spielen zu lassen. Die Aeneïde von Blumauer aber, die berühmte Travestie des Virgilschen Epos, erschien fast gleich zeitig mit der Jobsiade.

So wagte sich der Autor der Jobsiade auf ein wenig an­gebautes Gebiet, und zwar zu einer Zeit, da man seitens eines mit klassischem Geiste getränkten Publikums an die Herren Autoren sehr hochgespannte Anforderungen zu stellen pflegte. Was wollte die Jobfiade mit ihren ungeschliffenen, allen Vor­schriften von Kunst und Geschmack zuwiderlaufenden Knittel­versen, mit ihren rohen, wie mit der Art zugehauenen Holz­schnitten und mit ihren derben Wizen, bei denen sich einem hochverehrten Kollegio zünftiger Kunstrichter die Haare empor sträuben mußten soweit sie nicht der Perrücke angehörten. Aber sehen wir zu, wie die Jobsiade entstand!

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Karl Arnold Kortum  ( nicht Kortüm  ), der Verfasser der Jobfiade( siehe Illustration S. 296), geboren 1745 zu Mühl­ heim   a. d. Rhur  , studirte 1763 bis 66 Medizin in Duisburg  , wo damals noch eine Universität bestand, und ließ sich 1770 in Bochum   nieder, wo er mit großem Erfolge als Arzt prakti­zirte. Er ward Hofrat   und starb 1824 zu Bochum  .

Kortum   besaß ein umfassendes Wissen; er gehörte zu den sogenannten Polyhistoren, zu den Gelehrten, die in vielen oder gar in allen Wissenschaften zuhause waren und die infolge der Ausbildung und Ausdehnung der Wissenschaften ausgestorben sind. Schon diese Tatsache dürfte gebieten, daß man die Job­siade, als das Werk eines schwer gelehrten Mannes, nicht ober­flächlich nach ihrem ungeschlachten Aeußern beurteile, sondern auf ihren Gehalt prüfe.

Kortum  , eine durchaus humoristisch und satirisch veranlagte Natur, hatte außer einer Reihe von wissenschaftlichen Werken, die ihm einen geachteten Namen erwarben, auch mehrere hu­moristisch- satirische Schriften erscheinen lassen, die aber wenig beachtet wurden. Erst die Jobfiade, die 1784 erschien, schlug durch.

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In eine kleine Stadt gebannt Bochum   mochte damals faum 3000 Einwohner zählen sah sich der lebenslustige junge Arzt auf die Gesellschaft der Elemente angewiesen, die in solch fleinen Städten so häufig dominiren. Gewöhnlich sind es das engherzige Spießbürger- und Philistertum, die kräh­winklige Bureaukratie und die dünkelvolle Patrizierschaft, die in solchen Orten die haute volée, die höheren Kreise" bilden. Kortum  , durch seine Bildung und seinen Geist turmhoch über seine frähwinklige Umgebung erhaben, aber dennoch auf sie an­gewiesen, wenn er überhaupt mit Menschen verkehren wollte, fand sein Vergnügen darin, die Schwächen derselben mit friti schem Auge herauszusuchen und sich innerlich über dieselben lustig zu machen. Und bald nicht blos innerlich.

Man erzählte von ihm einen hübschen Streich, den er den Philistern Bochums gespielt hat. Als Lavater mit seiner Physiognomit auftrat und aus der Gesichtsbildung des Menschen die Karakterbildung erkennen wollte, sandte Kortum   in Ueber­einstimmung mit den Bochumer   Größen deren wohlgetroffene Silhouetten nach seinem Vorgeben an Lavater  , damit dieser die Karaktere aus denselben ableiten sollte. Nach einiger Zeit legte er die Antwort Lavaters vor, in welcher die Karakterschwächen der einzelnen schonungslos gegeißelt und lächerlich gemacht waren. Natürlich hatte Kortum   die Silhouetten gar nicht an Lavater abgeschickt, sondern die angeblichen Antworten selbst verfaßt.

Aus diesem Philisterkreis gestaltete sich Kortum   denn auch die Figuren zu seiner Jobsiade. Dieselben sind fast sämmtlich aus dem Leben gegriffen, und Kortum   wußte ganz genau, daß seine Heimatlichen Philister ihre wohlgetroffenen Porträts darin erkennen würden. Deshalb ließ er sein Gedicht anonym er­scheinen.

Zunächst erschien das erste Buch allein, in dem geschildert wird, wie Hieronimus Jobs*), der Sohn eines Senators oder

*) Kortum   schreibt statt des richtigen Hieronymus konsequent Hieronimus, was wir, der fachlichen Treue halber, für diesen Fall acceptirt haben.

Ratsherrn zu Schildburg in Schwaben, unter sonderbaren Vorzeichen geboren wird, wie er in den Schulen seiner Vater­stadt nicht viel lernt und wie er im achtzehnten Jahr zur Universität gesandt wird, um Teologie zu studiren. Mit diesem Studium nimmt es aber einen eigentümlichen Verlauf, denn, erzählt der Autor von dem jungen Hieronimus Jobs, So gut als der beste Akademikus Lebte er täglich in Floribus, Und es wurde manche liebe Nacht In Sausen und Brausen zugebracht.

Im Raufen und Schlagen fand er Vergnügen, Täglich tat er in der Schenke liegen,

Ging aber auch alle zwei Monate einmal Zur Abwechslung in den Kollegienjaal.

Diese Vergnügen muß der alte Jobst so tener bezahlen, daß er endlich seinen Sohn nachhause ruft. Hieronimus hält dort eine von einem andern verfaßte Probepredigt, die er aus­wendig gelernt hat und die sehr gut gefällt. Allein nun muß er ins Examen und fällt jämmerlich durch, wie denn der Autor mit Recht auf einem Bilde seine Gelehrsamkeit als einen leeren Raum darstellt. Die Examenszene ist eine der gelungensten in der ganzen Jobfiade. Wir wollen nur zwei Antworten des Jobs geben. Man fragt den Herrn Kandidaten der Teologie, was ein Bischof sei, und er antwortet:

Ein Bischof ist, wie ich denke,

Ein sehr angenehmes Getränke

Aus rotem Wein, Zucker und Pomeranzensaft Und wärmet und stärket mit großer Kraft."

Ueber diese Antwort des Kandidaten Jobses

Geschah ein allgemeines Schütteln des Kopfes; Der Inspektor sprach zuerst: Hem! Hem! Drauf die andern secundum ordinem!

Man fragt Jobs nach den Aposteln und er antwortet: Apostel   nennt man große Krüge, Darin gehet Wein und Bier zur Genüge; Auf den Dörfern und sonst beim Schmaus Trinken die durstigen Bursche darans."

Auf diese Antwort des Kandidaten Jobses Geschah ein allgemeines Schütteln des Kopfes; Der Inspektor sprach zuerst: Hem! Hem! Drauf die andern secundum ordinem.

Jobs fällt mit Glanz durch, sein Vater stirbt vor Aerger und nun sinkt der Kandidat immer tiefer. Er wird Haus­schreiber bei einem alten Herrn, wo er eine Jugendgeliebte als Kammerjungfer wiederfindet; da er die Liebschaft fortsezt, wird er entlassen; dann wird er Schulmeister in Ohnewiz, wo er einen blödsinnigen neuen Katechismus einführen will, so daß die empörten Bauern ihn wegjagen; dann wird er Schauspieler, endlich kehrt er nach Schildburg zurück und wird Nacht­wächter, nachdem er die Witwe des verstorbenen Nachtwächters geheiratet.

Und so wandelt er mit seinem großen Horn nachts durch die Straßen von Schildburg und singt, man möge Feuer und Licht wohl verwahren,

Und als geholt, denn

,, Damit sich niemand etwa verbrenne Oder sonst Schaden entstehen könne, Und seid sehr wohl auf eurer Hut, Hut, Hut, Hut, Hut, Hut tut gut."

treuer Nachtwächter wird er von Freund Hein

Sowohl gegen die Paläste der Großen,

Als gegen die Hütten der Armen pflegt zu stoßen

Der überall bekannte Freund Hein

Mit seinem dürren Knochenbein."

So übersezt Kortum   die bekannten Horazischen Verse: Pallida mors aequo pulsat pede etc.

1799 erschien eine neue Ausgabe mit zwei weiteren Büchern, die aber an Wiz und Frische das erste nicht immer erreichen. Im zweiten Buch läßt der Autor den Hieronimus Jobs als

*) secundum ordinem: der Reihe nach.