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„ So habe ich nicht etwa nur im Scherz gefochten? Sie müssen es ja alle gehört haben, wie ich laut ausgesprochen, daß es nur Scherz sein sollte!" wandte er sich zu den städtischen Reitern.
Diese offenbare Verdrehung der Wahrheit ließen sich aber Georgs Freunde in ihrer gerechtfertigten Aufregung nicht bieten. „ Der Baron hat uns verhöhnt, hat uns Steckenreiter geschimpft!" „ Er wollte uns förmlich über den Haufen reiten!"" Ja, und er hat zuerst ohne Grund Walters Pferd über die Nase gehauen, daß es ihn abwerfen sollte!"
So erschollen von allen Seiten gereizte und drohende Ausrufe durcheinander; nur Georg erachtete es unter seiner Würde, dem Freiherrn gegenüber noch ein Wort zu verlieren.
Hofmaier hielt es jezt für geraten, dazwischenzutreten.
, Laßt es einstweilen gut sein, die Sache wird sich schon noch aufklären. Vor allem bedarf der Herr Baron der Ruhe," sagte er beschwichtigend. Hierauf lud er die beiden Freiherrn ein, in sein Haus zu treten und führte sie in ein Zimmer des Erdgeschosses. Gegen Baron Camill blieb der Brauer etwas furz angebunden. Hatte er doch selbst genau beobachtet, daß die jungen Leute Recht hatten und der Baron allein die Schuld an dem leidigen Vorfall trug.
Der herbeigeeilte Arzt, welcher ebenfalls mit ins Haus getreten war, überzeugte sich rasch, daß Baron Camill nur unerheblich verlezt sei und entfernte sich dann wieder. Auch Hofmaier empfahl sich für kurze Zeit, da er als Vorstand des Komitees das verabredete Trompetensignal zur völligen Beendigung des ihm so verhängnisvoll gewordenen Spiels anzubefehlen hatte.
Raum waren aber die beiden Lindenegg allein, so sezte Baron Edgar seinen Sohn in Kenntnis von der leidenschaftlichen Art, womit Marie in Täuschung über den Ausgang des Kampfes befangen, offen vor aller Welt ihre Liebe zu dem Zinngießer verraten hatte. Es bedurfte nur weniger Worte zwischen Vater und Sohn, um sie übereinzubringen, was jezt der einzig richtige Weg schien. Als Hofmaier wieder ins Zimmer zurückkehrte, in denkbar höchster Verstimmung über die unausbleiblichen peinlichen Erörterungen, nahm Baron Edgar mit steifer Förmlichkeit das Wort:„ Nach allem, was heute vorgefallen, werden Sie begreiflich finden, Herr Hofmaier, daß ich mich zu meinem Bedauern genötigt sehe, von der beabsichtigten Verbindung meines Sohnes mit Ihrem Fräulein Tochter abzusehen."
Baron Camill sezte mit bitterer Ironie hinzu:" Ich hatte doch Recht, als ich damals meinte, Fräulein Marie liebe es, Komödie zu spielen. Diesmal war es freilich mehr Tragödie. Fräulein Marie hat die Rolle des Zinngießerliebchens mit einer Glut und Naturwahrheit gespielt, um die sie jede Schauspielerin beneiden könnte."
Ueber Baltasar Hofmaiers Antliz zog es jezt wie ein drohendes Gewitter herauf. Er pflanzte sich in seiner ganzen Körperfülle dicht vor dem jungen Baron auf und rang etliche Sefunden, um die nötige Luft für seine Worte zu finden.„ Wer ist denn Schuld an dem ganzen Standal," stieß er endlich hervor,„ als Sie, Herr Baron, mit Ihrem höhnischen Wesen, das den Sanftmütigsten zur Wut reizen könnte! Ich habe recht wohl mit meinen eigenen guten Augen gesehen, daß Sie absichtlich den Georg Walter gereizt. Es wäre Ihnen, scheint es, gar nicht darauf angekommen, wenn sich der junge Mensch den Hals gebrochen, als Sie durch den wohlüberlegten Schlag sein Pferd schen machten. D, mir ist es nun ganz recht, daß alles so gekommen. Für meine Marie ists jedenfalls so am besten, und auch für mich wird es gut sein, wenn ich mich den Herren empfehle!" Damit eilte der Brauer, der sich an der Grenze jeder Mäßigung fühlte, aus dem Zimmer. Baron Camill zuckte höhnisch mit den Achseln, nagte frampshaft an der breiten Unterlippe und sagte nur:" Willst du nicht den Wagen zur Heim fahrt bestellen, Papa; mir fällt das Gehen zu schwer. In diesem Hause dürfen wir keine Minute länger als nötig verweilen."
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Bald darauf führte die Equipage die beiden Freiherren durch das fröhliche Festgewimmel, dem sie keinen Blick mehr schenkten, nach Schloß Moosach zurück. Der Brauer stand in seiner Stube am Fenster und blickte dem davonrollenden Wagen mit sehr gemischten Gefühlen nach, aus deren Wirrsal sich doch als befriedigendes Ergebnis herausschälte, daß er im Herzen froh war, mit Baron Camill- gut oder übel auseinander gekommen zu sein. Wenn er freilich an den Auftritt dachte, den seine eigene Tochter auf öffentlicher Straße gespielt, da fühlte sich der stolze Brauherr im innersten Kern seines Wesens erschüttert und beschämt. Herrn Baltasar erschien es wie eine Erleichterung, als jezt mit sorgenvoller Miene seine getreue Lebensgefährtin hereintrat, die einzige Seele, vor welcher er in dieser schweren Stunde sein Herz ausschütten durfte. Der sonst so herrische Mann war wie gebrochen und schenkte dem verständigen Zuspruch und Rat seiner Gattin eine ungewohnte, wie hülfesuchende Aufmerksamkeit.
Auf dem Marktplaz hatten sich indessen Schweden und Glonheimer wieder geordnet und zogen mit flingendem Spiel auf den Biwakplaz, wo das Fest erst recht seinen fröhlichen Abschluß finden sollte. Die heiteren Weisen des kriegerischen Marsches schnitten Marie, die einsam in ihrer Stube saß und vor sich hinstarrte, tief ins Herz. Welch schmerzlichen Gegensaz boten der allgemeine Jubel und ihr eigenes festliches Gewand zu ihrer hoffnungslosen Stimmung und dem Bangen, womit sie der Begegnung mit ihrem Vater entgegensah. Sowie Marie den Vater kannte, mußte sie von seiner rücksichtslosen Heftigkeit das Schlimmste befürchten.
VIII.
Im schwedischen Lager neben Hofmaiers weitbekanntem Sommerfeller entfaltete sich bald ein buntbewegtes Leben. Es stand hier den Glonheimern ein Festplaz von entzückender Schönheit zur Verfügung: Ein sanft ansteigender Wiesenplan gewährte über das in anmutigem Wechsel von Baumgruppen, Wäldern, glizernden Gewässern und grünen Hügeln belebte Borland einen weitumfassenden Blick auf die in bläulichem Duft schim mernde Bergkette. Auf der einen Seite der Wiese zogen sich malerisch angeordnete Zelte hin, von denen die in den Boden gepflanzten schwedischen Banner lustig im frischen Ostwind flatterten. Hinter den Zelten waren die Geschüze, Waffen und Rüstungen der lagernden Schweden in künstlerischer Gruppirung zusammengestellt. Die Städtischen hatten ihre Waffen schon am Eingang der Wiese niedergelegt. Friedlich saßen jezt die Streiter in bunter Reihe beisammen und kühlten ihre kampferhizten Leiber und Gemüter mit Hofmaiers vortrefflichem Gerstensaft. Neben den kleidsamen Kostümen der schwedischen und glonheimischen Wehrleute und deren Frauen und Töchter, erfreute noch das Auge manch frische Dirne und mancher fernige Bursche in der schmucken, leider immer seltener werdenden Tracht der Berge. Was sonst noch an neugierigem Volk in der einförmigen Allerweltskleidung umherwimmelte, diente wenigstens als dunkle Folie für die farbenfreudigen Gewänder.
Gegenüber den Zelten war eine Reihe von Schenkbuden aufgeschlagen, worin flotte Marketenderinnen Schweden und Glonheimer, sowie die zahlreichen Festgäste mit gleich freundlicher Emsigkeit bedienten.
Unter den Angehörigen des Städtchens bildeten die merk würdigen Vorkommnisse bei dem Reiterangriff zunächst den ausschließlichen Stoff aller Gespräche, welche um so freier geführt werden konnten, als die Familie Hofmaier nicht auf dem Festplaze erschien. Allgemein fand das gewalttätige und tückische Verhalten des Baron Camill von Lindenegg Verurteilung und die meisten billigten die wohlverdiente Büchtigung, welche ihm der beherzte Walter gegeben. Ueber das überraschende Auftreten der sonst so zurückhaltenden Brauermarie waren die Meinungen geteilt. Im allgemeinen hatte der seltsame Auftritt verblüffend auf die Glonheimer gewirkt. Die kühler denkenden älteren Leute schüttelten bedenklich die Köpfe und meinten, Hofmaiers Marie sei eben doch, wie sich heute gezeigt, durch ihre vornehme Er