ihn in die berliner preußische Nationalversammlung, welche bekanntlich die Aufgabe hatte, mit dem Könige eine Verfassung zu vereinbaren. Temme, Waldeck und Johann Jacoby waren in dieser Versammlung die Hauptführer der Linken.
Wie die preußische Nationalversammlung verlief, ist bekannt; es gelang nicht, eine Verfassung zu vereinbaren, als die Versammlung dieser Verfassung einen fonstitutionell- demokratischen Karafter gab. Am 8. November vertagte das Ministerium die Versammlung mit der Einladung, sich später in Brandenburg zusammenzufinden. Die Versammlung erklärte sich darauf für permanent. Aber es wurde über Berlin der Belagerungszustand verhängt, Wrangel zog mit 15000 Mann ein und vertrieb die Versammlung aus ihrem Sizungslokal, dem Schauspielhause. Wo sich die Abgeordneten zusammenfanden, wurden sie vom Militär vertrieben und gelangten gerade noch zu dem bekannten Steuerverweigerungsbeschlusse, ehe sie ganz auseinandergejagt
wurden.
An allen diesen Ereignissen nahm Temme einen hervor ragenden Anteil. Er befand sich auch bei jener Zusammenkunft, in welcher die Führer der Linfen mit dem Kommandanten der Bürgerwehr, dem unlängst verstorbenen Major Rümpler, berieten, ob man dem General Wrangel mit Waffengewalt Widerstand leisten sollte. Temme war für passiven Widerstand und seine Meinung drang durch. Andern Tags wurde die 20000 Mann starke Bürgerwehr entwaffnet.
Gleich nach der Eröffnung in Brandenburg ward die Nationalversammlung geschlossen; die Abgeordneten waren nicht länger durch ein Mandat geschützt und die siegreiche Reaktion stürzte sich auf die Einzelnen. Temme blieb nicht verschout. Seine Kollegen vom Oberlandesgericht Münster waren so freundlich, seine Suspension zu verlangen; die Regierung aber kam ihnen entgegen und ließ Temme unter der Anklage des Hochverrats verhaften. Allein der Bezirk Neuß wählte 1849 bei einer Ersazwahl Temme in das frankfurter Parlament und man mußte ihn freilassen. Zugleich wählte ihn sein alter Wahlkreis Ragnit in die zweite preußische Kammer von 1849, an deren Sizungen er bis zu ihrer Auflösung teilnahm. Von da ging er nach Frankfurt und nahm an den Sizungen der Nationalversammlung und des Rumpfparlaments teil. Er hatte als Konstitutioneller für Friedrich Wilhelm IV. als deutschen Kaiser gestimmt.
Nachdem das Rumpfparlament in Stuttgart gesprengt worden, tehrte Temme im Bewußtsein seines guten Rechts ruhig nach Münster zurück. Allein nunmehr, nachdem er des parlamenta rischen Schuzes verlustig gegangen, stürzte sich die Reaktion mit doppelter Wucht auf ihn. Er ward am 4. Juli 1849 verhaftet und erst am 6. April 1850 zu Münster vor Gericht gestellt. Allein auch hier behauptete er sein Recht so standhaft und wußte seine Anschauungen so siegreich zu verteidigen, daß eine Freisprechung eintreten mußte. Man tat nun, was man tun konnte; man eröffnete gegen den vom Hochverrat Freigesprochenen eine Disziplinaruntersuchung und erklärte ihn seines Amtes verlustig. Temme ließ sich nicht entmutigen, übernahm die Redaktion der radikalen„ Neuen Oderzeitung" in Breslau und suchte auch als Anwalt sich eine unabhängige Stellung zu verschaffen. Aber es wollte ihm nicht recht gelingen, und als er einen Ruf nach Zürich erhielt, folgte er demselben. Seine Anschauungen waren, wie bei allen konsequenten Denkern, in diesen Kämpfen ent schiedener geworden; deshalb mochte er sich an den Bestrebungen der Fortschrittspartei in den sechsziger Jahren nicht beteiligen,
426
trozdem er ein Mandat für das preußische Abgeordnetenhaus übertragen bekam.
Er ging ins Ausland, wohin die Reaktion so viele glänzende Geister getrieben hatte. In Zürich verlegte er sich auf die Schriftstellerei, und die„ Gartenlaube" brachte aus seiner Feder eine Reihe hochinteressanter und spannender Kriminalnovellen, zu denen ihm vielfach sein eigenes erfahrungsreiches Leben den Stoff liefern konnte. Man kann sagen, daß diese Novellen ungemein viel zum Aufschwung der„ Gartenlaube" beigetragen haben, denn Temmes Name allein schon genügte, um überall Interesse für diese Arbeiten zu erwecken. Die meisterhafte Behandlung, die Temme seinen Stoffen angedeihen ließ, hat ihm einen dauernden und ehrenvollen Plaz in der Literaturgeschichte gesichert.
Aber es ging in diesem Fall wie so oft; der goldene Gewinn, den diese Novellen brachten, floß zum weitaus größeren Teil in die Tasche des Verlegers. Temme wurde mit dem gewöhnlichen Honorar abgelohnt und am Abend seines Lebens sah er sich in bedrängten Verhältnissen. Troz aller Anstrengungen und allen Fleißes konnte der hochbetagte Mann sich nicht mehr wie er wollte aus seinen Kalamitäten herausarbeiten. Sie verfolgten ihn bis an seinen Tod, der am 14. November 1881 zu Zürich erfolgt ist.
Temme war ein Karakter aus jener konstitutionell- demokratischen Schule, aus welcher ein Johann Jacoby , ein Waldeck, ein Franz Ziegler hervorgingen, eine merkwürdige Art, die auch im Talar des Richters und im Frack des Staatsanwalts ihre demokratischen Gesinnungen nicht zu verleugnen vermochte. Diese Männer dürfen nach einer engen Parteischablone nicht beurteilt werden. Ihre Fehler waren manchmal nicht klein, und nicht der kleinste war der, daß sie dem papiernen Recht eine nicht vorhandene Ueberlegenheit über die materielle Macht zuschrieben. Wie hätte sonst die Nationalversammlung zu Berlin , und mit ihr Temme, Jacoby und Waldeck, beschließen können, daß der Berliner Staatsanwalt eine Anklage gegen die Regierung erheben solle! Man mag dies Naivetät nennen; allein der historische Beruf dieser Männer war, die Kämpfe zu bestehen, die den Uebergang des politischen Lebens in Preußen aus der vormärzlichen Zeit in eine neuere Epoche bewirken sollten, und um diese Kämpfe mit Ehren zu bestehen, war das unerschütterliche Rechtsgefühl und Rechtsbewußtsein dieser Männer erfor derlich. Temme und Johann Jacoby hätten sich im Auslande vor den Verfolgungen der Reaktion sicher stellen können, allein sie taten es nicht und es liegt ein Zug antiken Mutes, römischer Unbeugsamkeit in der Tatsache, daß sie vor den Gerichtshöfen Der Reaktion freiwillig erschienen und ihre Sache dort zum Siege brachten. Der Epigone von heute, der mit der Zeitentwicklung fortgeschritten ist, soll deshalb nicht geringschäzig auf diese Männer zurückblicken, deren Fehler nicht zu leugnen sind, die aber für Deutschland , resp. Preußen erst ein politisches Leben zu schaffen hatten. In jenen Stürmen auszuhalten, war nicht leicht; noch weniger war es leicht, unter den Verfolgungen der Reaktion in der Heimat auszuhalten.
Wer gerecht urteilen will, der wird sich sagen müssen, daß jene Männer vielleicht weniger Geschick, aber desto mehr Karakter gezeigt haben in der Rolle, welche das Sturmjahr ihnen zuwies. Und unter ihnen war Temme sicherlich der Besten einer.
Bu Raffaels 400jährigem Geburtstag.
Bon Dr. Richard Ernst.
W. Blos.
( Schluß.)
Gleich nach der Vollendung der Stanza della Segnatura| Entwicklung hervor. Hatte er in der Stanza della Segnatura ging Raffael an die Ausschmückung der anstoßenden Kammer,
welche nach dem hervorragendsten Wandgemälde die Stanza d'Eliodoro genannt wird und in den Jahren 1511 bis 1514 vollendet wurde. Hier tritt ein scharfer Wendepunkt in seiner
die geistigen Mächte des Lebens in einem ruhigen, nur leiſe bewegten Zusammensein bedeutender Gestalten geschildert, so ward ihm nun eine Aufgabe geboten, die ihn mitten in das Reich des Historisch- dramatischen führte. Wie die Griechen,