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men verstehen. Dabei ging es ihm, wie allen glückgewöhnten Ehrgeizigen, deren Scharfsinn nicht noch größer ist als ihre gewaltige Eigenliebe, als ihn die Weihrauchwolken des Ruhms umwogten, als ihn die Horde der Schmeichler, der Schwachköpfe und Urteilslosen für den gottbegnadeten Führer im Reigen der Geister ausrief, da meinte er nicht mehr, daß er mit dem Strome der Zeit geschwommen, sondern daß dieser mit ihm, ihm nachgeflossen sei. Er wähnte schließlich, er sei Er wähnte schließlich, er sei der Gesezgeber deutscher Sprache und Literatur, und wollte jeden züchtigen und vernichten, der seine Oberhoheit nicht an­erkannte nicht in seine Fußstapfen trat.

Daher der grimmige Kampf gegen Gottsched, daher seine baldige notwendige Niederlage, daher all der Spott und Schimpf, der bergehoch über dem Manne zusammenschlug, so daß heute noch die meisten, welche von ihm etwas wissen, verächtlich die Achseln zucken, wenn sein Name erwähnt wird.

Wer sich jedoch ernstlich und vorurteilslos mit deutscher  Literatur und Sprache befaßt, wird ihm erhebliche Verdienste nicht absprechen können. So ist denn eben auch seine 1748 erschienene Grundlegung einer deutschen Sprachkunst, Nach den Mustern der besten Schriftsteller des vorigen und jezigen Jahr hunderts abgefasset" das bedeutsamste Wert seiner Zeit und auf seinem Gebiete.

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Aufgebaut auf tüchtigem Studium auch der älteren Sprach­quellen brachte dieses Buch die deutsche   Sprachwissenschaft in enge Verbindung mit der gesammten Literatur und erschloß der ersteren damit in der Tat den Born, aus dem allein ihr stets frisches Leben zuströmen und fröhliches Gedeihen erblühen konnte.

Dabei drang Gottsched   mit größter Entschiedenheit auf Rein­heit der Sprache, auf Klarheit und Deutlichkeit in der Dar stellung, wie auf Würde des Ausdrucks und traf ebensowohl die Sprachmengerei als den gelehrten Periodenbau und den Unfug der Häufung bildlicher Ausdrücke mit seinem Verdam­mungsurteil.

Freilich lag es in seinem Wesen, daß er da, wo er Schranken niederriß und Unrat entfernte, schleunigst neue Grenzen zog und neuen Staub zusammenfehrte.

Die früheren Grammatiker hatten sich auf Luther  , als die vornehmste Duelle neuhochdeutscher Sprache, mehr und mehr beschränkt; Gottsched   wählt sich nicht den einen besten Schrift­steller, sondern die besten zu Mustern, aber die besten des vorigen und jezigen Jahrhunderts", d. h. die Literatur von noch nicht anderthalb Jahrhunderten, und schließt von den Mustern den bis dahin zweifellos fruchtbarsten neuhochdeutschen Schrift steller, Luther   selbst, ausdrücklich aus.

Luther  , wie überhaupt alles, was vor Martin Opig, dem gleich Gottsched, nur viel längere Zeit, toll überschäzten schle­sischen Schwan", gedichtet und geschrieben wurde, war Gott­sched zu rauh, nicht lieblich" und wohlklingend genug, und wurde deshalb zu den Akten der Sprachgeschichte gelegt.

Daneben erhob Gottsched   den zu Ende des 17. Jahrhun­derts schon zu einigem Ansehen gelangten, im Grunde komischen Aberglauben, das Neuhochdeutsche sei eigentlich nichts weiter als der meißnische" Dialekt, zu einer sprachwissenschaftlichen Grund­wahrheit.

Der oben flüchtig erwähnte Kaspar von Stieler   hatte seinen 1691 zu Nürnberg   erschienenen Sprachschaz" dem Herzog Anton Ulrich von Braunschweig mit einer Zuschrift gewidmet, in der er von den Chursächsischen Städten" phantasirt, wo­rinnen die Hechteutsche Sprache glücklich geboren, glücklicher erzogen und aufs glücklichste ausgeziert und geschmücket worden, auch noch täglich einen erneuerten und mehr lieblichen Glanz empfähet; Ich meine das prächtige Dresden   und heilige Witten­ berg   und das Süßeste aller Städte, Leipzig  , welches auch von ihrem Sprachenzucker, dem sonst salzichten Halle solch eine milde Beysteuer verehrt, daß es sich seiner Lehrlingschaft zu schämen nimmermehr Ursach finden wird."

Troz dieses Redezuckerwassers glaubte nun Stieler schließ­lich doch selber nicht daran, daß die neuhochdeutsche Sprache eine Mundart sei; vielmehr war sie ihm, wenn er sich die Sache

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recht überlegte, eine durchgehende Reichshaubtsprache"; Gott­ sched   aber machte mit der Erhöhung des meißnisch- sächsischen Redesingsangs zu allein richtigem Deutsch bittern Ernst, aller­dings meint er, der Pöbel" spreche auch in den sächsischen Städten nicht gerade am allerschönsten, trozdem aber hätten wir in Deutschland   ohne Zweifel der chursächsischen Residenzstadt Dresden  , zumal des Hofes angenehme Mundart, mit den Sprachregeln und kritischen Beobachtungen verbinden müssen, die seit vielen Jahren in Leipzig   gemacht und im Schreiben eingeführet worden." Es ist daher auch kein Wunder, daß ,, die Regierung zweener allerdurchlauchtigster Auguste billig das goldne Alter unsrer Sprache genannt zu werden verdient."

Wie Gottsched   sich damit arg auf dem Holzwege befand, war zu jener Zeit so wenig offenbar, daß noch der nach ihm kommende größere deutsche   Grammatifer Adelung ganz seiner Meinung war.

Ehe wir jedoch zu dem Nachfolger Gottscheds übergehen, werden wir gut tun, einen Blick auf die Fortschritte zu werfen, welche bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts die deutsche Sprache auf den Unterrichtsanstalten gemacht hatte.

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als

Wir haben oben darauf hingewiesen, daß Gottsched  Grammatifer nicht minder wie als Dichter und Kunstkritiker mit dem Strome schwamm. mit dem Strome schwamm. In Wahrheit begann sich endlich in den lezten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts das geistige Leben in Deutschland   wieder reger zu gestalten, sich wesentlich zu vertiefen und auf weitere Voltskreise zu verbreiten. Damit wuchs das Bedürfnis, die Muttersprache gründlich kennen zu lernen und mit ihrer Hilfe Eingang in das Reich der Wissen­schaft zu erlangen. schaft zu erlangen. Dieses Bedürfnis erkannten einsichtige und weitblickende Gelehrte als berechtigt und unterſtüzens­

wert an.

Im Jahre 1684 war es noch ein gewaltiges Wagnis, eine Universitätsvorlesung in deutscher Sprache zu halten, wie es der wackere Jurist Christian Thomasius   in Leipzig   unternahm, und gar eine wissenschaftliche Zeitschrift deutsch   geschrieben herauszu geben, war in dem darauf folgenden Jahre ein Unterfangen desselben Thomasius, das ihm notwendig vielseitige heftige Anfeindung eintragen mußte.

Aber schon zwei Jahre später erschien der großes Aufsehen erregende Aufsaz des berühmten Philosophen Leibniz  : Un­vergreifliche Gedanken, betreffend die Ausübung und Verbeßrung der teutschen Sprache", worin er unter andern offen erklärte, daß die deutsche Sprache nicht etwa deswegen irgend einer andern nachstehe, weil sie durch den Gebrauch im Volte nicht genügend ausgebildet sei, sondern nur deswegen, weil sie von den höhern Ständen und besonders den Gelehrten so gröblich vernachlässigt worden sei.

Diese den Nagel auf den Kopf treffende Einsicht griff nun rasch um sich, also daß schon um 1711 bereits die meisten Professoren der Universität Halle ihrem Rektor- das war inzwischen der wegen seiner Freisinnigkeit von Leipzig   vertriebene, dafür aber von dem preußischen Könige in Schuz und Anstellung genommene Thomasius geworden im Gebrauche der deutschen Sprache bei ihren Vorlesungen nacheiferten.

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Und ebenso wie in Halle, wo auch der bekannte Gründer des Waisenhauses August Hermann Franke   für die Vermehrung der deutschen Sprachkenntnisse wirkte, brachte sich allerorts an den hervorragendsten Stätten deutscher   Jugendbildung die deutsche Sprache mehr und mehr zur Geltung.

In Braunschweig   bemühte sich der verdienstvolle Rektor der Katarinenschule Johann Andreas Fabrizius darum, in dem berühmten Schulpforte tat es der Kollega Salomon Hentschel, in Berlin   die bereits erwähnten Rektoren Bödiker und Frisch, an der Hamburger Johannisschule der Kollega Hermann Wajer, in Zeiß der Pastor Joh. Gottl. Vorsatz, auf der Schule zu Nürnberg   der Rektor Feuerlein, in Marbach a. d. Mosel der Rektor Johann Jakob Schahz 1. v. a. m.

Als nach alledem die tatkräftige, von übermäßigem Selbst­gefühl geſtachelte Tätigkeit Gottscheds und seiner Anhänger