plizirtere Formen nicht zu haben, auch gerade an den einfachsten zeigten sich die gröbsten Sünden gegen die Regeln der Harmonie. Schlechtes Formen rächt sich aber doppelt, denn man spart keine Zeit und Arbeit dabei und muß dann noch einmal Zeit und Arbeit anwenden, um die Grate zu entfernen, Löcher zu vernieten u. s. w., und verliert noch Material dazu. Während ich dieses schreibe, liegt eine bedeutende Quantität Eisenguß von einer sehr bedeutenden Firma in Deutschland vor mir, Tür griffe, Schlüsselschilder u. dergl., die an Stumpfheit der Zeichnung und Roheit der Form nichts zu wünschen übrig lassen. Einige sind vernickelt, aber das Nickelmetall schämt sich ordent lich, so in die Welt geschickt zu werden. Bei anderen ist die Zeichnung noch hübsch mit dicken Delfarben überschmiert. Ich Jch kann es keinem Architekten verdenken, wenn er solche Arbeiten an seinen Bauten nicht verwenden will. Ich habe auf der berliner Ausstellung 1879 sehr schöne Güsse gesehen, aber im ganzen stehen wir in der Formerei hinter Frankreich , England und Amerika zurück. Das ergibt sich sowohl durch Vergleichung unserer besten Leistungen im Kunstgewerbe mit den besten der anderen, wie noch vielmehr bei Maschinenartikeln. Ausnahmen sind ja auch hier vorhanden, namentlich im Kunstguß in Bronze, aber was hilft es der Industrie, wenn fünf oder sechs Gießereien Vorzügliches leisten, sobald die Exportwaare schlecht gemacht ist? Mit Statuen wird wenig Handel getrieben.
„ Erfreuliche Fortschritte hat unsere Edelschreinerei gemacht. Ich habe diesen Gegenstand besonders in meinen Berichten über die australischen Ausstellungen hervorgehoben. Um aber gleich noch eine Exportwaare zu erwähnen, die hierher gehört und in der das„ billig und schlecht" sich gar breit macht, so sei der Zinkguß genannt. Ich habe viel Beispiele gesehen, daß ganze Posten Waare am Bestimmungsort so durchgerostet ankamen, daß sie unverkäuflich waren. Ist das nicht ein Mangel im Technischen? Französische Zinkgriffe taten das nicht. Der Grund liegt nur im Sparen an Sorgfalt und Arbeit. Hat der aus wärtige Besteller das aber einmal erlebt, so will er sicher keine deutsche Waare mehr, der eine Fall wird sofort generalisirt und ein ganzer Industriezweig ist diskreditirt.
" In Werkzeugen liefern einige deutsche Fabrikanten ganz Vorzügliches und doch sind wir im eigenen Lande das Vorurteil noch nicht los, daß englische Feilen, englische Hobeleisen und Messer, englische Nähnadeln nur allein gut wären. Wie viele deutsche Waare ist noch mit ,, warranted cast steel" oder ,, best gold eyed sharps" bezeichnet, ganz zu schweigen von den hunderten englischen Etiketten der deutschen Nähnadelfabriken. Nur wenige derselben schreiben jezt ihre Firmen auf die Verpackung oder prägen sie auf die Waare. Durch solches Vorgehen allein kann das Urteil des Marktes sich berichtigen; so lange aber die gute deutsche Waare unter englischer Flagge segelt, ist der Fremde ja gar nicht imstande, anders von uns zu denken."
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Ueber das angebliche Vorurteil, von dem Seelhorst im vorhergehenden Passus spricht, scheint mir einiges bemerkenswert. Es mag, oder ich bin sehr gern bereit, es den Sachkennern zuzugeben- es ist jezt ein Vorurteil, daß englische Werkzeuge besser sind, als deutsche. Es ist gewiß erfreulich, daß gegenwärtig in Chemniz, Solingen u. a. D. in diesem Teile der Metallindustrie Vorzügliches geleistet wird, aber ist das nicht im Großen und Ganzen erst eine Errungenschaft unserer Zeit? Vor nicht langem war das kein Vorurteil, nicht blos auf diesem oder jenem Gebiete der Metallindustrie, sondern auf vielen anderen Gebieten waren uns die Ausländer, an ihrer Spize die Engländer, voraus, weit voraus. Wenn wir gerecht sein wollen, können wir also niemanden die Vorliebe für fremde Waaren so sehr verdenken, als es heutzutage, nachdem die glücklichen Kriege Preußen- Deutschlands einen manchmal über die Grenzen des Vernünftigen und Unparteiischen weit hinaus gehenden Nationalstolz wachgerufen haben, sehr häufig geschieht. Und wenn sogar heute noch der alte fleinhandwerkernde Schlenvielleicht wirklich neuen drian zu der neuen Unsolidität und Unreellität hinzugekommen ist, in vielen Gassen und Winkeln
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der deutschen Produktion feſtſizt,-was Wunder, daß auch die deutschen Käufer sich selbst auf denjenigen Waarengebieten nur sehr schwer an deutsches Fabrikat gewöhnen, wo eine merk liche Wendung zum Besseren bereits stattgefunden hat?
„ Die Holzindustrie," fährt Scelhorst in seiner Kritik fort, ,, können wir für unseren Zweck in zwei Gruppen abteilen, die Möbelfabrikation und die der Galanteriearbeiten. Die erstere
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ist, Dank der Zuziehung künstlerischer Kräfte und der im Publikum erwachten Liebe zu guter Arbeit sehr bedeutend besser ge= worden, sie kommt aber für den Exporthandel wenig oder gar nicht inbetracht. Desto mehr die leztere. Sie ist ziemlich lokalisirt. Es arbeitet da der Drechsler, der Schreiner und der Schnizer, oft alle drei am gleichen Stück. Abgesehen von Geschmackssünden, die sich in den Schnizarbeiten noch allzubreit machen, ist bei diesen Gegenständen der Mangel an Solidität und Genauigkeit sehr zu beklagen. Schiefe, nicht schließende Gehrungen, ungerade Fugen, roh aufgenagelte Böden, klemmende oder allzulose gehende Schiebladen, deren zu winzige Beinknöpfchen beim ersten Anfassen losgehen, das sind nebst falscher oder gar schief und unsymmetrisch angebrachter Verzierung und schlechten Schlössern die unangenehmen Eigenschaften, die wir in einem Laden an solchen Fabrikaten wahrnehmen können. Derartige Kästchen, Schatullen, Schränkchen u. s. w. in hunderterlei Benennung und Verwendung gehen nun massenhaft in überseeische Länder. Ihre Preise sind fabelhaft niedrig. Werden sie dem fremden Käufer eine hohe Meinung von unserer Jus dustrie beibringen? Ich glaube kaum. Die Holzspielwaaren franken am gleichen Uebel, sie müssen so billig sein, daß man feine gute Arbeit dafür liefern kann. Ebenso gehts mit den groben Schnizwaaren, wie Kochlöffel, Schaufeln u. s. w. Tie Gegenden, wo solche Dinge von einer Art Hausindustrie geliefert werden, leiden am ärgsten Pauperismus. Vereine und Private, die da helfen wollten, haben die schlimmsten Erfahrungen gemacht.
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Weit besser ists mit den feinen Schnizarbeiten geworden, wie sie z. B. eine Spezialität Oberbaierns sind. Da sind überall tüchtige künstlerische Kräfte berufen worden, die freilich eine sehr schwere Aufgabe haben, aber die Wirkungen solchen Strebens sind unverkennbar. Anderwärts fehlts aber noch sehr. Es wird im alten Schlendrian fortgeschafft, und die billige aber unsolide Waare geht in Menge auf den auswärtigen Markt, unseren Ruf immer und immer wieder gefährdend. In sehr wenigen Fällen ist der Verfertiger bekannt oder tritt als Verkäufer auf. Der Exporteur versendet in einer Kiste oft die Waare von vier, fünf verschiedenen Lieferanten. Dabei fann ja auch manches Gute sein, aber der Gesammteindruck auf den Fremden ist immer wieder ein ungünstiger. Unsere Glasindustrie arbeitet für den Export wohl nur Spiegel, und auch hier sind es vorzugsweise kleine und billige Sorten, die in Massen hinausgehen. Die Preise sind so gedrückt, daß nur durch Benizung billiger Wasserkräfte zum Schleifen und Poliren die Fabrikation möglich bleibt. Auch hat dieser Export seit zwanzig Jahren bedeutend abgenommen. Die Rahmen, in denen die billigen kleinen Spiegel sich befinden, weisen zum Teil eine Qualität, mit der durchaus fein Staat zu machen ist. Sie stammen zuweilen aus den Werkstätten der Zuchthäuser. Daß wir auch gute und schöne Rahmen und Leisten machen können, weiß ich recht wohl, aber auf dem Weltmarkt sieht man noch nichts davon.
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Hohlglas, geschliffen, bemalt und vergoldet, bildete in sehr früher Zeit eine Spezialität der deutschen Glashütten und noch jezt zieren solche Gläser unsere Sammlungen. Allein in der Gegenwart sind wir damit ins Hintertreffen gekommen und bis jezt haben nur wenige Hütten ein Fabrikat aufzuweisen, welches sich mit dem böhmischen, englischen und französischen messen kann. Und doch wäre darin viel zu machen, wir besizen alle Bedingungen dazu, nur scheint es an geschickten Arbeitern zu fehlen.
„ Ein erfreulicheres Bild bietet die Tonwaarenindustrie, ja wir haben seit einigen Jahren uns hier ganz neue Gebiete zu eigen gemacht. Die Porzellanfabrikation, die ja bei uns seit