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Die Ausgrabungen auf dem Forum Romanum in Rom. ( Illustra tion 1. S. 373.) Was in unseren Städten der Marktplaz ist, das war den alten Römern ihr Forum. Fast jede Stadt hatte ihr Forum, das die Gestalt eines länglichen Vierecks hatte und teils zum Verkehr, teils zu öffentlichen Verhandlungen diente. Die Stadt Rom hatte mehrere Fora, unter denen das älteste und größte das Forum Romanum war, der Mittelpunkt des römischen Lebens, die erinnerungsreichste und be­deutendste Stelle der antiken Welt. Es zog sich nordwestlich vom Fuße des palatinischen Hügels als ein längliches nach Osten sich verjüngendes Rechteck. Schon Tarquinius Priskus ( der fünfte unter den sieben Königen Roms) ließ nach Livius um dasselbe Hallen anlegen, zwischen denen dann Kaufleute ihre Buden und Gewölbe( tabernae), besonders die Wechsler ihre Wechselbuden oder Tische( argentariae oder mensae) auf­schlugen. Im Laufe der Zeit wurde es mit einer Menge von Pracht­bauten umgeben. Auf dem Forum befanden sich außerdem verschiedene kleinere Altäre, alte Denkmäler, zahlreiche Statuen, namentlich in der Umgebung der Rednerbühne. Auf dem Comitium( dem zur Abhaltung der Volksversammlungen bestimmten Teil des Forums) war das Tribunal, die erhöhte Bühne, auf welcher der Prätor zu Gericht saß. Durch diese und andere Bauten wurde der Raum beträchtlich eingeengt, weshalb es bei den hier abgehaltenen Volksversammlungen oft eng genug zu­gegangen sein mag, wie auch bei den öffentlichen Spielen, welche, ab­gesehen von den Zirkusspielen, bis auf die Kaiserzeit auf dem Forum abgehalten zu werden pflegten. Hier brachte auch der vornehme Römer eine bestimmte Zeit des Tages( vor Tische) zu, um Geld- oder Rechts­geschäfte abzumachen, an den gerichtlichen Verhandlungen teilzunehmen, Neuigkeiten zu hören u. dgl. Aber auch der gemeine Römer fand sich da ein, um sich von den Vornehmen um seine Stimme angehen zu lassen, besonders aber um den müßigen Zuschauer abzugeben, nament­lich gegen Abend, wo Wahrsager und andere Gaukler ihr Wesen trieben. Mit dem Verfall der Republik brachen ganz besonders über diesen Plaz die Verwüstungen herein, welche die Völkerwanderung mit fich brachte; das Forum wurde früh vom Schutt der zerstörten Gebäude zugedeckt, fand aber eben dadurch einen freilich traurigen Schuz vor weiterer Zerstörung und eine Möglichkeit einstigen Wiedererstehens. Die Schuttmaffe erreichte allmälich eine Höhe von 8-9 Meter. Alte und neue Gebäude standen wirr durcheinander; was frei blieb wurde zu einem Viehplaz, dem campo vacchino, der den ganzen Tag erfüllt war von den mit Heu, Stroh u. s. f. beladenen Karren der zur Stadt fahrenden Bauern und Hirten mit ihren zerlumpten Jacken und spizen Hüten und nicht widertönte vom Getöse einer Volksversammlung, son­dern vom leidenschaftlichen Geschrei der Moraspieler( mora ital. gerade oder ungerade). Jezt ist der Plaz gesäubert, der aus Lavablöcken und Travertinplatten bestehende Boden ist wieder aufgedeckt; anstatt des campo vacchino lautet die Inschrift zwischen dem kapitolischen und palatinischen Hügel ,, Foro Romano ". Eine systematische Ausgrabung begann am Ende des vorigen Jahrhunderts seit der französischen Offupation. Auch mehrere Päbste zeigten ein lebhaftes Interesse. Im Jahre 1848 wurde die julische Basilika( Basiliken nannte man die großen mit doppelten Säulengängen-Hallen gezierten Prachtgebäude am Forum, die zu Gerichtssizungen und Geschäften der Kaufleute bestimmt waren) aufgedeckt. Eine bedeutungsvolle Epoche dieser Arbeiten datirt vom Jahre 1870, von der Annektirung Roms an Italien , seit welcher Zeit viel erreicht worden ist. Schaut man jezt vom Kapitol aus süd­wärts, so beherrscht man, wie einst in antifer Zeit, die ganze Fülle der auf engem Raum zusammengedrängten welthistorischen Monumente, mit ihrer malerischen Begrenzung durch die dunkelbelaubten Höhen des Palatins zur Rechten, die Ruinenmasse der Konstantinbasilika zur Linken und das gewaltige Rund des Kolosseums im Hintergrund, über welches die blauen Albanerberge herübergrüßen. Vor ungefähr einem halben Jahre ist mit der Wegräumung eines Straßendamms begonnen worden, welcher den vollen Genuß der auf unserer Abbildung dar­gestellten nördlichen, an bedeutenden und malerischen Bauresten beson­ders reichen Forumpartie beeinträchtigte. Hier stehen am Fuße des fapitolinischen Bergs der marmorne Portifus der Zwölfgötter, der Tempel des Vespasian mit seinen drei erhaltenen Säulen und der nur im Unterbau noch vorhandene Konkordiatempel, vor dem lezteren der Triumphbogen des Septimius Severus und vor dem Vespasiantempel der noch acht mächtige Granitsäulen befizende Tempel des Saturn. Zwischen diesen heiligen Gebäuden windet sich die Via Sakra( heilige Straße) nach dem Kapitol empor.

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St.

,, Ueberfall" und Kinderquadrille".( Zu den Bildern auf Seite 377 und 381.) Albert Hendschel , einer der hervorragendsten Genre­maler der Gegenwart, ist am 9. Juli 1834 in Frankfurt a. M. ge­boren. Seine ersten Genrebilder, romantischen Inhalts, hatten nur mäßigen Erfolg, wie: der Wirtin Töchterlein" nach Uhland, der Geiger von Gmünd" nach Just. Kerner, Aschenbrödel," der zer= brochene Krug" und die Aquarelle zu Göz von Berlichingen". Einen beispiellosen Erfolg hatte dagegen sein durch die Wahrheit der Em­pfindung, karaktervolle Gestalten und schlagenden Humor ausgezeich­netes, im Laufe der Jahre gesammeltes und photographisch verviel­fältigtes Stizzenbuch( 1872-1873), Szenen aus dem Stuben- und Straßenleben, besonders der Kinderwelt. Auf gleicher Höhe steht sein neuestes Werk: Lose Blätter ", dem unsere beiden Bilder ent nommen sind und welches eines gleichen Erfolges sicher sein darf.

Pfäffleins Zechgedanken.

In Reimen von Semper Notnagel. ( Zu dem Bilde S 389.)

Als unser Herrgott die Reben gemacht, Was hat er dabei zu erstreben gedacht? Ich denke: er sah all die Not und Qual, Die uns plagt im irdischen Jammertal, Und wie wir in unserm Denken und Handeln Gar selten die Pfade der Tugend wandeln. Da dacht er: Es haben die Erdentoren Längst an den Himmel den Glauben verloren, Sie wären glücklich, gut und gescheit, So sie sicher der himmlischen Seligkeit. Flugs sandt er vom Aetertrone her Der Sonnenstrahlen unzähliges Heer, Auf daß sie der Reben Schaft und Saft Erfüllten mit zaubrischer Götterkraft. Die haben ihres Amtes gewaltet, Und so hat sich alles herrlich gestaltet: Fühlt einer im irdischen Jammertal. Anjezo zu arg des Lebens Dual,

So schlürft er im Wein

Erlösung ein;

Denn der Herrgott gab uns den funkelnden Becher Als Glaubenserweder und Sorgenbrecher;

Er will, daß wir von Nöten enthoben leben, Jm Wein ew'ger Seligkeit-Proben geben.

Rebus.

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St.

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Auflösung des Rebus in Nr. 14:

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Nichts ist nachteiliger als Unentschiedenheit.

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Zu Raffaels

Inhalt: Vom Baume der Erkenntnis. Roman von J. Zadeck.( Fortsezung.)- Die Teorie des Professors Gustav Jäger . Bon Dr. D. Pastor. Aus Brasilien . II. Originalbericht von Antonio Schneider zu Curitiba in der Provinz Parana.( Schluß.) 400jährigem Geburtstag. Bon Dr. Richard Ernst.- Allerlei aus der Geschichte der deutschen Sprache. Von Bruno Geiser.( Fortsezung.) Das zweite Gesicht". Nach einer wahren Begebenheit erzählt von A. Müller. Forum Romanum in Rom. ( Mit Illustration.) Ueberfall" und ( Mit Karl Marx. ( Mit Porträt.)- Die Ausgrabungen auf dem

Illustration.)

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-Rebus. Redaktionskorrespondenz. Mannichfaltiges. Gemeinnüziges.

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Mit dieser Nummer beginnt das III. Quartal des 8. Jahrganges der Neuen Welt". Die geehrten Post- Abonnenten werden ersucht, die Bestellungen ungesäumt aufzugeben, damit keine Unterbrechung in der Zustellung des Blattes eintritt. Die Expedition der Neuen Welt".

Verantwortlicher Redakteur Bruno Geiser in Stuttgart . Redaktion: Neue Weinsteige 23.- Druck und Verlag von J. H. W. Dies in Stuttgart .

Expedition: Ludwigstraße 26 in Stuttgart .