichkeit mit unserem durch Bau und Milchreichtum gleich ausgezeichnetem Alpenvieh hat. Im Gegenteil ist das Vieh klein und nicht sehr ergiebig. Das Rindvich mit kurzem Hals, dickem Kopf und furzen Hörnern; die Pferde mit dicken Füßen, niedrigen Hufen und kurzen Köpfen, beide Arten langhaarig und unschön; die Schafe sind meist schwarz oder dunkelhaarig und in ihrem Bau von unsern Schafen merklich verschieden. Und doch macht das Vieh, so wenig ertragreich es ist, die Hauptnahrungs- und Erwerbsquelle dieser Gebirgsbewohner aus, denn die Tiere und deren Felle bilden( durch Vermittlung der Juden) fast die einzigen Handelsartikel, die sie auf die Jahrmärkte des Kubangebietes bringen. 1878 wurden nach offiziellen Angaben 34 500 Schaffelle und 5956 Rindshäute ausgeführt, während in demselben Jahre die Zahl der Rinder 32 000, der Pferde 18 500, der Esel 2500 und der Schafe und Ziege 231 000 Stück betrug, so daß auf jede Familie 13 Stück Pferde und Rinder und 57 Stück Schafe kommen.
Leider steht das Völfchen inbezug auf Gewerbtätigkeit und Geschicklichkeit noch auf einer sehr niederen Stufe. All' ihre Werkzeuge und Geschirre beziehen sie von auswärts, nicht einmal ihre einfachen hölzernen Wagen( Arben) fabriziren sie selbst, ja sogar in der Bereitung von Butter und Käse, die ihnen doch als Hauptnahrungsmittel dienen, sind sie noch weit zurück.
Männer, Weiber und Kinder begleiten die Herde auf die Weidepläze, wo aus Balken, Steinen und Laubwerk Umzäunungen ( Kosch genannt) errichtet werden, die Menschen und Vieh zum Schuze gegen die Witterung als Aufenthalt dienen. Nur die Alten und Schwachen bleiben zurück, deren Vieh gegen eine Vergütung von anderen in Pflege genommen wird. Der Herbst treibt Weiber und Kinder in die Täler zurück, während die Männer die tiefergelegenen Weidepläze aufsuchen.
Wenn nun auf der einen Seite, wie wir sahen, das Völkchen noch auf einer ziemlich niedrigen Stufe der Kultur steht, so ist es um so wunderbarer, daß sie inbezug auf ihre inneren Einrichtungen eine gewisse Gewandtheit, Geschicklichkeit und sicheres Verständnis zeigen.
Jeder Aul wählt seine Vertreter, meist weißhaarige Greise, in deren Händen die Regelung und Leitung aller allgemeinen Interessen des Stammes liegt. Sie verteilen die von der Regierung ausgeschriebenen Steuern und sonstigen Lasten auf die einzelnen Familien, beschließen über innere Einrichtungen und bilden so eine Art Behörde oder Gemeindevertretung, deren Anordnungen sich jeder ohne Weigerung fügt, überzeugt, daß die größte Gerechtigkeit und Billigkeit obgewaltet habe. So tief wurzeln bei ihnen die patriarchalischen Einrichtungen, der Sinn für Gerechtigkeit und das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit und gleicher Interessen! Da die Alten des Schreibens unfundig, so führen sie alle Berechnungen bei den Verteilungen mit Hilfe kleiner Steinchen aus; trozdem kömmt nie ein Fehler bei den Verteilungen, noch eine Unzufriedenheit inbezug auf dieselben vor.
Wenn auch vielfach noch weit in der Kultur zurück, sind die Karatschajer dem Fortschritte doch nicht ganz fremd geblieben. Führt doch eine verhältnismäßig gute Fahrstraße durch ihre Täler bis zum Fuße des Elbrus ; ja, sogar drei Poststationen an derselben vermitteln den Verkehr mit der Außenwelt. Außer