Doktor Asolanis Anerbieten war edel und hochherzig, ich fühlte, daß ich ihm dafür erkenntlich sein mußte, aber mein Stolz empörte sich gegen den Gedanken an irgendeine Handlung, die als eine Schwäche meinerseits gegen Umberto hätte gedeutet werden können. Ich hatte mich nur schon zu sehr gedemütigt. Ich beharrte also auf meiner Weigerung, ich erklärte, daß ich von Umberto nichts mehr wissen wolle, daß ich ihn verachte, daß ich fest entschlossen sei, ledig zu bleiben. Aber der Doktor fing mit grenzenloser Geduld wieder an:
„ Gib Acht, Emilia, man darf nicht so leichtsinnig einen Entschluß fassen, von dem unsere ganze Zukunft abhängt. Wenn man einen Menschen zwölf Jahre hindurch geliebt hat, wenn man diesem Menschen jeden geheimsten Gedanken seines Innern anvertraut hat, wenn ihm jeder Schlag des Herzens geweiht gewesen ist, so verliert man, wenn man ihn verläßt, ja nicht nur ihn allein, sondern zugleich auch einen Teil seines Selbst. Du kannst deine Liebe von ihm abziehen, aber du kannst niemals deine Vertraulichkeiten von ihm zurückerhalten; du kannst dir deine Briefe wiedergeben lassen, aber du wirst niemals den Schaz von Zärtlichkeit wiedererstattet erhalten, den du an einen Mann verschwendet hast, an den du die Erinnerung heute sogar schon auslöschen möchtest. Wenn du meinem Rate folgst, so läufst du ja nicht hinter ihm her, fleine Stolze, die du bist, sondern du läufst hinter dir selber her. Du bist entschlossen, ledig zu bleiben. Eine alte Jungfer kann ohne jeden Zweifel sehr achtbar sein, aber in Italien , muß man bekennen, ist die weibliche Erziehung nicht dazu angetan, der Frau, die sich nicht verheiratet, eine unabhängige Stellung zu bereiten. Mit dreißig Jahren, und du hast sie ja bereits überschritten, muß man entweder eine eigene Familie haben oder man muß vollkommen selbständig dastehn. Bei dir wäre weder das eine noch das andere der Fall. Mit all deinem Geist, mit all deiner Bildung würdest du doch nicht imstande sein, dir eine Stellung zu verschaffen, dir eine Quelle geziemender und nüzlicher Tätigkeit zu eröffnen. Oh, ich weiß ja, was du mir sagen willst. Du würdest die sorgliche Gefährtin deines Vaters sein und die Erzieherin deiner Neffen und Nichten. Es ist das ja ein heiliges Amt, und wenn meine diplomatische Mission fehlschlägt, so kannst du dich ihm widmen, wie du willst und magst. Aber laß es uns zunächst versuchen. Ich verhehle dirs nicht, mir macht der Gedanke Pein, daß du hier alt werden sollst, daß dein Leben nichts für dich sein soll, als eine beharrliche Selbstverlengnung. Die Selbstverleugnung gereicht den andern zum Vorteil; man muß nicht zuviel davon besizen, wenn man nicht will, daß die andern absolute Egoisten werden. Schenke mir Gehör, Emilia, traue meiner Erfahrung; meine Jahre wollen doch auch wohl etwas sagen."
Kurz: durch die Macht seiner Worte brachte es der Doktor Asolani endlich dahin, meinen Widerstand zu besiegen. Nicht, als ob ich überzeugt gewesen wäre, aber ich wußte nicht mehr,
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was ich ihm antworten sollte. Schließlich kam es zu einem Kompromiß zwischen uns. Ich widersezte mich der Reise des Doktors nach Mailand nicht mehr, unter der Bedingung, daß öffentlich der Zweck seiner Fahrt der sein sollte, Umberto von mir seine Briefe zurückzubringen, sowie seine Bilder und die fleinen Geschenke, die er mir in den zwölf Jahren gemacht hatte, sowie sich andrerseits das wiedergeben zu lassen, was er selbst noch von mir besaß. Mit diesem einzigen Auftrage sollte er sich bei Umberto einführen und seine Neigung für mich so auf die Probe stellen. Wenn Umberto mich nicht mehr liebte, was zu glauben ich alle Ursache hatte, so würde er ja mit Freuden die Freiheit annehmen, die man ihm auf solche Art zurückbrachte; wenn er mich noch liebte, so mußte er sicherlich dies erst bekennen, ehe er sich einen Entschluß gefallen ließ, der einen unheilbaren Bruch bedeuten mußte. Im ersten Falle mußte der Doktor mir zuschwören, auch nicht ein einziges Wort mehr hinzuzufügen, nicht einen einzigen Schritt Umberto entgegen zu tun, der auf einen Versuch der Versöhnung hätte hindeuten können, nur im zweiten Falle, der aber der minder wahrscheinliche war, verließ ich mich auf ihn und verließ ich mich auf das, was er seine Erfahrung nannte. Aber er solle sich wohl hüten, sich nicht vom trügerischen Schein verführen zu lassen, ich würde ihm das nun und nimmermehr vergeben.
,, Enfant terrible!" rief der Doktor lächelnd und versprach mir, sich strenge an meine Instruktionen zu halten.
Wie traurig, liebste Maria, war jener Samstag! Als der gute Doktor am Abend in mein Zimmer fam, zeigte ich ihm auf dem Tische mehrere versiegelte Packete. Da ist-" sagte ich und hatte nicht die Kraft, mehr zu sagen.
"
Er trat an mich heran, füßte mich auf die Stirn und fragte mich:" Willst du sie in meine Wohnung senden oder soll ich herschicken, um sie holen zu lassen?" Dann, als ob er einen Gedanken von mir erriete und sich beinahe bei mir entschuldigen wollte, fügte er hinzu:„ Nein, nein, du hast recht, du wünschest, daß ich sie selber trage... daß ich sie selber trage... Mut, Emilia, hoffen wir, daß sie nicht aus meinen Händen kommen, daß ich sie dir mit unverlezten Siegeln zurückbringe."
Ich schüttelte den Kopf. Bald darauf erhob sich der Doktor, um sich zu verabschieden. Er nahm die voluminösen Packete mit Briefen( es waren ihrer soviele!) unter den Arm, steckte die kleineren Päckchen in die Tasche seines Ueberrocks und ging, indem er mir wiederholte:„ Mut! Mut!"
Ich ließ mich in einen Sessel fallen, betrachtete die offen stehenden, leeren Schubfächer, und mir wars, als ob alle Poesie des Lebens für immer von mir gegangen wäre zusammen mit diesen Erinnerungen an meine unglückliche Liebe. Drunten im Salon sprach der Doktor Asolani noch mit meinem Vater und mit meinem Bruder. Ich hörte die Stimme des Papas, der sagte:" Sie werden sehen, daß sich die Dinge nicht mehr zurecht bringen lassen!"
Welthandel und nationale Produktion.
Wenn wir alle die Gründe kennen lernen wollen, welche es verursachen, daß die deutsche Waare selbst in Deutschland keines wegs überall mit der ausländischen konkurrirt, werden wir nicht umhin können, danach zu fragen, ob der deutschen Produktion, sowie dem deutschen Waarenvertrieb nicht gewisse Schwächen und Mängel anhaften, die der nichtdeutschen Konkurrenz den Kampf erleichtern.
Die Antwort auf diese Frage möge ein Sachverständiger erteilen, von dem anerkannt und unbestritten ist, daß er sein Urteil über die bezüglichen Verhältnisse nur abgibt, um der deutschen Industrie- und Handelswelt nach Möglichkeit zu nüzen. Der Sachverständige, welchen ich hier im Auge habe, ist der ehemalige Chefsekretär des deutschen Reichskommissars für die Weltausstellung in Melbourne , Dr. phil . Georg Seelhorst,
( Schluß folgt.)
( Fortsezung statt Schluß.)
der unter anderm vor wenigen Wochen eine Broschüre hat er scheinen lassen unter dem Titel:„ Die deutsche Waare auf dem Weltmarkt."
In derselben, auf S. 28 u. flg., verbreitet er sich über die Leistungen der deutschen Industrie, in erster Linie der Textilindustrie, für den Weltmarkt wie folgt.
„ Unsere Maschinen," sagt er, sind gut, das Rohmaterial beziehen wir ebendaher, wo es die andern hernehmen und unsere Muster, soweit sie fünstlerische Beihilfe erfordern, sind weit besser geworden, als sie vor zehn Jahren waren. Die Spe zialisirung hat sich hier von selbst ergeben, da sie in der Natur der Sache liegt. Ja, wir können mit Freuden konstatiren, daß sich Spezialitäten herausgebildet haben, die ihren Plaz sehr ehrenvoll ausfüllen. Ich denke dabei an die Damenkonfektions