7 Uhr 45 Minuten. Mein Puls schlägt so, daß ich jeden Schlag höre. Ich rauche und fliege, obwohl ich mit den Händen fühle, daß ich liege. Ich denke ungeheuer schnell und glaube, daß ich bei dem Schreiben dieser Zeilen Stunden zubringe.
8 Uhr. Mein Blut schlägt Wellen und einzelne Teile fallen von meinem Körper, obgleich ich mich dumm schreibe, denn ich habe vollkommen freies Bewußtsein, daß ich alle Glieder besize. Ich denke, ich will ausgehen.
8 Uhr 20 Minuten. Ich träumte, ich ginge aus, die Straßen und die Stadt verlängerten sich und waren mir ganz unbekannt, die Häuser sehr hoch; ich glaube, ich war in der Polizeiveranda, wo ein Mann war zu petitioniren und zu mir mit einem Gesuche kam; ich ging dann zurück und sezte mich vor mein Haus. Ich bin ohne Willen die Wand gegen über meinem Hause war schön tapezirt, auch hörte ich von ferne schöne Musik, und jezt schreibe ich und sehe, daß alles erlogen ist.
Ich will mich legen; aber bin ich wirklich verrückt? 8 Uhr 30 Minuten. Ich liege jezt. Mein Wille ist ganz weg und in mir großer Sturm. Das Licht brennt seit Stunden, und ich kann es nicht ausblasen. Aber ich schreibe, und da ich denke, bin ich doch wohl nicht gelähmt? Bin ich wirklich hier? Mein Hinterkopf ist sehr angefüllt. Ich bin ungemein leicht und wenn ich nicht schriebe, würde ich in der Luft schweben."
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Soweit war es mir gelungen zu schreiben," fährt Rohlfs am andren Tage in seinem Berichte fort. Darauf fiel ich in einen festen Schlaf bis 9 Uhr morgens. Auf mein Erkundigen fand ich, daß ich wirklich auf der Polizeiveranda gewesen war, ganz vernünftig gesprochen und in niemand die Ahnung erweckt hatte, daß ich im Tekourizustande( Verzückung) mich befinde. Die Haupterscheinungen des Rausches waren mithin: 1) Ungemeines Leichtigkeits- und Schwebegefühl. 2) Der anfangs verminderte Puls erreicht eine Schnelligkeit, daß man ihn nicht mehr zu zählen vermag. 3) Starker Blutandrang nach dem Hinterkopfe. 4) Auffallende Lähmung der Willenskraft. 5) Das Gedächtnis verliert seine Regeln, vergißt naheliegende Dinge und erinnert sich längst vergangener. 6) Alles erscheint in den schönsten Farben und in vollkommenſter Harmonie. 7) Manchmal lichte Augenblicke, verbunden mit schrecklicher Angst, daß dieser Zustand immer dauern möchte. 8) Der ganze Rausch eher ein Verrücktsein, als was wir Europäer unter einem Rausch verstehen möchten. Heute Morgen," so schließt Rohlfs den Bericht, ,, befinde ich mich vollkommen wohl und verspüre auch nicht im mindesten einen sogenannten Kazenjammer."
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Bedenkt man, daß Gerhard Rohlfs der Haschisch- Verzückung jedenfalls kein sehr empfängliches Gemüt und noch weniger einen dazu bereits vorbereiteten Körper entgegengebracht hat, so wird man sich nicht wundern zu erfahren, daß die meisten anderen Berichte weit verlockender und oft ganz überschwänglich lauten. Mit dem Haschisch verwandt ist ein andres Berauschungs mittel, welches gleichfalls im Orient zur Anwendung gelangt und wie jener dem Verbote des Weins durch den Koran ein gut Teil seiner ungeheuren Verbreitung verdankt, das Opium. Dasselbe besteht aus dem den angerizten Kapseln des Mohns, papaver somniferum, entfließenden und rasch eintrocknenden Milchsaft. Zum Zwecke der Opiumgewinnung wird der Mohn hauptsächlich in Egypten, Kleinasien , Persien und Ostindien auf weitausgedehnten Feldern angebaut. Nach dem Verblühen werden die Mohnkapseln mit einem Messer leicht eingerizt, und der Saft wird, sobald er einigermaßen fest ge= worden ist, abgeschabt. Die so gewonnene Masse fnetet man zu Kuchen- oder Kugelformen und umwickelt sie mit Mohnblättern.
In welch' riesigen Duantitäten Opium genossen wird und wie sich im Laufe dieses Jahrhunderts der Genuß gesteigert hat, beweisen die Zahlen des indischen Opiumexports, an dem die Engländer ungeheure Geldsummen verdient haben. 1800 belief sich derselbe auf 5005 Kisten, jede zu 1333 englischen Pfund, im Jahre 1825 auf 12000, 1850 auf 50 000 und
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1875 auf 90 000 Kisten. Im Jahre 1858 hatte die indische Handelskompagnie bei ihrem Opiumschacher einen Reingewinn von 2 millionen Pfund Sterling , d. s. 40 millionen Mark, und seit der Aufhebung der Kompagnie fließt der inzwischen um sehr viel erhöhte Profit in die englische Staatskasse.
Wie das Haschisch wird auch das Opium in den verschie= densten Arten und Formen genossen. Im westlichen Asien , schreibt der mehrerwähnte Professor Schär, in Egypten und andern muhamedanischen Ländern, sowie in Persien wird nicht nur das Opium geraucht, sondern auch versprist, entweder in Form einer trüben, wässrigen Auflösung, oder in Pillen, in feuchten Pasten oder in trocknen Täfelchen, in denen es mit süßem Fruchtsaft, mit aromatischen Stoffen und zuweilen auch mit Haschisch versezt ist und denen die bezeichnende Inschrift aufgepreßt ist: Mash Allah, zu deutsch : Gabe Gottes.
Je weiter man nach Osten kommt, um so häufiger trifft man statt des Opiumessens das Opiumrauchen. Mit dem Chinesen zieht die Opiumpfeife in alle Welt hinaus und in den Niederlassungen, in denen sich viele Chinesen ansiedeln, namentlich wo Kulis als gemietete Halbsklaven sich ausbeuten lassen, finden sich in großer Zahl Winkelwirtschaften, in denen die Chinesen und andre Asiaten ihren Betäubungsgelüften fröhnen und die bösen Leidenschaften auch sehr häufig auf Angehörige aller nichtasiatischen Nationen übertragen.
Die Art, wie die Chinesen das Opium zu rauchen pflegen, wird folgendermaßen beschrieben. Sie legen den Kopf auf ein Kissen, nehmen mit einem Instrument, das einer Nadel gleicht, etwas Opium, halten es an die Flamme eines Lichts, stecken es in den kleinen Kopf einer Opiumpfeife, bringen das Licht während des Einziehens an den Pfeifenkopf, schlürfen in einem oder zwei Zügen den Rauch in die Lunge und wiederholen das je nach Gewohnheit und Bedürfnis mehreremale. Wie englische Aerzte berichten, sind die Opiumraucher anfänglich lebhaft, gesprächig und heiter, häufig zeigen sie sich jedoch auch jähzornig und zanksüchtig.
Der Fluch des Opiumgenusses ist, daß eine beständige Steigerung der Dosis notwendig ist, um die gewünschte narkotische Wirkung zu erzeugen, ein Uebelstand, der zwar auch mit dem Genusse anderer Narkotika verknüpft ist, aber doch bei keinem so scharf hervortritt und so rasch verhängnisvoll wird, als bei dem Opium.
Allmälich treten, wie Schär sagt, grauenhafte beängstigende Sinnestäuschungen der verschiedensten Art, Hallucinationen und Illusionen auf.„ In bejammernswerter Art schleppen sich die Sklaven des Opium von einer Opiumstube zur andern, umt schließlich auf Mauern oder Treppen ihr langsam und syste= matisch vergiftetes Dasein zu beenden. Garnicht selten, zumal in dem ostasiatischen Inselgebiete, hat ein längerer Mißbrauch größerer Opiumdosen, sei es mittels der Pfeife, oder mittels des Trinkgefäßes, ausgesprochene Wahnsinnsanfälle( Tobsucht) im Gefolge; häufig genug sollen 3. B. auf Java oder Su matra Eingeborne, Rasenden gleich, mit weithin gellendem Rufe " Amott, amott" tötet, tötet die furchtbare Stichwaffe, den Kris, schwingend durch die Straßen toben, einer berserkerwutartigen Tobsucht verfallen."
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Mit dem Opium ist der Reigen der narkotisch wirkenden Genußmittel noch lange nicht geschlossen.
Der keineswegs harmlosen Pflanzenfamilie, der unsre Kartoffel angehört, der Familie der Solaneen oder Nachtschattengewächse, hat die Menschheit mancherlei Narkotika zu verdanken. Die Geschwister der Kartoffel, welche den Namen Stechapfel, Bilsenkraut und Tollkirsche oder Belladonna führen, sind die ergiebigen Lieferanten.
Vorzugsweise in tropischen Ländern verstärkt man häufig durch Zusaz von Stechapfelsaft die berauschende Wirkung des Branntweins. Ferner werden auf den ostindischen Inseln und in Südamerika die Blätter einer Stechapfelart gekaut, sowie die Samen in süße Backwaare eingebacken, lezteres hauptsächlich um in dem Gebäck ein Betäubungsmittel zu gewinnen und mit dessen Hülfe allerhand Gaunerwerk auszuüben.