wird) in jungfräulicher Schüchternheit den bezaubernd lieblichen Kopf wie geblendet vom Himmelsglanz niedersenkt und das freudige Entzücken der Gläubigen wiederspiegelt. In Geschlecht und Alter, in Ausdruck und Bewegung einander entgegengesezt, ergänzen sie sich gegenseitig aufs beste. Die zurückgeschobenen Vorhänge, welche das Bild auf beiden Seiten begrenzen, bewirken den Eindruck, als ob die Madonna mit dem Kinde bisher den Augen des Beschauers verhüllt gewesen wären und erst jezt durch Deffnung des Vorhangs sichtbar werden, so daß die unnahbare Feierlichkeit der Erscheinung noch verstärkt wird, indem sie wie eine Vision erscheint. Unten wird die Bildfläche durch eine Leiste geschlossen, auf welcher die Tiara des Pabstes ruht und auf welche zwei köstliche Engelknaben, Ideale naiver Schalthaftigkeit, ihre Arme stüzen. Sie sind aus dem großen Engelsreigen, mit welchem der Hintergrund übersät ist, herausgetreten, um sich den Vorgang näher anzusehen und blicken mit munterer Neugierde, so recht nach Kindesart, empor. Sie lösen gleichzeitig die Spannung, in welche das Patos der Hauptgestalten den Beschauer versezt. Das Werk ist auch koloristisch eine der vollendetsten Schöpfungen Raffaels. Aus dem blauen Gewande der Madonna, dem Goldbrokatmantel des Pabstes und dem grünen Kleide der h. Barbara bildet sich der Hauptakford, in welchen alle übrigen Töne mit den feinsten Uebergängen hineingestimmt sind.
Eine Blüte wie die sirtinische Madonna hat selbst der Raffaelsche Genius nur einmal hervorgebracht. In der Schwesterfunst Poesie kenne ich nur ein modernes Werk, das den Geist der Sixtina atmet: Goethes Iphigenie .
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Um dieselbe Zeit, in der die Sixtina entstand( gegen 1516) malte Raffael eine Darstellung der Heimsuchung", welche hochberühmt ist wegen der Schönheit der Gestalten und der ausdrucksvollen Lebendigkeit der Komposition( Madrid ). Es ist zum größeren Teil Raffaels eigenhändige Arbeit, wogegen die Mehrzahl der seit 1518 entstandenen Altarbilder größtenteils von Schülerhänden ausgeführt ist. Dahin zählt der" Johannes der Täufer" in den Uffizien, wovon die Gallerie zu Darm stadt eine vorzügliche Kopie besizt. Neben diesen und ähn lichen von Schönheit und Anmut überströmenden Werken sollte Raffael noch einmal Gelegenheit werden, sich tief in die leidensvollen Momente der Passion zu versenken. Dieses Tema, das der nordischen Kunst besonders am Herzen lag, war von den Meistern der Renaissance nur selten behandelt worden. Das glänzende Genußleben am Hofe Leos X. hatte wenig gemein mit dem Andenken an die Leiden Christi und selbst die christ lichen Heiligen lebten für diese Anschauung nur im Sonnenschein des Glücks wie die antiken Götter. Als Raffael um 1516 den Auftrag annahm, für das Kloster der Olivetanermönche zu Palermo die" Kreuztragung"( Madrid ) zu malen, schuf er
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ein Werk, das an ergreifender Tiefe des Seelenausdrucks nur von Albrecht Dürer ( mit dem Raffael in freundlicher Beziehung stand und dessen Komposition er in dem Bilde benuzte) erreicht wird, während er an Adel und Schönheit den deutschen Meister weit übertrifft. Die wunderbare Verbindung tiefsten Seelenschmerzes in mannigfacher Abstufung mit einer Schönheit, welche selbst das tiefste Leid noch verklärt, verleiht diesem edlen Werke eine der höchsten Stellen unter den Schöpfungen der christlichen Kunst.
Das lezte Bild, an welches Raffael die Hand gelegt, ist die weltberühmte Transfiguration" oder Verklärung Christi auf Tabor in der Gallerie des Vatikans.
Wir stehen am Ende des Lebens und Wirkens eines der größten Menschen und blicken mit Ehrfurcht auf einen Entwick lungsgang zurück, wie ihn das Dasein keines andern Künstlers bietet. Nie stand er auf dem Wege still, nie ruhte er müßig auf dem Erworbenen, unablässig zu lernen und seine Formenwelt und Technik zu vollenden, war sein Ziel und Streben; deshalb gibt es in seinem ganzen Schaffen keinen Moment, wo das Gewonnene zur konventionellen Formel erstarrte. Unermüdlich schöpfte er aus dem ewig frischen Jungbrunnen der Natur, so daß wir von keinem anderen Meister einen solchen Reichtum von Studienblättern aufzuweisen haben. Dazu kommt seine nicht geringe Bedeutung als Architekt und in den lezten Lebensjahren jener große durch Leo X. angeregte Plan einer künstlerischarchäologischen Restauration des antiken Rom . Ein Zeitgenosse erzählt in einem Briefe, daß Raffael einen achtzigjährigen Gelehrten, der in großer Armut lebte, in sein Haus aufgenommen habe, damit dieser ihm den Vitruv *) ins Italienische übersezte. Nachdem der Briefsteller den Maler und Architekten Raffael aufs Höchste gepriesen und seine Herzensgüte und Liebenswürdigkeit hervorgehoben, schildert er seine Arbeiten bei der Ausgrabung und Rekonstruirung des alten Rom, durch welche er den Pabst und alle Römer so zur Bewunderung hingerissen habe, daß ihn fast alle Menschen wie einen Gott anfähen, der vom Himmel herabgeschickt sei, um die ewige Stadt in der alten Majestät wieder herzustellen.
Wir begreifen leicht, daß ein zarter Organismus, wie der Raffaels, durch seine ins Unglaubliche gesteigerte Tätigkeit vor der Zeit aufgerieben werden mußte. Lästerzungen zischelten später, daß Ausschweifungen in der Liebe Raffaels Leben untergraben hätten. Ein hiziges Fieber ergriff ihn im Frühling 1520 und brachte ihm nach acht Tagen den Tod. Er starb am Charfreitag( 6. April), am selben Feiertag, an dem er vor siebenunddreißig Jahren das Licht der Welt erblickte.
*) Römischer Architekt aus der Zeit des Kaisers Augustus, der ein Werk über die Baukunst verfaßte.
Im Fegefeuer.
Humoristische Erzählung von 23. Rudolf.
Seit achtzehn Stunden war ich einer der glücklichsten Menschen unter der Sonne; und einer der stolzesten, selbstbewuß testen. Ich hatte auch alle Ursache dazu.
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Gestern Nachmittag fünf Uhr hatte das lezte Stündlein meines philologischen Staatsexamens Oberlehrereramen wirds bei uns genannt- geschlagen, und ich trug als Preis meiner löblichen Leistungen die facultas docendi für Prima, zu deutsch : die Berechtigung, in der obersten Klasse unserer Gymnasien zu lehren, von dannen. Damit war der Gipfel meiner Wünsche erflommen, und es fonnte nun nach menschlicher Berechnung- fortan im Leben nur ganz vortrefflich gehen.
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meiner Musterklasse zu ihrem allbeliebten Direktor ehrfurchtsvoll - ja, gewiß, so mußte es kommen, freilich hinauflauschend, mit den Jahren, Gymnasialdirektor wird man nicht im Fluge, aber man wird es, wenn man ein tüchtiger, energisch strebsamer, unermüdlich pflichtgetreuer Philologe und Pädagoge ist, und das will und werde ich sein!
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So sprach ich zu mir selbst und stieß zur Bekräftigung dieses ſelſenſeſten Vorſazes meinen starken Rohrstock mit der großen ein Erbstück meines vor wenigen schönen Elfenbeinkrücke, Jahren dahingeschiedenen Vaters- auf den Boden. " Himmeldonnerwetter, Herr, nun wird mirs aber zu arg. Das war mein Hühnerauge, Sie soll ja gleich der Teufel holen." Erschrocken schaute ich meinem Gegenüber in das zornrote
Bereits sah ich mich auf dem Kateder der Prima mit denkbar würdevollster Miene- etwa so: die Mundwinkel sanft Gesicht. halb ge heruntergezogen, die Augen- im Nachsinnen schlossen, die linke Hand am Knie, während die Rechte den aufgeschlagenen Tacitus hält- doziren, die braven Jünglinge doziren, die braven Jünglinge
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Verzeihen Sie gütigst," stotterte ich verlegen,„ ich hatte gewiß nicht die Absicht
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