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Wagen haben allerdings einen Umweg zu machen, und mich wundert, daß die Londoner nicht schon einen Fahrstuhl für den Wagenverkehr angebracht haben. Wird diese Straßenüber brückung fortgesezt, so kann man sehr wohl eine auf den obersten Stockwerken der Unterstadt basirte Oberstadt einrichten. Die Häuser brauchen nur doppelte Höhe zu erhalten. Und in der Tat' ist der Raum in der City so kostbar, daß jezt bereits im Gegensaz zu den umliegenden Bezirken, die Häuser vier und fünf Stock werke zählen. Dabei aber sind sämmtliche Stockwerke in Lager­räume oder Komptoirs umgewandelt. In der ganzen City wohnen sehr wenig Geschäftsleute; die Wohnungen sind billiger und bequemer weiter draußen, und nur hier und da haben die Schenkwirte, Tabakkonisten, Speisewirte sich eine Wohnung reservirt, weil sie bis spät Abends ihre Lokale offen halten. In den Geschäftshäusern, die speziell für die Geschäftswelt ge­baut sind, findet man meist nur den Vizewirt, wenn sie nicht nach Schluß der Läden und Komptoirs ganz leer sind. Die neueren Geschäftshäuser haben ihresgleichen in Deutschland nicht; oft gleichen sie wahren Palästen, sind verschwenderisch ausgestattet, im Flur sizt der Portier am Kaminfeuer, um Besucher in dem Labyrint von Treppen und Korridoren zurechtzuweisen; nicht selten findet man 20, 30 und mehr Geschäfte aller Branchen in einem Hause vereinigt. Dagegen nehmen Banken und Ver­sicherungsgesellschaften oft ganze Stockwerke, auch wohl ganze Häuser ein.

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Auf den Straßen bilden Kommis das Hauptkontingent der Passanten, sie eilen zum Markt oder zur Börse; fallen auf dem Wege auch wohl in ein Frühstückslokal, wo sie Tee mit Zu­taten oder derbere Fleischkost zu sich nehmen. Treffen sie mit Bekannten zusammen, so schweifen ihre Augen nach der nächsten Bierschenke der Engländer kann nicht gut an ihr vorüber­gehen, zur Belebung der Freundschaft wird ein Schnaps ge­trunken, und beliebt ist es, um die Zeche zu tossen", d. h. Kopf oder Wappen"( der Geldstücke) entscheiden zu lassen. Das tossen wird aber auch bei anderen Gelegenheiten verwendet; wenn bei Waarenauktionen zwei Leute dasselbe Höchstgebot ge= macht haben, und keiner höher gehen will, dann wird" getoßt".

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In zweiter Linie fallen die Halbbeschäftigten auf, Fremde, auswärtige Käufer, die Läden musternd. Arbeiter sieht man hier weniger, sie sind in den Magazinen, Speichern, auf den Docks u. s. w. beschäftigt, oder sie jagen auf den Gepäckwagen ( die gemütlichen deutschen Rollfuhrwerke sind hier längst abge­schafft) ihren Arbeitsstätten zu. In der City findet man eben nur Backer, Kärrner, Träger. Die eigentlichen Fabrikations­distrikte liegen außerhalb. Arbeitslose finden sich leider auch überall in der City Bummler nennt sie der Gedankenlose und wo sie immer die Möglichkeit finden, durch Hand­reichungen einige Pence zu verdienen, sind sie sofort zur Stelle. Neben dem Fußsteig halten Obsthöker und Pennyartikel- Verkäufer ihre Waare feil, der Zündholzknabe ist sofort mit einem bren nenden Zündhölzchen bei der Hand, wenn man sich ein Pfeifchen stopft, und vor der Börse haben Blumenhändlerinnen verlockende Knopflöcher" wie der Engländer furzweg die Knopfloch sträußchen nennt zu guten Preisen bereit. Ihre Kunden sind die Kommis.

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Zur Börsenzeit begeben sich auch die Prinzipale auf die Börse sie klettern auf den Giftbaum", um sich die gol­denen Früchte zu pflücken; und sie müssen sich wohl an das Gift gewöhnt haben es bekommt ihnen sehr gut. Die Bank von England aber öffnet ihre Hintertore, um die Wagen herein­zulassen, in denen andere das im Schweiße des Angesichts fauer Erworbene sackweise hereinbringen, um ihrem Bankkonto aufzuhelfen. Es ist ihnen ja gleichgiltig, daß es nicht der in Gold umgesezte Schweiß ihres eigenen Angesichts, sondern der kapitalisirte Schweiß fleißiger Arbeiter war, den sie zur Hebung des Geschäfts bestimmen. Gegenüber der Bank von England findet man das Mansion- House, den offiziellen Palast des Lord Mayors, der einen eigentümlichen Eindruck macht ich meine den Palast, da die Frontseite ein griechisches hohes Säulenportiko zeigt, dem aber die notwendigen breiten Treppen

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fehlen nur schmale seitliche Aufgänge führen in enge Pfört­chen und die erste Pforte steht jedem Besucher offen, der sich einen englischen Friedensrichter anschauen will- es ist der Lord- Mayor selbst, der in prächtigem Tronsessel malerisch und würdevoll ruht, mit wallender weißer Perrücke, während über seinem Haupte ein Schwert hängt, nicht das des Damokles, sondern das Richtschwert, die Rechte spielt mit dem Gänsekiel ( die englische Stahlfeder wird auf dem Kontinente mehr ver­wendet als in England, wo noch oft die Gansfeder in Gebrauch), und ab und zu stüzt er das Löwenhaupt- es muß für find­liche Gemüter ein tief eindringlicher, und von der Majestät des Gesezes zeugender Anblick sein. Kläger und Angeklagter bringen sich ihre Zeugen mit, und fabrifmäßig arbeitet der Richter, stellt seine Fragen und schneidet alle langen Reden mit furzer Ent­scheidung ab: um 11 Uhr beginnt die Arbeit, um 2 Uhr müssen soundsoviel Fälle abgetan sein, denn der Richter muß sein Lunch ( Frühstück) nehmen.

Beim Eintritt der Dunkelheit erstrahlen die Läden in vollem Lichtglanze, sie sind verschwenderisch mit Gasbrennern ausgestattet, und entfalten so ihre tiefsten Tiefen dem Auge des Beschauers; Gas brennt außen und innen; einige größere Restaurationen haben Doppelreihen von Brennern vor der Hausfront, wie auch die Schlachter, bei denen diese Illumination als traditionelle Einrichtung zum Leitstern für Käufer dient. Im Westen und Süden der City hat sich die elektrische Beleuchtung eingebürgert, und die verschiedenen Systeme tämpfen noch um die Herrschaft auf den Straßen und in den Häusern. Im Westen breitet sich das Glühlämpchen aus und beherrscht in Newgate die Straße und die Läden. Größere Etablissements haben sich in der ganzen City die elektrische Beleuchtung angeeignet, und die Lichterpracht südlich von der Bank und der Börse grenzt ans Feenhafte. Alle Stockwerke, alle Fenster gleich hell erleuchtet, scheinen eine stetig wiederholte Illumination zu Ehren des Gottes Merkur . Von erhöhtem Sizpunkte des Omnibus herab entschleiern die Lichter hier und da die gewaltigen Geschäfts­räume der Banken und Versicherungsgesellschaften, in welchen ich ich in einem Raume vereint vierhundert und mehr Lampen zählte, denen ebensoviele Clerks entsprechen. An anderen Stellen hat man einen Blick in Verkaufshallen, die plaz für 2000 Menschen haben. In prächtiger Ausstattung bergen sie große Schäze an heimischen und fremden Produkten. Auch Zei­tungsherausgeber ahmen diesen Styl nach; in Fleetstreet befindet sich ein solcher Zeitungspalast, mit Marmorsäulen, Teppichen, Kronleuchtern c. ausgestattet, zur Entgegennahme von Anzeigen und zur Austeilung der Zeitungen an die Verkäufer. Vor dem Hause halten leichte einspännige Wägelchen, die die neuen Aus­gaben in die entfernteren Stadtteile und anf die Bahnstationeu zu bringen haben. In Fleetstreet überhaupt haben sich die Zeitungen gesellig eingerichtet; Haus bei Haus fast sind die Lokalitäten großer und fleiner Blätter zu finden. Die Zeitungs­verkäufer sind im Notfalle stets zur Hand.

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Stocks und Sharebroker( Banquiers, Wechsler, Börsenagenten) haben sich im Angel- Court konzentrirt, dicht hinter der Bank von England . Von ihren Komptoirs aus laufen Telephon- und Telegraphenleitungen in dichtem Gewebe nach der Zentralstelle. Hier kann man zur Börsenzeit hunderte von Agenten vor den Türen der Börsenbarone finden, bereit, ihre Weisungen zur Ausführung eines Koup entgegenzunehmen, der Tausende zu den vorhandenen Millionen fügt.

Wendet man sich dem Süden zu, findet man östlich von London Bridge an beiden Ufern der Themse mächtige Speicher, mit Waaren bepackt, vor denselben Frachtwagen, meist den Spediteuren zugehörig, deren einige über 1000 Wagen und 3000 Pferde beschäftigen. Laſtträger schleppen die Kisten vom Speicher auf den Wagen; eine Schulterpolster, auch den Kopf bedeckend, dient ihnen zur Erleichterung ihres mühsamen Ge­werbes. In endlosen Kolonnen entströmen sie den Speichern und schreien nach dem Wagen für diese oder jene Station oder Zentralstelle. Die Vormänner weisen sie zurecht und der Fahrer stapelt die Kisten auf den Wagen, während der Policeman das