Bamra( Zentralindien) duldete der Landesherr noch 1860 eine Sati; der Witwenverbrennung ist deshalb in Indien noch nicht vollständig gesteuert.

Wo eine Sati nicht heimlich stattfindet, wird sie zum Feste, das Zuschauer aus Nah und Fern anzieht. Festlich geschmückt wie eine Braut, gestüzt auf die nächsten Verwandten, umgeben von Brahmanen und religiösen Fanatikern, begleitet von rauschen der Musik, wird die Unglückliche zum Scheiterhaufen geführt. Der Weg von ihrer Wohnung bis dahin ist gewöhnlich mit Palmzweigen und Blumen bestreut. Die Frau teilt, sofern sie noch Kraft und Besinnung dazu befizt, Kupfermünzen unter die Anwesenden aus. Gewöhnlich aber fommt sie in ganz unzu rechnungsfähigem Zustande beim Scheiterhaufen an, da man sie durch schnelle und sicher wirkende narkotische Stoffe, wie Bhang, ein Hanfpräparat, zu betäuben sucht. In unheimlicher Stille umgibt eine zahllose Menschenmenge den Scheiterhaufen, um welchen die Witwe dreimal langsamen Schritts geht und den sie alsdann besteigt. Sie gelangt zum Leichnam ihres Mannes, dessen Kopf man ihr zuweilen in den Schooß legt. Mittels eines Strids wird sie an einen hohen, hölzernen Pfahl ge­bunden, der sich in der Mitte des aufgetürmten Holzhaufens befindet. Leute begießen den Scheiterhaufen mit Del, andere

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eilen mit Fackeln herbei, um ihn anzuzünden. Ist dann der entsezliche Moment der fürchterlichen Todesangst gekommen, dann beginnen die Brahmanen laut Gebete herzusagen und Hymnen zu singen; die Religiösen erheben ein Geheul, Trom­peten schmettern, von allen Seiten begleitet von Trommel- und Paukenschlägen. Diese lärmende Musik soll die Schmerzenslaute übertönen, welche die Unglückliche in ihrer Seelenangst ausstößt. Wenn die Flammen von allen Seiten hell auflodern, an den Füßen der Unglücklichen hinanzüngeln und ihre Kleider erfassen, dann kommt es manchmal vor, daß die betäubte Gequälte mit einemmale ernüchtert wird; sie übersieht das Entsezliche ihrer Lage, ein gellender Schrei wird hörbar, mit fast übermensch­licher Kraft zersprengt sie ihre Bande und mit einem fühnen Sprunge sucht die Gepeinigte dem Flammenmeer zu entrinnen. Aber die unmenschlichen Brahmanen eilen ihr nach, ergreifen sie wieder und schleudern sie wutentbrannt in die Flammen zurück. Um jedem Widerstande vorzubeugen, wurden häufig der Un­glücklichen, sowie sie den Scheiterhaufen bestiegen hatte, lange Bambusstöcke über die Schultern gelegt, mittels welcher sie niedergestoßen wurde, wenn sie den Versuch machte, zu ent­kommen. So geschah es in Kathmandu , der Hauptstadt des Himalayastaates Nepal, nach dem Zeugnis Schlagintweits.

Die Musik in der Vogelwelt.

Von Friedrich Omeis.

Der Gesang der Vögel, ihre Beweglichkeit, Gestalt und Farbe, ihre Frühlingsverkündigung wären allein schon Grund genug, Interesse und Liebe für sie in hohem Grade zu erwecken; aber wenn wir ihre Kunst und Ueberlegungsfähigkeit im Nester­bau, die Kraft und den Reichtum ihrer Gefühlsausdrücke hinzu­nehmen, die ihnen noch außer dem eigentlichen Gesang in Tönen der mannichfaltigsten Art zugebote stehen, so mögen wir wohl versucht sein, ihnen, von Seiten des Gemüts wenig­stens, selbst vor den Säugetieren einen Vorzug einzuräumen.

Es ist aber vor allem die Sprache der Vögel, die uns anzieht. Keinem Tier ist diese Gabe in solchem Grade der Deutlichkeit und Mannichfaltigkeit verliehen, wie ihnen. Hierin stehen sie den Menschen am allernächsten; denn sie haben, wie diese, nicht nur eine Sprache des gewöhnlichen täglichen Um gangs, des Rufens, Schreiens, Plauderns; sie haben wie die Menschen zum Ausdrucke der höchsten Empfindung die Poesie, die Lyrik, das Lied. Wie der Mensch die Sprache seiner schwungvollsten Empfindungen am liebsten im Gesange redet, wenn er liebt, so auch die Vögel.

Wie das menschliche Gemüt sehr empfänglich ist für die Einflüsse der Witterung, wie angenehmer Himmel es so leicht zum Frohsinn und Gesange stimmt, so auch das der Vögel. Beim Menschen ist nicht, wie bei diesen, die Gesangsfähigkeit an bestimmte Familien gebunden; aber die singfähigen Vogel­familien sind nicht nur innerhalb der Grenzen einer bestimmten Familie sehr verschieden begabt, sondern es offenbart sich auch zwischen den einzelnen Individuen einer und derselben gesangs­fähigen Vogelart verschiedene Gradation der Fähigkeit. Den Borzug freilich haben wir entschieden voraus, daß bei uns die Gabe des Gesangs auch den Frauen im vollkommensten Maße verliehen ist, was dem weiblichen Geschlechte der Vögel fast ausnahmslos versagt blieb.-

Welche Schönheit liegt in den Melodien der Vögel, und wie reizend sind diese scheinbar kunstlosen Gesänge! Vom Zirpen der Grille bis zum majestätischen Rollen des Donners hat alles teil an dem tausendstimmigen Konzert im großen Reiche der Natur; aber der hinreißende Schmelz der Musik liegt nur in den Kehlen der Singvögel.

Der muntere Ruf der Finken, der Jubel der Lerchen, der melancholische Gesang des Rotkehlchens , das flötende Pfeifen der Amsel und all der lieblichen Sänger beginnen das Konzert des

Frühlings; sie sind die Musikanten der Natur, das Orchester der Schöpfung; ihr gewaltiger Dirigent ist die Macht der Liebe, und troz der ungemeinen Verschiedenheit der kleinen Künstler und ihrer Fähigkeiten beleidigt nie eine störende Disharmonie unser Dhr. Stimmt die Königin des Frühlings, die Nachti­gall, ihre Hymne an, so muß jedes fühlende Herz in Bewun­derung überfließen und sich vor der Allmacht der Natur beugen, zu deren Lob alle Vögel ihre Stimme erheben.

Wie dürftig ist aber, der Kehle der Vögel gegenüber, die der Säugetiere. Auch sie versuchen für verschiedene Gefühls­regungen verschiedene Laute, und ein Hirsch, der seine Kühe ruft, ein Schaf, das sein Junges lockt, oder ein Hund, der einen Fremden anbellt, wissen sich gewiß ganz verständlich zu machen. Aber doch wie einförmig tun sie dies! Wie reich an Tönen und Modulationen sind dagegen die allermeisten Vögel, und zwar ohne daß sie dazu auch nur eines Lautes des eigent­lichen Gesanges bedürften! welch verschiedenes Locken, Girren, Rufen, Schnalzen, Glucksen, Schnarren, Klagen, Seufzen, Murren, Banken steht ihnen außer ihren Liedern zugebote!

Betrachten wir ein angehendes Vogelpaar! Wie viel an­gelegentliche süße Mühe gibt sich das Männchen, um das Weibchen, welches sich erst spröde zeigen will, mit Zärtlichkeit oder Heftigkeit, aber immer mit der größten Gewandtheit in Tönen, die es dem geübten Ohr unzweifelhaft machen, daß hier eine heiße Liebeswerbung im Gange ist, für seine Wünsche zu stimmen!

Und wie stolz und gehoben ertönt das Lied, wenn die Brautwerbung gelungen! Wie im Gefühl einer trefflich gespiel­ten Doppelrolle, der des Liebhabers und Helden zugleich, sezt sich das Männchen auf den höchsten Baum, auf den First des Hauses und lobpreist sein schönes Geschick in den prächtigsten Klängen. Damit jedoch nicht der Schein aller Schuld des Verliebtseins auf das Männchen falle, darf nicht verschwiegen werden, daß auch dem Weibchen, insofern es sein Absehen auf ein etwas spröderes Männchen gerichtet hat, gar artige Töne zugebote stehen, um dasselbe anzulocken und ihm zu schmeicheln.

Und wie hoffnungsreich, wie wonneheimlich sind die Töne, von welchen die Arbeit des nun folgenden Nestbaues begleitet wird! Töne, denen alle die süße Erwartung des warmen brütenden Lebens und Mutterglücks schon zum Voraus inne wohnt und anzuhören ist, das auf den Ausbau des Nestes