unruhig geschlummert, als süße Ruhe sie endlich überkam, und das sanfte Lächeln ihres Gesichts erkennen ließ, daß ein Traum heitere Bilder an ihrer Seele vorüberführte. Mit den ersten Sonnenstrahlen erwacht, sprang sie von ihrem Lager empor, um nach einem Blicke auf ihre Umgebung in heiße Tränen aus­brechend auf dasselbe zurückzusinken.

" D, Jenny" sprach sie endlich, ich hatte einen so be­seligenden Traum. Ich sah meine beiden Knaben im Sonnen­scheine den Hügel herabkommen, Douglas und August! Aber sie werden nie wiederkehren," rief sie gramerfüllt.

So lag sie lange Zeit weinend auf dem Lager in tiefstem Schmerze, den das schöne Traumbild erneuert. Endlich erhob sie sich:

" Deffne das Fenster Jenny, damit ich den Hügel im Sonnenlichte sehen kann!"

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So stand sie lange, das liebliche Bild der sonnigen Land­schaft betrachtend.

Es ist alles so, wie im Traume," hub sie an, das gol­dene Kornfeld auf der einen Seite, dort der düstere Föhren­wald, der Himmel blau und so herrlich darüber in rosigem Scheine die Wolken, das freundliche Sonnenlicht über die ganze Landschaft ausgegossen, und Landschaft ausgegossen, und dort, Jenny! und dort, gütiger Gott Gott   meine beiden Knaben!"

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Nach wenigen Tagen begab sich Frau Lindsay mit den Wiedergefundenen nach New- York   und kehrte nach Beendigung des Krieges zu ihren Verwandten nach Schottland   zurück. In der frischen Luft des Hochlands kräftigte sich die zarte Gesund­heit des fleinen August mehr und mehr, und damit verschwand auch bei dem Knaben die geheimnisvolle Gabe des zweiten Gesichts."

Karl Marx  .

( Porträt S. 385.)

Im fernen nebligen London  , im freiwilligen Exil, ist der berühmte Nationalökonom gestorben, dessen Wiege an den sonnigen Ufern der Mosel   gestanden. Er hatte sich in das englische Wesen eingelebt und wollte nicht mehr in das alte Vaterland zurückkehren, dessen politische und ökonomische Zustände er so oft mit großer Schärfe kritisirt hatte. Manchmal mag ihm das Exil bitter erschienen sein. Er wollte unab­hängig bleiben, und dazu war für diesen Mann und diesen Geist Alt­England allerdings geeigneter denn Neu- Deutschland.

Das Urteil der Zeitgenossenschaft insgesammt über Karl Mary ist sicherlich noch kein abgeschlossenes wie bei denen, die ihm näher ge­standen haben; zweifellos aber wird die Zukunft erkennen lassen, wie bedeutend die Wirksamkeit und der Einfluß dieses merkwürdigen Mannes gewesen sind. Mary ging ganz und gar seinen eigenen Weg, und daher mag es zu einem großen Teil gekommen sein, daß ihm so viele Feinde in allen politischen Lagern erwuchsen. Aber mit seinen Feinden wuchs auch seine eigene Bedeutung, wie dies immer geht. Er konnte sich bei seinen Lebzeiten einmal einen der bestgehaßten Männer nennen. Nun er gestorben, hat er auf allen Seiten ein wohlwollendes Urteil gefun­den, wohlwollender, als er wohl jemals selbst erwartet hatte.

Karl Mary wurde am 2. Mai 1818 zu Trier   geboren als der Sohn eines preußischen Advokaten( nicht Oberbergrats), der vom Juden­tum zum Christentum übergetreten war, weshalb auch Karl Marx  häufig als Jude" bezeichnet wurde. Der junge Mary studirte Philo­sophie und Nationalökonomie, konnte sich aber nicht entschließen, in Staatsdienste zu treten. Er strebte vielmehr nach einer unabhängigen politischen und literarischen Tätigkeit. 1841 erschienen von ihm in der Rheinischen Zeitung  " zu Köln   eine Reihe von Artikeln, die ungemeines Aufsehen erregten. Sie behandelten zwar nur die für die Masse nicht sehr interessanten Verhandlungen des Provinziallandtags der Rhein­ provinz  , aber die Schärfe und Kühnheit, mit der sie geschrieben waren, trugen einen solchen Reiz der Neuheit an sich, daß man überall von diesen Aufsäzen sprach. Auch die Regierung wurde auf die Artikel aufmerksam und die" Rheinische Zeitung  " hatte schwere Verfolgungen zu bestehen.

Dem jungen Mary wurde es bald in Deutschland   zu enge und er begab sich nach Paris  , wo er mit Arnold Ruge   und Heinrich Heine  befreundet wurde. Er beteiligte sich mit diesen an literarischen Unter­nehmungen( deutsch  - französische Jahrbücher 2c.), wurde aber im Jahre 1845 mit einem Ausweisungsbefehl seitens der französischen   Regierung bedacht. Von Paris   ging Mary nach Brüssel  . Um diese Zeit erschien Um diese Zeit erschien auch seine Streitschrift gegen Proudhon, welcher leztere eine Philosophie des Elends" herausgegeben hatte und dem Mary nun mit einem beißenden Elend der Philosophie  " antwortete.

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1848 fehrte Mary, der auch in Belgien   von politischen und behörd­lichen Verfolgungen keineswegs verschont geblieben war, nach Deutsch­ land   zurück und ließ sich in Köln   nieder, wo er mit einer Anzahl von gleichgesinnten jungen Männern die ,, Neue Rheinische Zeitung  " heraus­gab. Dieses Blatt, zu dessen Mitarbeitern u. a. Friedrich Engels  , Ferdinand Freiligrath  , Schapper, Rittinghausen und Dronke zählten, nannte sich ,, Organ der Demokratie", stand aber durch seinen äzend scharfen Inhalt im Gegensaz zu allen andern Parteien. Die Angriffe der Neuen Rheinischen Zeitung  " gegen die Regierungen und das Frankfurter Parlament  ( auch gegen die Linke desselben) erregten viel Aufsehen. Die Regierung ließ das Blatt verfolgen, doch ohne etwas zu erreichen. Als im Mai 1849 über Köln   der Belagerungszustand verhängt wurde, verbot ein Gouvernementsbefehl die ,, Neue Rheinische Zeitung  ". Mary, dessen Stellung nunmehr unhaltbar geworden war, verließ Deutschland  , um in Paris   seinen Aufenthalt zu nehmen. Von dort abermals ausgewiesen, ging er nach London  , wo er zunächst wieder seinen nationalökonomischen Studien oblag. Bald darauf erschien auch seine Schrift: Der 18. Brumaire Louis Napoleon Bonapartes  ", in

welcher Napoleon   und sein Streben nach der Alleinherrschaft einer äußerst bitteren Kritik unterzogen wurden.

Als erste Frucht der nationalökonomischen Arbeiten von Mary erschien 1859 ein Buch, betitelt: Zur Kritik der politischen Oekonomie", das namentlich in den Kreisen der Nationalökonomen von Fach ein bedeutendes Aufsehen erregte. Dies Werk enthält eine Menge neuer und scharfsinniger Forschungen und mußte umsomehr das öffentliche Interesse auf sich lenken, als es mit Geist und Kühnheit dem Her= gebrachten in der Nationalökonomie den Krieg erklärte und ganz neue Bahnen, namentlich inbezug auf eine neue Wertteorie, einschlug.

Von diesem Moment an datirt der große Einfluß von Karl Mary auf die Entwicklung der neueren Nationalökonomie. Während man den Politiker Mary auf allen Seiten bekämpfte, gab es nur sehr wenige, die es unternahmen, die Richtigkeit seiner Forschungen und die Be­deutung der von ihm aufgestellten Grundsäze anzuzweifeln. Fast un­bewußt, kann man sagen, folgte die moderne Nationalökonomie den Bahnen, die ihr Mary vorgezeichnet hatte, und heutzutage steht seine Autorität unbestritten da. Es geht häufig so, daß eine Anschauung sich innerlich durchbricht, während sie äußerlich bekämpft wird.

Der wissenschaftliche Ruf von Karl Marx   stieg noch höher, als der erste Band seines Hauptwertes:" Das Kapital, Kritik der politischen Dekonomie," erschien. Dies Werk, das im Jahre 1867 in Hamburg  herauskam, machte noch weit mehr Aussehen, als die früher angeführte sozialökonomische Schrift. Die Forschungen von Mary über die Ent­stehung der Werte waren hier weit mehr ausgedehnt und mit einem großartigen Material belegt; außer den eigentlichen wissenschaftlichen Forschungen enthält das Werk eine in ihrer Art einzige Sammlung von Tatsachen über die Entwicklung der englischen   Arbeiter- und Fabrik­gesezgebung und über die Zustände in der englischen Arbeiterwelt über­Haupt. Man erfuhr zum erstenmal in zusammenhängender Darstellung, wie sich die wirtschaftlich- sozialen Verhältnisse Englands in so eigen= tümlicher Weise entwickeln konnten.

Wenn Mary durch seine politische Tätigkeit sich auch zu einem der bestgehaßten" Männer machte, so blieb doch seine wissenschaftliche Be­deutung auf gleicher Höhe. Seine Forschungen sezte er unermüdlich fort. Der zweite Band seines Hauptwerkes: Das Kapital," das ur­sprünglich auf 3 Bände angelegt war, erschien indessen nicht, trozdem er oft angekündigt wurde. Mary war ein sehr gründlicher Arbeiter und pflegte das von ihm Geschriebene umzuarbeiten, so oft sich ihm andere Gesichtspunkte eröffneten. Dieser Umstand sowie eine mit dem Alter zunehmende Kränklichkeit haben verhindert, daß eine Fortsezung des großen Werkes erschienen ist, ein Verlust für die sozialökonomischen Wissenschaften, den man nur im höchsten Grade bedauern kann.

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Die persönlichen Verhältnisse von Karl Mary waren keine glänzenden, namentlich als in seinen lezten Jahren seine Kränklichkeit überhand nahm. Lange Jahre war er Mitarbeiter der New Yorker Tribüne; später mußte er diese Arbeit aufgeben. Mary war sehr glücklich ver­Heiratet mit Jenny von Westphalen  , der Schwester des bekannten Reaktionsministers, einer liebenswürdigen, hingebenden und mutigen Frau, die alle Stürme seines Lebens tapfer mit ihm bestanden hat. Sie starb vor ihm, und der Verlust der treuen Gefährtin, sowie einer seiner drei Töchter, drückte Marg in seiner lezten Lebenszeit so sehr nieder, daß die Aussicht auf eine Erholung immer mehr schwand. Am 14. März ist Karl Marx   zu London   gestorben.

Mary war eine durchaus liebenswürdige Persönlichkeit und im Umgang keineswegs gallig", wie man aus seinen Schriften hat schließen wollen. Dabei war er ein musterhafter Gatte und Bater. Was man in allen Kreisen über seine politischen und sozialen Anschauungen auch denken mag die Achtung und Anerkennung hat diesem großen Geiste voll Fleiß und Schaffenskraft an seinem Grabe sein Jahrhundert nicht versagt.

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