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Akatoliken"( Nichtkatoliken) Bürger werden können, wenn sie das Bürgergeld bezahlen, was die Afatoliken wie Katoliken hübsch bleiben lassen. Denn mit der Naturalisation ist eben noch manche Pflicht verbunden, von der man sonst verschont bleibt. Auch glauben wir und wahrscheinlich auch die meisten Brasilianer, daß durch eine Massennaturalisation dem verwerfllichen Nepo­tismus der Garaus gemacht wird, und das mag für die Leute erschrecklich sein, denn die meisten leben von der Anstellung; wird die Regierung liberal, so werden alle Beamte, die kon= servativ sind, entlassen, natürlich ohne Pension, ebenso umgekehrt; daher mag es wohl kommen, daß so viele Staatsgelder ver­untreut werden, denn zu einer bürgerlichen Hantirung kann fein Angestellter" sich entschließen.

Nun zu den Verkehrsmitteln! Diese sind für einen Ackerbau­staat von hervorragendster Wichtigkeit, doch ist es damit hierzu lande noch ziemlich traurig bestellt, ebenso traurig wie in mancher Nachbarrepublik, vielleicht Argentinien   und Chili ausgenommen. Daß hierin die Regierung sowie Private den besten Willen zeigen, sei unbestritten. Dennoch geht die Ausführung ange­fangener Bauten in wahrem Schneckengange vorwärts.

Heute wird ein Gebäude auf Regierungskosten angefangen, es wird feierlichst der Grundstein gelegt mit dem stets un­vermeidlichen Raketengeknatter, denn ohne dieses kann sich der Südamerikaner überhaupt kein Fest denken, und morgen schon bleibt alles liegen bis die Regierung wieder Geld schickt. Daß man diese unverantwortliche Gleichgültigkeit auch bei Eisen­bahn und Straßenbauten nicht überwindet, läßt sich durch nichts rechtfertigen. Nach brasilianischer Sitte wird mitten im tiefsten Urwald eine Kolonie anzulegen beschlossen und auch an­gelegt, abgeschnitten von aller Welt, ohne Weg und Steg. Nie­mand fümmert sich darum; die Kolonisten werden zunächst auf Regierungskosten dort hingeschafft und unterhalten; haben sie endlich etwas zu verkaufen, dann tritt die Notwendigkeit eines Verkehrsweges grell vor Augen, und nun wird alle mögliche Abhilfe versprochen, allein das Versprechen keineswegs so schnell ausgeführt. So kennen wir hier in der Provinz die Kolonie Assungy, die vor 14 Jahren angelegt wurde und heute noch feine Fahrstraße von dort hierher besizt. Trozdem dort das Trozdem dort das Land vorzüglich ist und die Kolonisten alle Bedürfnisse in Masse bauen, so kommt der Transport per Maulesel hierher nach Curitiba   fast teurer als der Preis der Waare ist; und so ist es fast mit allen Kolonien. Projekte, ja, die schwirren massen­haft in den Köpfen herum, aber die Ausführung läßt eben verdammt lange auf sich warten. Die Eisenbahnen, selbst die, bei denen die Regierung die Zinsgarantie übernommen hat, schreiten im Bau äußerst langsam vorwärts, und so lange in dieser Richtung nicht die praktische Art der Nordamerikaner nachgeahmt wird, solange wird Brasilien  , troz seiner Natur­reichtümer blos vegetiren. Erst dann, aber auch nur dann wenn die fruchtbaren und für europäische Kolonisation geeigneten Ländereien der vier Südprovinzen mit allen modernen Verkehrs­wegen versehen sein werden, ist Brasilien   in die ersten Reihen der Kulturstaaten zu stellen.

Vollständige Aufhebung der Sklaverei wird hier seit langem angestrebt, und welcher Menschenfreund stimmte nicht mit Freuden ein! Obgleich nun bis zum Jahre 1890 alle in Brasilien   lebenden Sklaven frei sein sollen, steht dennoch der Sklavenhandel zwischen verschiedenen Provinzen in Flor; die Provinzialassembleen( Land­tag) tun ihr möglichstes, um dies zu verhindern; so erhebt die Provinz Amazonas   für jeden einzuführenden Sklaven einen Zoll von 2 Kontos de Reis(= 400 Mark), Parana 1 Konto, Rio Grande do Sul   500 Milreis. Wahrlich eine teure Waare, diese Neger in Brasilien  , wird sich in Deutschland   mancher Kohlenwerks­und Webereibesizer, mancher Ritterguts- und Fabrikbesizer denken, wahrlich, teuer, können wir hier um­sonst haben wie teuer und wenn das blos Zoll ist kommt denn dann so ein Kerl von Arbeiter? Nun oft bis 3 Konto( 6000 Mark) und darüber. Es soll keineswegs ge­leugnet werden, daß auf den großen Plantagen im Innern die Reger noch bei schwerer Arbeit argen Mißhandlungen ausge­

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sezt sind, aber die Haussklaven in den Städten sind besser daran als mancher deutsche Dienstbote. Fern sei es von uns, der Sklaverei das Wort zu reden, allein ist diese einmal voll­ständig beseitigt, wird mancher Neger elend zu Grunde gehen, denn brutale Behandlung und Verrohung, welchen diese Aermſten zum Teil ausgesezt sind, haben sie nicht das Glück der Selbst­ständigkeit kennen gelehrt und so unter das Vieh herabgedrückt. Von Haus aus sind die Neger durchaus gutmütige Menschen, aber der Egoismus des weißen Menschen, der selbst zur Arbeit zu faul, sieht in dem Schwarzen sein Lasttier und schämt sich nicht, vom Schweiße des tiefverachteten Negers zu leben. Wir fennen sogar Deutsche  , die sich ihre Sklaven faufen und ge­legentlich verkaufen. Lobend müssen wir hier eines Strikes gedenken, der vor wenigen Monaten unter den Sezern in Ceara, Hauptstadt der gleichnamigen Nordprovinz, ausbrach, dort sollten Artikel in den Blättern gegen die Abolitionisten veröffentlicht werden, allein die Sezer weigerten sich, die Schmähartikel zu sezen und die Sache unterblieb zum großen Aerger der Zeitungs­besizer, denn die Herren Sklavenbarone sind eine noble Kund­schaft und bezahlen solche Artikel sehr gut. Diese Sezer sind durchweg Brasilianer, die noch keine Ahnung von der Solidarität der Arbeit haben und sich von rein philantropischen Ansichten zur Einstellung der Arbeit bewegen ließen.

Schon hält man Umschau nach anderen Arbeitskräften für die Zeit, daß die Sklaverei ganz aufgehoben sein wird, vor allem sind Chinesen vorgeschlagen und auch schon in der Provinz Rio versuchsweise eingeführt worden. Manche Zeitung ist voll des Lobes über die Anstelligkeit der bezopften Söhne des himmli­schen Reiches.

Wir zweifeln nicht im mindesten, daß sich die Chinesen als gute Kolonisten für die Nordprovinzen, Rio mit eingerechnet, bewähren würden, denn Klima und Lebensweise eignen sich für diese Leute, aber wie es den Anschein hat, sollen die Chinesen durch Kontrakte" auf den großen Landgütern und in den Städten gebunden werden, so daß die schwarze Sklaverei ab­geschafft, die gelbe dagegen eingeführt würde, denn in der Tat wäre das Verhältnis dasselbe, nur die Form eine andere. In den Guano- und Salpeterwerken in Peru   sind die dort ar­beitenden Chinesen allen möglichen Mißhandlungen ausgesezt, müssen sich Lohnabzüge, Kontraktbrüche, Prügel u. dgl. gefallen lassen. Dies alles würde sich hier gewiß auch wiederholen. Als freie Kolonisten, als wirkliche Ackerbauer, die sich Land er­werben und dasselbe behalten und bebauen, würden wir eine Einwandrung von Chinesen für die Nordprovinzen billigen. Die Provinzial- Assemblée von Sao Paulo   läßt jezt Einwanderer von den kanarischen Inseln hierherkommen, welche im Innern dieser Provinz als Kolonisten, vorzüglich für Kaffeebau ver­wendet werden sollen. Alle andere Einwandrung unterbleibt, doch soll, wie ich neuerdings erfahre, der Vertrag zwischen der Regierung und dem Hamburger Kolonisationsverein von 1849 auf ein Jahr erneuert werden. Darob großer Jubel in Israel  und Dona- Franziska. Sollte die jezige liberale" Regierung dabei verharren, nicht bald einer Masseneinwandrung mit allen möglichen Bemühungen für das Wohl der Einwandrer die Wege zu ebnen, so wird dieses ungeheure Land, welches nur 1/5 kleiner ist als ganz Europa  , davon den empfindlichsten Schaden haben, denn der eingeborne Brasilianer, der im Urwalde sizt, hat die allerwenigsten Bedürfnisse, aber auch den größten Ekel vor der Arbeit. Er sizt beim Feuer in seiner Hütte, dreht sich eine Maiszigarette um die andere und bekümmert sich um niemanden. Alle diese Leute sind arm, arm durch grenzenlose Faulheit, und da eine liberale Regierung auch ein liberales Wahl­gesez haben muß, hob die jezige den von den Konservativen herrührenden Wahlmodus auf und stellte einen neuen fest, nach welchem jeder Wähler des Lesens und Schreibens mächtig sein sowie ein gewisses Einkommen nachweisen muß. Durch dieses nichtswürdige Verfahren wurde fast ½ der früheren Wähler ausgeschlossen, ausgeschlossen damit sich die Liberalen halten können. Als Grund führte die Regierung an, man wolle das Kaufen der Stimmen hindern. Gekauft wurden die Stimmen

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