und der Form nach, alles außer Adel und Priester; die Begriffe " Bürger und Arbeiter" oder Proletarier" waren noch nicht in dem modernen Sinne von einander geschieden; sie gingen nebeneinander her in dem gemeinschaftlichen Interesse, das Joch des Feudalismus abzuschütteln.

An die Republik   dachten damals sehr Wenige; vielleicht Petion  , Camille Desmoulins  , Frau Roland, die aus den Schriften der antiken Klassiker republikanische Gedanken ge­sogen hatten; allein selbst Robespierre   erklärte sich noch 1791 für einen konstitutionellen Monarchisten. Man kann in dieser Erklärung nur ein tiefes Verständnis der Zeitverhältnisse er­blicken.

Wenn aber auch die Verfassung von 1791 den Wünschen der Nation im allgemeinen und vorläufig genügte, so konnte die Bewegung oder besser gesagt die Revolution deshalb doch nicht zum Stillstand kommen. Die französischen   Finanzen be­fanden sich in großer Verwirrung und die eben beginnende Hochflut der Assignaten, des revolutionären Papiergeldes, konnte daran nichts ändern. Dazu kam die permanente Not in der Hauptstadt, die Aufregungen unter dem Landvolke, die troz der Zerschlagung und Verteilung resp. Verschleuderung der feudalen Güterfomplexe an die Bauern da und dort zu Katastrophen führten, und endlich die Erregung und Unruhe der Massen über­haupt, die stets bei großen Umwälzungen unvermeidlich ist. Auf Antrag Robespierres durfte nach Schluß der Reichsstände, resp. der konstituirenden Versammlung kein Mitglied derselben in die nun folgende Legislative gewählt werden, und so kamen lauter neue Personen, neue Parteien und neue Kämpfe. Die Konstitutionellen, die in der ersten Versammlung die Linke ge­bildet hatten, saßen nun auf der Rechten, während die Linke von einer Anzahl junger und feuriger Republikaner besezt wurde. Um diese Zeit hatte Lafayette   schon die Volksgunst verloren; sie fiel Danton  , Desmoulins  , Petion   und auch schon Robespierre   zu.

Was aber am meisten beitrug, den Lauf der Revolution zu beschleunigen, waren die Komplotte des Hofes mit dem Aus­land und die Angriffe des Auslandes gegen Frankreich  . Für die Komplotte hatte man noch keine juristischen Beweise; allein die Verbindung der europäischen   Mächte gegen Frankreich   war den aufgeregten Massen Beweis genug. Und das mit Recht.

Der Angriff der Mächte Europas   war es, der Frankreich  eine ruhige Entwicklung unmöglich machte und der die Parteien antrieb, zu den äußersten Mitteln zu greifen, um den Angriff Europas   abzuschlagen und die Anhänger des gestürzten Regimes im Innern niederzuhalten.

Als die Heere der Mächte gegen die Grenzen Frankreichs  rüdten, geriet dieſes in die größte Erregung, in der man jemals ein Bolf gesehen hatte. Es war eine Reihenfolge von furcht­baren Krämpfen und blutigen Zuckungen, in denen sich Frank­ reich   wand, das auf der einen Seite seine kaum errungene bür­gerliche Freiheit, auf der anderen Seite seine Bevölkerung mit der im braunschweiger Manifest angekündigten exemplarischen Bestrafung", d. h. barbarischen Verwüstung des Landes, bedroht sah. Unter diesen Umständen war es ganz selbstverständlich, daß die Partei die Oberhand erhielt, welche in ihrem Handeln am entschiedensten, in ihren Mitteln am rücksichtslosesten war. Bald rangen die Gironde  ) und die Bergpartei um die Macht, nachdem sie noch am zehnten August 1792 gemeinsam zum Sturm gegen die Tuilerien gezogen waren. Die Girondisten jaßen im Konvent, in der nach der Suspension des Königs neugewählten Nationalversammlung, auf der Rechten und in der Ebene; die Bergpartei hatte die Linke besezt. So hatten sich im Konvent die Parteiverhältnisse wiederum total verschoben,

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*) Die Girondisten  ( Girondins  ) hatten ihren Namen vom Depar­tement der Gironde  , aus dem ihre besten Redner stammten. Sie waren im Prinzip Republikaner  , wollten aber die konstitutionelle Monarchie Die Berg­noch aufrecht erhalten, als dies nicht mehr möglich war. partei( Montagne, Montagnards) hatte ihren Namen davon, daß ihre Mitglieder auf den erhöhten hintersten und äußersten Sizen in den parlamentarischen Versammlungen saßen.

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denn in der gesezgebenden Versammlung saßen die Girondisten noch auf der Linken. Die Girondisten stüzten sich hauptsächlich auf die Departements des Südens und auf die begüterten Klassen; die Bergpartei stüzte sich hauptsächlich auf die Volks­massen von Paris   und auf den mächtigen Jakobinerklub, der mit seinen Filialen das ganze Land bedeckte. Später schuf man dazu noch die revolutionären Ausschüsse, eine Organisation, von der Viktor Hugo sagt: Der Kopf dieses Ungeheuers, welches Frankreich   mit einundzwanzigtausend Armen festhielt, war der Sicherheitsausschuß des Konvents."

Keine der beiden um die Herrschaft ringenden Parteien hatte die Majorität im Lande. Noch im Sommer 1793 be­fanden sich sechzig Departements im Aufstand gegen den Kon­vent. Aber wer Paris   hatte, hatte Frankreich  , und die Berg­partei hatte Paris  , weil sie über die stürmischen Massen der Vorstädte verfügte. Und so triumphirte die Bergpartei über die Gironde   durch ihre rücksichtslose Energie.

Aber die Sieger waren in einer verzweifelten Lage. Sie waren von ganz Europa   angegriffen; ihre Machtmittel waren nicht genügend organisirt und sie hatten im Innern noch mit der empörten royalistisch gesinnten Vendee  , mit dem aufstän­dischen Lyon  , mit dem girondistischen Marseille   und mit dem von den Engländern besezten Toulon   zu kämpfen.

Gegen Europa   organisirten sie vierzehn republikanische Heere, gegen die inneren Gegner organisirten sie das Schreckens­regiment, das System des Terrorismus.

Es gelang durch diese Mittel, die Angriffe des vereinigten Europa   abzuschlagen und die Gegner im Innern niederzuwerfen. Aber um welchen Preis! Denn der Terrorismus der Jakobiner ist es hauptsächlich gewesen, welcher Frankreich   für die Militär­Diktatur Napoleons   vorbereitet hat.

Die Männer der Bergpartei resp. die Jakobiner wußten sehr wohl, daß sie sich in Frankreich   in der Minorität befanden. Als im September 1792 der große Staatsstreich der Repu­ blikaner   in Szene gesezt wurde, hatte Danton   es offen ausge sprochen, daß man sich nur retten könne, in dem man den Royalisten Furcht einjage. Die Bergpartei hatte kein anderes Mittel, um in dem gigantischen Kampfe, den sie 1793 unter­nahm, siegreich zu bleiben, als den Terrorismus. Aber daß es kein anderes Mittel gab, das war eben das Unglück Frank­ reichs  , und überlieferte es dem Despotismus und dem unge­heuren Ehrgeize Napoleons  .

Demokratische Historiker haben den Versuch gemacht, den Terrorismus in mildem Lichte darzustellen und seine Wirkungen als von den Gegenparteien übertrieben zu bezeichnen. Sicher­lich ist bis ins Ungeheuerliche übertrieben worden. Allein jene Beschönigungsversuche müssen immer mißlingen, weil der Ter­rorismus doch sicherlich nicht aus Humanitätsgründen eingeführt worden ist und human gewaltet hat.

Der Terrorismus wurde anfangs mäßig zur Anwendung gebracht; man war sparsam mit den Todesurteilen. Aber bald führte das System zu seinen notwendigen schlimmen Konse­quenzen. Wenn ein berühmtes Haupt auf dem Schaffot fiel, so erweckte das der Regierung tausende von neuen Feinden, die weniger bekannten Häupter erweckten ihr deren hunderte und ganz unbekannte Opfer versezten zum mindesten ihre Angehörigen und Verwandten in Haß und Wut gegen die Leiter der Re­ publik  . So vermehrte das Schreckenssystem mit jedem abge­schlagenen Haupte die Zahl der Gegner der Regierung, die doch bestrebt war, ihre Gegner zu dezimiren und auszurotten. Wer einmal diese furchtbare Bahn betritt, entgeht nicht dem Abgrund, nach dem sie führt.

Wenn man behauptet, die Wirkungen des Schreckensregiments seien nicht so schlimm gewesen, als sie gewöhnlich gemacht wür­den, so weist man gewöhnlich darauf hin, daß die Zahl der vom pariser Revolutionstribunal Verurteilten nur" 1862 Stöpfe betragen habe. Wir können zwar nicht finden, daß diese Zahl eine sehr geringe ist, allein nach neueren und genauen Angaben sind vor dem pariser Revolutionstribunal 5215 Angeklagte er­schienen, von denen etwa 2300 freigesprochen wurden. Bis