Eine andre Stechapfelart, welche den Eingeborenen der Cordilleren zur Gewinnung eines durch Abkochung hergestellten Getränkes, Tonga genannt, dient, das hauptsächlich schlaferzeugend wirkt und bei den abergläubischen Gebräuchen südamerikanischer Indianer häufig angewendet wird, z. B. derart, daß man irgendwelche Personen, oft sogar Kinder, damit narkotisirt, die dann dadurch, daß sie an einem beliebigen Orte, ihrer Sinne nicht mächtig, zur Erde fallen, anzeigen sollen, daß der Erdboden an der betreffenden Stelle edle Metalle birgt.
Auch zum Rauchen werden die Samen verschiedener Stechapfel arten benüzt, für sich allein oder, was öfter der Fall ist, mit Tabak gemischt; dies geschieht in Peru und Ecuador sowie in China . In den sibirischen Steppen und in den öden Ländereien der hügelreichen Halbinsel Kamtschatka werden, nach Schär, die Blätter einer Verwandten unsrer Alpenrose, einer Rhododendronart und das Fleisch des bei uns viel gefürchteten Fliegenschwammes sowohl als Genußmittel wie auch als Nahrungsmittel verwendet. Die im Sommer gesammelten und an der Luft getrockneten Fliegenschwämme üben, wenn sie genossen werden, einesteils eine Wirkung gleich der unsrer berauschenden Getränke, andernteils verursachen sie auch eine dem Haschischrausche ähnliche Verzückung, die zuweilen in totale Bewußtlosigkeit übergeht, außerdem aber verstehen einige ostsibirische Stämme durch besondere Zubereitung, bei welcher Aussieden und reichliches Salzen die Hauptrolle spielen mögen, ein durchaus eßbares und nahrhaftes Gericht zu bereiten, wie denn auch die russischen Einwohner, auf die dieses kulinarische Geheimnis seit langem übergegangen zu sein scheint, keine größere Scheu vor den verpönten Fliegenpilzen empfinden, als etwa der Brasilianer vor der blausäurehaltigen Maniholwurzel, aus der er uach alter Regel das Tapioka- oder Kassavenmehl abscheidet."
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Den betäubenden Genußmitteln fügt Schär die„ aufregenden" und anregenden" hinzu, von denen er als besonders eigentümlich das Betelkauen erwähnt, das nach den ältesten Nachrichten auf die 60 millionen Menschen der malayischen Race beschränkt war, sich aber von diesen bis an die ostafrikanische Zanzibarküste und nordöstlich bis nach den Philippinen und ihrer Hauptstadt Manilla berbreitet hat. Die schöne, in Ostindien heimische, bis 50 Fuß hoch werdende Areka- oder Katechupalme und der unbedeutend erscheinende, oft nur als Schlingpflanze sich präsentirende Betelpfefferstrauch liefern das Material zu dem erwähnten Kaugenusse. Bei der Palme ist es der kugelig kegelförmige Same, die sogenannte Betelnuß, welche mit Kalt und Gewürz vermengt in ganz Indien , im südlichen China und auf allen Inseln des malayischen Archipels, in erster Linie deswegen gekaut wird, um den Atem wohlriechend zu machen. Auf Seiten des Betelpfefferstrauchs sind es die herzförmigen, gewürzhaft schmeckenden Blätter, welche den Genuß gewähren und zumeist zur Einhüllung der in Scheiben zerschnittenen und so zum Kauen gelangenden Betelnüsse dienen. Eine Folge dieser Gewohnheit besteht in der hochroten Färbung des Gaumens und des Zahnfleisches, während die Zähne einen rötlich- schwarzen Ueberzug bekommen und dabei von allen Krankheiten frei bleiben.
Daß es das Beteltauen an Verbreitung fast mit jedem an= deren Genußmittel aufnehmen kann, beweist die Tatsache, daß an einem Stapelplaze Sumatras 1870 nicht weniger als 60 000 Zentner Betelnüsse ausgeführt wurden, während gleichzeitig ebensoviel aus Kochinchina, aus Bombay 40 000 und aus Ceylon gar 70 000 Bentner zur Ausfuhr gelangten. ( Schluß folgt.)
Serena.
Eine venetianische Novelle von Max Vogler.
Ein heftiger, einen unverständlichen Schrei gleichender Atemzug fam aus Serenas Brust, als sie den Vater in dieser Art Camillos Namen nennen hörte, und es zog ihr in heißer Glut das Hirn zusammen.
Und nun rang es sich, der trüben Ahnung, die sie die ganze vorige Nacht nicht hatte zur Ruhe kommen lassen, mit einemmale Worte leihend, gewaltsam aus dem Herzen des Marchese herauf, und sein schmerzdurchfurchtes Antliz sah sie dicht vor dem ihren:
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„ Und hast du vielleicht Herrn von Winter gestern gesehen, Kind?" fragte er noch lauter und ungestümer als vorhin. Vielleicht gestern Abend gesehen? Verhehle mir
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nichts,
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ich will alles wissen, Kind!"
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Das siedende Blut schoß Serena zum Hirn, und ihre Gedanken wirbelten bunt durcheinander. Ihrer selbst nicht mehr mächtig, wand sie ihre Hände aus den seinen und glitt vom Stuhl herunter und sank vor dem Marchese zitternd in die Knie: Mein Vater!"- schrie sie auf, daß es laut im Zimmer widerhallte, und bog das schwindelnde Haupt in das Polster des Fauteuils, in welchem der Vater saß.
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Der fleine, gelbe Kanarienvogel im Goldkäfig drüben am Fenster flog erschreckt auf, daß seine zarten Flügel hart gegen die metallenen Stäbe schlugen, das weiße Käzchen in der Ecke des Sophas blinzelte wieder schläfrig mit den grünen, gläsernen Augen und hob verwundert den Kopf, daß die Schelle an seinem Halse leise erklang; die Marchesa aber saß, die vollen Arme über die Brust gekreuzt, leicht zur Seite geneigten Hauptes ihrem Gemahl und Serena gegenüber und lächelte zufrieden in sich hinein.
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Antworte mir gerade heraus, Kind," drängte der Vater, zu Serena niedergebeugt,„ ists wahr, daß du ihn liebst?"
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( 8. Fortsezung.)
Serenas Brust wogte heftig auf und ab, und sie schluchzte laut. Einige Augenblicke verrannen auch jezt noch, ohne daß sie auf die wiederholte heftige Frage des Vaters antwortete. Sie schien mit sich selbst zu ringen und mit größter Anstrengung zu überlegen, was sie sagen solle. Dann ging es bebend über ihre Lippen, und sie hob dabei leise das Haupt empor, daß ihre schönen Augen flehend in die seinen hineinsahen: „ Mein Vater,- ja!"
Ein heftiges Zittern lief wieder durch ihre Glieder, wie sie diese Worte schüchtern hervorhauchte; nun hatte er sie gehört, und ihr Blick hing immer noch ängstlich an seinen Zügen, als wollte sie darin ihr Urteil lesen.
Und einen Augenblick neigte er sich noch tiefer zu ihr hinab, als habe er ein Unerhörtes vernommen, was er noch nicht glauben mochte, und seine Augen flammten lodernden Blicks in die ihren.
„ Es ist!" preßte der Marchese aus seiner Brust hervor, indem er ihre Hände fahren ließ und mit heftigem Schritt zur Seite und an eines der Fenster trat.„ Er hat recht und meine Ahnung betrog mich nicht!" fügte er ruhiger und weniger laut hinzu.
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Einige Minuten sah er still und gedankenschwer in den Garten hinaus und auf den Kanal grande hinüber. Dann wendete er sich um und sagte, mit feuchtem Auge auf das regungslos in den Fauteuil zurückgelehnte Mädchen hinblickend und leise das Haupt schüttelnd, in tiefernstem Tone: „ Serena, Serena,-mein einziges, liebes Kind, du hast es also doch gekonnt, du hast dich nicht gefragt, welch ein schweres Leid du über deinen Vater bringen würdest!"
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Der tiefschmerzliche Klang seiner Stimme schien Serena aus ihrer halben Bewußtlosigkeit aufzuschrecken und wieder ganz zu