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Wangen fächelte, und ich sah in ein Antliz, das mir bekannt und vertraut und doch auch wieder fremd schien, ich rich ich rieb mir die Augen, um dieses entzückend liebe Antliz deutlicher noch schen und erkennen zu können, und riß die Augen weit auf. Nun schaute ich wirklich ein Antliz, deutlich und klar, aber welche Enttäuschung! Das Antliz zeigte einen Schnurr­bart und es öffnete die Lippen und sagte mit Baßstimme : Still gelegen, alter Junge, nicht gerührt und nicht gemtuckt." Ich hatte mich, fast ängstlich suchend, umgesehen im Gemach. Wo war mein Engel? Er war nicht zu entdecken.

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fönnen wir heute schon ein wenig von deinen pecherfüllten jüng­sten Erlebnissen plaudern."

Ich wollte nun zuerst erzählen und mich entschuldigen oder vielmehr anklagen. Aber Heinrich ließ sich darauf nicht ein. Die Kinder hätten alles getreulich berichtet und aus ihren lustigen Mitteilungen wäre ihm und seinen Eltern auf der Stelle flar geworden, daß ich ganz unschuldig in das Pech hineinge­kommen sei.

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Nur in einer Beziehung, lieber Junge, hast du etwas auf dem Gewissen," sagte er schelmisch lächelnd und mit dem Finger

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Du, Heinrich?" sagte ich dann so matten Tones, daß ich drohend. Daß du so ein Don Juan wärst, hätt' ich dir nie selbst darüber erstaunt war. Blos du?" zugetraut. Aber du hast jedenfalls redliche Absichten!?" Ich wurde rot das fühlte ich bis über die Ohren. " Ich weiß wirklich nicht, was du meinst?" erwiderte ich zögernd und seinen forschend auf mich gerichteten Blicken aus­weichend.

Na erlaube mal, After," antwortete Heinrich von Klinger. " Blos ich!? Das ist ja der pure Verrat an unserer unsterb­lichen Freund und Brüderschaft. Wir sehen uns unter äußerst seltsamen Umständen nach jahrelanger Trennung wieder und der Freund begrüßt den um ihn sorgenden, ihn, den Blessirten, wie eine Mutter ihr Kind pflegenden Freund kühl bis ans Herz hinan mit den Worten: Blos du?"

Jezt begann ich mich an das Jüngstgeschehene zu erinnern und es überfam mich das Gefühl einer tiefen Scham.

" Vergib mir, Heinz, du Guter und Lieber, ich weiß nicht. was mir war, ich weiß auch nicht, wie ich hier zu Bett ge­fommen ich weiß nur, daß ich mich, seit ich deines Vaters gastliches Haus betreten, schmachvoll albern benommen habe, schlimmer als ein Kind

Heinrich lachte.

" So schlimm ist die Sache denn doch lange nicht, lieber Kerl. Brauchst dir darüber kein graues Haar wachsen zu lassen. Uebermorgen darfst du wieder aus dem Bett und in wenigen Tagen sizest du, von deinem Fall aus den Wolfen völlig her­gestellt, in unserm Kreise unten im Park bei duftiger Erdbeer­oder Ananasbowle und lachst mit uns über das Geschehene, denn komisch, urkomisch sag ich dir, ist vieles daran."

Ich widersprach erregt. Ich müsse so rasch als nur möglich fort von hier, denn ich hätte mich vertrauensvoller Gastfreunds schaft unwürdig erwiesen, wie ein Unzurechnungsfähiger. Aber Heinrich ließ sich darauf ebensowenig ein, als auf die Beant­wortung meiner eindringlichen Fragen nach den Einzelheiten der Vorfälle nach meinem Sturze von dem Baume.

Morgen," sagte er, morgen, mein Junge. Heut mußt du schlafen, und sollst laut strenger ärztlicher Weisung möglichst wenig reden und garnicht dich aufregen. Wir dürfen wider dieses weise Gebot nicht länger sündigen. Also stillgeschwiegen, mäuschenstill

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Was wollte ich tun? Ich fonnte mich ohnehin kaum rühren, obgleich ich mir sonst nicht frank vorfam. Dabei war ich müde, schr müde, ich schloß die Augen und schlummerte wahr­scheinlich sehr bald unter wirren Träumen ein.

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Am nächsten Tage sah ich Heinrich wieder an meiner Lager­stätte. Er pflegte mich wirklich wie eine Mutter und wich nicht von mir, obgleich ich eigentlich gar nicht leidend war, abgesehen von den Schmerzen in allen Gliedern, die ich etwa so empfand, wie jemand, der mit einer Tracht fürchterlicher Stockprügel heim­gesucht worden.

Aus dem Bette ließ er mich an diesem Tage noch nicht. Auch bekam ich niemandem außer ihm zu sehen, als ein paar­mal den alten Franz, der Essen und Bücher herzubrachte.

Am dritten Tage endlich gegen Mittag wurde mir gestattet, mich zu erheben. Heinrich half mir beim Ankleiden. Jezt fühlte ich erst, wie ich mich zerschlagen hatte, es war ein Wunder, daß alle Knochen im Leibe ganz geblieben waren. Den rechten Arm fonnte ich noch fast garnicht gebrauchen und das rechte Bein auch. Ich kam nur mit einiger Mühe bis zum Sopha, vor dem auf fleinem Tischchen eine Flasche Rotwein mit zwei Gläsern stand.

Komm, Alter, nun endlich trinken wir den Begrüßungs­schoppen," sagte Heinrich vergnügt. Der mehr langweiligen als schlimmen Tage deines Stubenarrestes lezter ist zur Hälfte vorüber. Morgen darfst du in den Garten; und, wenn du willst,

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Rudolfe, Rudolfe," drohte cr, bleibe bei der Wahrheit. Es würde dir auch nichts nüzen, wenn du zu läugnen versuchtest, denn du bist entlarvt. Steh Rede: Bist du dir nicht bewußt, ein keusches Jungfrauenherz in Feuer und Flammen versezt zu haben?"

Ich wußte absolut nicht, was ich antworten sollte. Ich dachte an die zaubersüße Glockenstimme und an die Worte, welche mich so entzückt hatten, kurz ehe ich den jämmerlichen Sturz erlitt. Dann auch an das Engelsköpfchen meiner Träume, das sich bei meinem Erwachen so seltsam in das schnauzbärtige Juristenantliz Heinrich von Klingers verwandelt hatte.

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Nun Nun heraus mit der Sprache," mahnte Heinrich. Mir, deinem besten Freunde, darfst du doch so etwas nicht mit Gewalt verheimlichen wollen."

Er hatte ganz recht, aber was hatte ich denn eigentlich zu gestehen?

Kennst du sie denn, Heinrich?" fragte ich sehr zaghaft. Zu meinem Befremden wußte sich Heinrich vor Lachen gar­nicht zu fassen.

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Na ob ich sie sic, es ist zu kostbar, alter Junge, fenne. Schon länger als ein halb duzend Jahre habe ich das Vergnügen."

Heinrich, ich bitte dich, sage mir, weshalb du so lachst, es ist dochoder es wäre doch wahrhaftig nichts so fomisches, wenn auch ich mich einmal für ein junges Mädchen lebhaft in­terejjiute."

,, Gott behüte, nicht im mindesten. Aber erlaube mir, lieber Junge, daß ich dir deine Frage zurückgebe. Kennst du sie denn?" Das brachte mich allerdings in lebhafte Verlegenheit. Eigentlich nicht" mußte ich antworten. Eigentlich

gar nicht

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Heinrich mußte wieder unbändig lachen.

Hast du sie jemals gesprochen?" examinirte er weiter. Meine Verlegenheit wuchs noch um ein bedeutendes, denn ich mußte erwidern:

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Auch das nicht nicht cine Silbe!" Unter fortwährendem Lachen fragte er weiter: Hast du sie überhaupt jemals außer bei Nacht, wenn alle Kazen grau sind, gesehen."

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Gesehen ja, das heißt: ich weiß nicht, ich weiß gar­nicht, wenn ich ehrlich sein soll, aber ich vermute doch, aber was willst du mit der Nacht und den Kazen, Heinrich? ich verstehe dich nicht

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Heinrich konnte lange Zeit vor ungeheurer Heiterkeit nicht reden. Endlich gelang es ihm doch wieder.

Alter, wenn ich nur wüßte, was dich so verwandelt hat. Du bist ja jezt das lustigste und originellste Menschenkind, das man sich denken kann. Ist der Mensch in eine Sie verliebt, die er eingestandenermaßen garnicht kennt, niemals gesprochen hat, und von der er nur vermutet, daß er sie einmal gesehen haben könnte. Korrespondirt kannst du nach alledem auch nicht mit ihr haben, ihr Bild hast du sicherlich auch nicht gesehen, warum hast du ihr denn nun in aller Welt eine schmetternde, durch das halbe Torf schallende Liebeserklärung gemacht?"