nur scheintot wieder erstehen; der verbummelte und zum Nacht­wächter gewordene Kandidat der Teologie wird zunächst Witwer, dann kommt er wieder empor und wird zulezt doch noch Pastor, schließlich sogar ein reicher Mann. Im dritten Buch spielt hauptsächlich die Liebschaft zwischen Jobsens Schwester Ester  und dem jungen Herrn von Ohnewiz, wobei auch die mehrfach illustrirte Liebesszene im Garten vorkommt:

,, Sie tranken des Mondes Silberschein

Und das Flimmern der lieben Sternelein."

Alles dies ist in groben, verrankten, ungelenken, allen Regeln der Kunst hohnsprechenden Knittelversen abgefaßt, die auf den ersten Blick abgeschmackt erscheinen können. Aber bald findet man, daß diese Form dem Gegenstande auf den Leib zuge­schnitten ist. Denn die Torheiten und Schwächen der Zeit­genossen, die Kortum ins Auge gefaßt hat, in ernſter und würdigerer Form darzustellen, würde dem Ganzen einen andern Karakter gegeben haben. Man kann zwar sonst sicherlich nichts dagegen einwenden, wenn auch die Karrikatur innerhalb gewisser Kunstgrenzen sich bewegt. Allein hier soll die absichtlich ver­lotterte Form offenbar dazu dienen, die Komik des Ganzen zu erhöhen und den Leser gleichsam zu zwingen, die geschilderten Schwächen und Gebresten der Zeitgenossen nur humoristisch und mit unverwüstlichem Spott aufzufassen. Bei alledem sind tief­angelegte Zeit und Sittengemälde in dem burlesken Gedichte enthalten; niemand, vom Höchsten bis zum Niedrigsten, wird geschont, der Schwächen aufweist. Da werden gründlich ver­höhnt der Dünkel und die Beschränktheit der Kleinstädter, die Unfähigkeit der Schulmeister, das Treiben der Geistlichkeit, die Einbildung des Adels, das zopfige, mit Perrücken behängte Gelehrtentum, die eitlen und wollüstigen Weiber, kurz, die her­vorstechendsten Mängel der Zeitperiode, die nach lebendigen Originalen möglichst getreu dargestellt sind.

Während die zünftigen Kritiker, die sich mitgetroffen fühlten, die Jobsiade als" heillose Reimerei" und als ekelhafte Quis­quiliensammlung" aufs heftigste angriffen*), fand das Publikum die Bedeutung des Gedichts besser heraus. Die Jobsiade erwarb sich einen ungemein großen Leserkreis und wurde mehrfach auf gelegt. Man erkannte sofort, daß in der Jobfiade die Schwächen der Zeit gezeichnet waren, und ergözte sich umsomehr daran, als damals die meisten Poeten die Zeiterscheinungen, so sehr sie des Spottes würdig waren, nur zu loben wußten.

Wenn man sonach an die Jobsiade einen eigentlich fünst lerischen Maßstab nicht legen kann, so bildet doch das Ganze ein höchst interessantes und wertvolles Kulturbild, das uns, trozdem es soviel menschliche Erbärmlichkeit an den Tag zicht, doch nicht trübe zu stimmen vermag, denn des Autors unerschöpf­licher Duell von Humor und Fronie hebt den Leser zu jener leich­ten Auffassung empor, die über menschliche Erbärmlichkeit lachen läßt, statt daß man sich darüber in Aerger oder Trauer versenkt.

*) Unter den neuern Literarhistorikern fand sich der sonst so geist­volle Gervinus bewogen, an der Jobsiade in affektirter Vornehm tuerei vorüberzugehen. Eine Gervinus'sche Kritik des Gedichts wäre doch für das Publikum ersprießlicher gewesen.

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Die drastischen Szenen der Jobsiade mußten auch ihren bildlichen Darsteller finden.*) Und er fand sich in dem be­kannten Maler Johann Peter Hasen clever( s. Bild S. 496), geboren 1810 zu Remscheid  , gestorben 1853 zu Düsseldorf  . Hasenclever  , ein Sohn des Volkes, der unter schweren Mühen und Kämpfen sich emporgearbeitet, hat durch eine Reihe von vortrefflichen Bildern, wie die berühmte Weinprobe 2c., sich einen dauernden Ruhm erworben. Die Jobfiade war Lieblingslektüre seiner Jugend und die Illustrirung des ganzen Gedichts war eine Lieblingsidee des jovialen und lebenslustigen Künstlers. Er hat eine Reihe von Szenen des Gedichts illustrirt. Wir geben eines der besten und gelungensten Bilder, nämlich Jobs im Examen( s. Seite 497).

Wenn einerseits bei dem unglückseligen Kandidaten Jobs sich die Angst und Verzweiflung totaler Unwissenheit vortrefflich ausdrückt, so hat andrerseits in der Darstellung der Examina­toren der Maler offenbar die innersten Gedanken des Dichters erraten. Sie ist unübertrefflich, diese Sammlung von Ge­lehrtentypen des vorigen Jahrhunderts. Auf jedem Gesicht steht eine andere und eine größere Lächerlichkeit geschrieben, aus der Gesammtheit aber mag man die Summe von Dünkel, Pedanterie und Arroganz erkennen, die in dem größten Teile der damaligen Gelehrtenwelt heimisch war. Diese in Holz oder Stein verwandelten Menschen halten das bischen armselige Schulweisheit, die sich unter ihren staubigen Perrücken verbirgt, wirklich für den Gipfelpunkt menschlicher Vollkommenheit. Wie sie dasizen im Vollgefühl ihrer Erhabenheit:

" Bei dieser Antwort des Kandidaten Jobses Entstand ein allgemeines Schütteln des Kopfes; Der Inspektor sagte zuerst: Hem! Hem! Drauf die andern secundum ordinem."

-

Und so dumm der arme Jobs auch aussieht unter seinen Examinatoren mag mancher sein, von dem man mit Heine sagen möchte, daß er in der Dummheit fast ein Genie" sei.

"

Und diese Sorte von Gelehrten" ist heute keineswegs aus­gestorben, weshalb das Bild des rheinischen Malers auch heute seinen besondern Wert hat und haben wird, so lange es dünkel­hafte Hohlköpfe gibt, die sich mit angeblicher Gelehrsamkeit brüsten.

Dem lustigen Dichter und dem lustigen Maler der Jobsiade aber weiht man gern heute ein anerkennendes Wort, da nun­mehr das hundertste Jahr voll wird, seitdem der Kandidat Jobs ins Land gegangen,

und

Eine Historie, lustig und sein, In neumodischen Knittelverselein" Männiglich in den deutschen Landen ergözet und erfreuet hat, mit Ausnahme derer, so in den Fi guren der Jobsiade ihr eigen Konterfei erkannt. Welche sich weniger gefreut haben mögen. Wilhelm Blos  .

*) Auch Wilhelm Busch   hat Bilder zur Jobfiade gezeichnet.

Das Problem

Es ist kein Paradoxon, wenn man behauptet, daß der Fort­schritt der Wissenschaft nicht darin bestehe, Rätsel zu lösen, sondern in jedem Rätsel neue Probleme zu entdecken. Die Geschichte der Philosophie beweist das, wie die Geschichte jeder Wissenschaft. Die alten Fragen, welche das philosophische Denken seit jenem Tage beschäftigten, wo der Mensch anfing, über seine Stellung und Bedeutung im Laufe der Dinge nachzugrübeln, fie sind auch jezt noch ungelöst, nur ihre Form hat sich in der Entwicklung des spekulativen Sinnes je nach dem Standpunkte, von dem aus man sie betrachtete, vielfach verändert, und wenn es auch nach wie vor die Aufgabe der Philosophie geblieben ist, die lezten Gründe des Seins und Erfennens aufzudecken,

des Lebens.

das einzige wahrhafte Resultat, das sie von den Eleaten bis auf Kant zu verzeichnen hat, ist nur die Darlegung der unend­lichen Schwierigkeiten, auf welche die Versuche zur Lösung dieser Aufgabe gestoßen sind. Man kann es daher sehr wohl ver­stehen, wenn einerseits immer und immer wieder jeder Auf­schwung der Spekulation mit dem äußersten Steptizismus und vollständiger Indifferenz diesen höchsten Fragen gegenüber endete, und wenn andrerseits diejenige Richtung, welche sie nicht fallen lassen wollte, ihre Beantwortung von ganz andern Metoden und Untersuchungen erwartete, von Untersuchungen, die, auf alle abstrakten Prinzipien verzichtend, bisher unsere Kenntnis von der Welt und ihren Verhältnissen im höchsten Maße bereichert