Im Schießhause fand ein Abendessen statt, an welchem soviel Einwohner Neustadts teilnahmen, als der Raum zu fassen ver­mochte. Hunderte aber umdrängten die Eingänge und weilten im Garten, um mindestens soweit an dem kräftigen Austausch der Gesinnungen teilzunehmen, als es möglich war. Erst spät führten Neustadts Einwohner die Gäste in die Wohnungen, welche man aufs zuvorkommendste ihnen bereitet hatte, um aus­zuruhen zu neuem Tagewerke.

Mit dem frühen Morgen war Neustadt wieder auf den Beinen, denn die Gäste sammelten sich um 6 Uhr im Garten des Schießhauses, von wo sie in Begleitung vieler Freunde die weitere Reise antraten. Es war ein imposanter, langer, reich mit Blumen und Grün bekränzter Wagenzug, auf welchem die Reisenden dahin rollten, geleitet von den besten Wünschen und dem jubelnden Lebehoch der zurückbleibenden Menge. Schon in Edesheim begann die ehrende Begrüßung; eine Ehrenpforte war errichtet mit der sinnreichen Inschrift: Der Rückblick führt zum Fortschritt! andrerseits: Für uns euer Wirken! Für euch unsere Kraft! und in der Nähe derselben empfing die Bürgerwehr und die Ortsobrigkeit die Reisenden mit feſt­lichem Gruß, welcher dankbare Erwiderung fand.- So ging der Zug nach der Bundesfestung Landau, wo zwar zahlreiche Volksmassen denselben begrüßten, aber jede festliche Veranstaltung unterblieben war, da man irrtümlich angenommen hatte, der Zug werde Landau nicht berühren.

" So ging es denn über Eschbach nach der Ruine Maden­ burg , auf welcher die halbe Einwohnerschaft von Landau und eine große Volksmasse aus naher und ferner Umgebung ver­sammelt war. Diese tausende von Menschen, der Schmuck zahl­reicher Fahnen, der Donner der Freudenschüsse und die Klänge der Musik und des Gesanges nahmen auf diesem wunderbar herrlichen Punkte und unter den weiten Trümmern eines Baues der Vergangenheit einen besondern Festkarakter an. Blum er­öffnete den Reigen der Sprecher mit einer tiefen Eindruck machenden Rede; eine große Anzahl der Abgeordneten folgte ihm, und drei bis vier Stunden mögen wohl dahingegangen sein, während welcher die Massen troz der glühenden Mittags sonne voll Andacht lauschten. Ein Frühstück war den Reisenden in der Ruine auf einem herrlichen Punkte bereitet, und manches zarte Frauenantliz sezte sich während desselben dem sengenden Sonnenstrahle aus, um die Gäste mit dem Schirme zu schüzen, damit nicht wahr werde, was Vogt scherzweise verkündete, daß die Linke hier zusammenschmelzen müsse. Doch erlitt sie einen Verlust. Der Vertreter eines der kleinsten Staaten hatte ein schattiges Pläzchen gefunden und war daselbst eingeschlafen; er erwachte erst, als die Burg verödet und der Mond am Himmel stand, so daß er erst am folgenden Tage wieder zu den Freun= den gelangte.

" Von Eschbach ging nun der Zug nach dem Bade Gleis­ weiler , dessen schöner Garten mit Menschen überfüllt war, und wo dem jubelnden Gruße mehrfache Ansprachen vom Balkon des Gasthofes herab folgten; dann wurde die Reise bis nach Edenkoben fortgesezt. Hier war der Empfang auf der König­lichen Villa, gewiß einem der herrlichsten Punkte der schönen Haardt, und die Gäste wurden hier von der aufgestellten Bürger wehr 2c. herzlich begrüßt. Bis zum fühlen Abend tagte man oben auf dem Berge, dann geleitete die Bürgerwehr von Rodt und Edenkoben die Gäste in feierlichem Zuge nach der Stadt. Ein Abendessen machte hier den Beschluß des anstrengenden Tages; man hatte die Frauen davon ausgeschlossen, aber sie füllten in schönem Kranze die weite Galerie und warfen einen Regen von frischen Rosen auf Blum, welcher die Stellung und Aufgabe der Frauen in der Neuzeit in einem Trinkspruch schil­derte, welchen er den Schönen widmete.

" Montags früh wedte eine glänzende Reveille der Bürger­wehr die Reisenden, welche sich im Garten des Gasthofs zum Lamm sammelten und von hier aus um 8 Uhr zu Fuß den Weg fortsezten, geleitet von der gesammten Bürgerwehr von Edenkoben . Der Zug schwoll von nun an von Stunde zu Stunde, indem sich die Bewohner der Ortschaften ihm anschlossen,

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durch welche er kam, um an der Voltsversammlung in Neustadt teilzunehmen.*) In Maikammer reichte man den Reisenden den Ehrentrunk in kostbarem Wein, und nach gegenseitigen Be­grüßungsreden wechselte die Bürgerwehr von Maikammer mit der von Edenkoben ab und gab ihnen das Geleite bis nach Hambach. Auf dem berühmten Schlosse waren abermals tausende versammelt; allein man besuchte dasselbe nicht, indem die Zeit drängte, zog vielmehr durch Mittel- und Oberhambach, wo gleichfalls die herzlichste Begrüßung seitens der Ortsbehörden und der Bürgerwehr stattfand, nach Neustadt .

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An der Gemarkungsgrenze Neustadts war abermals die Bürgerwehr, die Turnerschaft Neustadts und mehrerer Nachbar­orte 2c. aufgestellt. Die sechzehn Jahre tief verborgene ham­bacher Fahne wurde vom kräftigsten Manne getragen, und zahlreiche Fahnen von Liederkränzen und Turnern reihten sich um dieselbe. Nachdem der Bürgermeister hier nochmals die Gäste begrüßt hatte, sezte sich der lange Zug nach der Stadt in Bewegung, umgeben von tausenden, die zur Volksversamm lung gekommen waren. Diese Volksversammlung fand auf dem weiten Plaze vor dem Bahnhofe statt, wo eine sehr geräumige Tribüne für die Gäste, eine noch weit größere für die Frauen errichtet war, die denn auch in dichtgeschaarten schönen Reihen der Versammlung beiwohnten, während eine ungeheure Volks­masse den weiten Raum füllte. Dr. Hepp, der ringsgeehrte und gefeierte Kämpfer für die Freiheit, eröffnete hier die Reihe der Sprecher mit einer Hinweisung auf die Gäste, ihr Tun, ihre Aufgabe 2c. Nach ihm sprachen Blum, Zimmermann, Dietsch, Vogt, Eisenstuck, Wesendonk, Günther, v. Trützschler, Dr. Schilling und mehrere andere. Die Lage Deutschlands , die Darlegung der Notwendigkeit eines Schuz- und Truzbünd­nisses mit Frankreich , die Vorzüge der republikanischen Staats­form und dergleichen bildeten den Inhalt der Reden, die fast alle mit jubelnder Zustimmung unterbrochen und aufgenommen wurden. Obgleich die Sonne wahrhaft versengend herab­brannte, so verminderten sich die Massen in dem Zeitraum von 10 bis 2 Uhr nicht nur nicht, sondern es zogen vielmehr fort­während neue zu, und besonders der Zug von Mannheim brachte hunderte neuer Teilnehmer.

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Nach der Volksversammlung vereinigte ein Mittagsessen die Gäste mit so viel Pfälzern, als der Raum zu fassen ver­mochte, und abermals wechselte das ernste Wort mit Scherz und Heiterkeit. Bei Tafel war besonders Professor Vogt aus Gießen der Unwiderstehliche. Wie Heinrich der Zweiundsiebzigste seit dreißig Jahren auf dem Prinzip. so ritt Vogt auf den deutschen und besonders heidelberger Hofräten herum, und zwar mit einer solchen Fülle von Humor und so meisterhaften Ba­riationen, daß er sich das größte Verdienst um eine die Ver­dauung befördernde Zwerchfellerschütterung erwarb.

,, Um 4 Uhr endlich ging die Reise fort; die Pflicht gebot es, wie gern die Reisenden auch noch in dem lieben Neustadt geweilt hätten. Die Straßen waren jezt überfüllt mit Menschen und nur mühsam konnte sich der Zug hindurchwinden, alles drängte sich um die Volksvertreter und suchte ein Wort, einen Druck der Hand zu erhaschen; auch wurde ihnen im Vorbei­ziehen noch eine mit zahlreichen Unterschriften versehene Adresse überreicht, welche ihre Zustimmung zu den Grundsäzen der Linken ausspricht, gegen jede Schmälerung der Volksrechte pro­testirt und sich für die Republik erklärt.

Eine zahlreiche berittene, mit Schärpen geschmückte Ehren­

*) Im Hans Blum'schen Zeit- und Karakterbild" findet sich hier folgende Note: Ein Augenzeuge, Herr Adolf Bloch in Edenkoben , schreibt mir am 4. März 1878 hierüber: Doch ging dieser Marsch etwas langsam vonstatten, da zur Entgegennahme verschiedener Steh­schoppen, welche von Bürgern der dazwischenliegenden Orte den Ab­geordneten fredenzt wurden, manche Biertelstunde verwendet werden mußte. Zwischen Edenkoben und Maikammer stolperte Professor Vogt über einen Stein und verlor beinahe das Gleichgewicht. Robert Blum , welcher vor ihm herging, drehte sich um und sagte lachend: Die Linke nehme sich in Acht, daß sie sich nicht überſtürze! Allgemeines Ge­lächter, in das selbst Trüßschler, der einen furchtbaren Kazenjammer hatte, einstimmte.