lezten Augenblick an die Spize der anreitenden schwedischen Dragoner. Mit seinen Begleitern sprengte er dann in lebhaftem Galopp vorwärts und eiferte auch die Dragoner zu schnellerer Gangart an. Camill gedachte durch diesen Ungestüm die schlechter berittenen Städtischen in schimpfliche Verwirrung zu stürzen. Insgeheim hegte der Baron sogar die Absicht, wenn möglich, den verhaßten Zinngießer, dem er feine sonderliche Sattelfestig= keit zutraute, aus dem Gleichgewicht oder gar zu Fall zu bringen. Würde Georg Walter vor den Augen seiner Angebeteten auf diese Weise eine klägliche Figur spielen, so vermeinte dafür Camill in der Wagschale ihrer Gunst zu steigen.
Auf Georgs Antliz malte sich lebhafte Ueberraschung und Unwille, als er so unerwartet den Freiherrn an der Spize der feindlichen Reiter gewahrte. Sofort erriet er, was wohl Baron Camill hierbei im Schilde führte. Der Freiherr wußte genau, daß Walter die städtischen Reiter befehligte und konnte sicher nur beabsichtigen, mit seiner überlegenen Reitkunst zu prahlen und ihn in den Schatten zu stellen. Nun erwachte aber der berechtigte Troz in des jungen Bürgers Brust. Baron Camill sollte merken, daß er sich nicht einschüchtern lasse! Zudem entflammte den Jüngling der beredte Gruß, der ihn im Vorbeireiten aus den Augen der Geliebten erreichte, und er gelobte sich, dem übermütigen Rivalen gegenüber seine Haltung zu behaupten. Schnell entschlossen feuerte Georg seine Kameraden, von denen die meisten ebenfalls Baron Camills Absicht durchschaut, zur Gegenwehr an. Die jungen, ohnedem von dem Kampfspiel aufgeregten städtischen Reiter spornten ihre Pferde an und warfen sich im Galopp den Schweden entgegen. Das fam freilich ganz gegen Baron Lindeneggs Erwartung.
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" Zurück da, wenn Ihr nicht über den Haufen geritten sein wollt!" rief er mit laut gellender Stimme den Städtischen zu, hielt es aber doch für geraten, sein Pferd zu zügeln und den Seinigen Halt" zuzurufen. Auch die Glonheimer trachteten im lezten Moment ihre Rosse zu pariren; immerhin aber gerieten die beiden Reitertrupps dicht aneinander. Sofort entspann sich ein lustiges Scheingefecht mit Schwertern und Pallaschen und unter dem jubelnden Beifall der Zuschauer ward das Spiel immer hiziger.
Baron Camill bemerkte mit Mißvergnügen, daß sich Walter vortrefflich zu Rosse hielt, und es drängte ihn unwiderstehlich, den verhaßten Nebenbuhler doch noch zu demütigen. Nachdem er sich zuerst vom Gefecht vornehm ferngehalten, wandte er nun sein Roß zu Georg hin und schrie ihm in übermütig herrischem Ton mit drohend erhobenem Pallasch zu:„ Genug jezt. Plaz da, Ihr Steckenreiter, sonst wird Ernst aus dem Spaß!"
" Oho, ich bin auch beim Ernst zu haben, Herr Baron . Nun weichen wir erst recht nicht, Kameraden!" rief Georg gereizt entgegen. Es zuckte ihm nun doch das Schwert unwillkürlich in der Faust, als er das höhnische Gesicht des Schwedenfeldherrn so nahe bei sich sah. Baron Camill war aufs höchste ergrimmt, daß ihm die geplanten wohlfeilen Lorbeeren entgehen sollten und die Bürgerlichen es wagten, ihm Troz zu bieten.
" Machen wir ein Ende, weg mit Euren alten Mähren !" rief er nun außer sich und versezte Georgs Roß einen Hieb über die Nase, daß dieses, sich hochaufbäumend mit einem gewaltigen Saz zur Seite sprang. Georg gelang es eben noch, sich im Sattel zu erhalten und des Pferdes Herr zu werden. Nach diesem tückischen Angriff war es aber mit des heißblütigen Jünglings Geduld vorbei.„ Das sollen Sie mir bezahlen, wehren Sie Sich!" rief er dem Freiherrn mit geschwungenem Schwerte zu.
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Ueber Baron Camills Antliz zuckte es wie hämische Befriedigung. Nicht umsonst war er sich bewußt, einer der gefürchtetsten Schläger der Hochschule zu sein. Nun gedachte er den Zinngießer doch kalt zu stellen. Was wollen Sie denn; es ist ja alles nur Spaß heute!" erwiderte er mit schneidender Ironie, begann aber sofort mit regelrechten Hieben auf Georg einzubringen. Dieser zeigte sich jedoch seinem Angreifer vollständig gewachsen. Baron Camill ward durch die unvermutete Fechtergewandtheit Walters noch mehr erhizt und unter den
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Augen Mariens schien es ihm jezt förmlich Ehrensache, dem bürgerlichen Gegner falle es aus wie immer- seine Ueberlegenheit zu beweisen. So benüzte er denn rücksichtslos eine Blöße, die Georg darbot und versezte ihm einen Hieb über die Stirne, daß sich eine blutige Schramme darüberzog und der Getroffene einen Augenblick im Sattel wankte. In gerechtem Borne rückte der Jüngling nun auch seinerseits dem Baron mit der Klinge zu Leibe.
Diesen begann aber jezt in der ungewohnten Situation auf dem unruhigen Pferde seine Fechtkunst etwas im Stich zu lassen. Bald gab auch er sich eine Blöße und Georgs Pallasch sauste auf Baron Camills Kopf herab. Der Freiherr wankte eine kleine Weile und sank dann betäubt vom Pferd. Als Georg den Baron fallen sah, stieg er ab und eilte zu ihm hin.
Der ganze Auftritt zwischen Walter und dem Baron hatte sich in weit weniger Zeit abgespielt, als er erzählt werden konnte, und nur die Nächstbeteiligten hatten die ganze Tragweite des improvisirten Zweikampfs durchschaut.
VII.
Mit angstvoller Ueberraschung hatte indessen Marie vom Fenster aus beobachtet gehabt, wie auf einmal Baron Camill an der Spize der feindlichen Reiter erschien. Sie ahnte nichts Gutes von diesem Zusammentreffen und begriff auch wohl von allen Zuschauern zuerst, welcher Ernst sich bald unter dem entbrannten Scheinkampf barg. Als sie nun plözlich merkte, wie Georg, da er den Hieb über die Stirne erhalten, wankte und zu fallen schien, da duldete es sie nicht mehr im Hause. Aller Rücksichten vergessend eilte sie aus dem Zimmer des Erdgeschosses hinaus. Eben als Marie die Straße betrat, ertönten verworrene Schreckensrufe an ihr Dhr:„ Er ist tot!"„ Erschlagen hat er ihn!"
„ Wer ist tot? Mein Georg- o barmherziger Himmel, laßt mich zu ihm!" entrang es sich in markerschütterndem Aufschrei des Mädchens Brust und sie flog auf die Gruppe zu, die sich um Baron Camill gebildet. In diesem Augenblick aber schlug dieser die Augen wieder auf und begann sich aufzurichten. Jezt erblickte Marie auf einmal auch den Geliebten aufrecht stehend und ersichtlich nur leicht verlezt. Georg, o Gott sei Dank, du lebst, du bist nicht schwer verwundet?" fragte Marie in stürmischer Haft und stürzte auf ihn zu. Betroffen und doch hoch beglückt nahm der Jüngling ihre Hand.„ Beruhige dich, Marie, mir ist nichts geschehen; auch der Baron ist nicht ernstlich verlezt. Aber um Gotteswillen, fasse dich herzliebste Marie," sezte er leiser hinzu." Ich will dich nach Hause zurückbegleiten!"
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„ Ja ja, du hast recht, Georg. Ach, was habe ich getan!" erwiderte das Mädchen, wie aus schwerem Traum erwachend.
Eben traten auch der Brauer und Baron Edgar von Lindenegg hinzu, welche, als sie Camill stürzen sahen, erschrocken hinter Marie aus dem Hause geeilt waren und deren verräterischen Angstruf noch gehört hatten.
" Du gehst augenblicklich zu der Mutter ins Haus zurück!" schrie der Brauer, außer Fassung gebracht, seine Tochter an. Jezt kam aber auch Frau Hofmaier in atemloser Bestürzung über diesen Auftritt herbei, und Marie folgte wie geistesabwesend der Mutter ins Haus.
Inzwischen hatte sich Walter wieder dem Baron Camill genähert, welcher nunmehr, auf seinen Vater gestüzt, aufrecht stand. Er blutete nicht einmal, da der Hieb durch den dicken Hut abgeschwächt worden war und nur eine vorübergehende Betäubung verursacht hatte. Nur der rechte Fuß war durch den Sturz vom Pferde etwas verstaucht, sodaß Baron Camill hinkte.
Da Georg den Freiherrn in der jämmerlichen Verfassung sah, die prächtige Feldherrntracht beschmuzt und staubig, und er nun doch seine Satisfaktion genommen, so regte sich wieder sein gutes Herz, und er gewann es über sich, Camill anzureden: „ Es tut mir leid, Herr Baron, daß ich Sie so hart getroffen, aber Sie wissen selbst am besten, daß es meine Schuld nicht allein war!" Baron Camill blickte erbost auf. Ingrimm und Beschämung über seine Niederlage verblendeten ihn vollends.