dicht vor seiner Hauptstadt ein Volk von Bauern saß, welches frei war von den Banden des Lehnswesens. Als er auf güt­lichem Wege von den Stedingern keine Abgaben erlangte, warf er dem zähen, unerschrockenen Gegner den Fehdehandschuh hin. Aber wie sollte er sich in den kampfbereiten Bauern täuschen! Ebenso wie später die Blüte der österreichischen Ritterschaft in der Schlacht bei Sempach   von einem Bauernhausen der Schweizer  dahingemäht wurde, ebenso erlag das vitterliche Heer, welches Gerhard II.   aufgeboten hatte, den Stedingern in der Schlacht am Himmelskamp( 1229), in welcher auch der Bruder des Erz­bischofs, der Graf von Lippe, erschlagen wurde. Da griff der Da griff der starrsinnige Bischof zu einem Mittel, das schon anderwärts seine guten Dienste getan: er versuchte die Stedinger als Kezer zu brandmarken. Wußte er doch, welche Bedeutung solche Auflage hatte! Wider die Kezer waren ja alle Mittel, selbst der Mord, erlaubt. Und hatte man nicht schon ganze Landschaften, so die Provence, auf diese Weise der Kirche wiedergewonnen? Einer seits galten die Stedinger im Auge der Kirche schon, weil sie ungehorsam waren, indem sie die Abgaben, den Zehnten, ver­weigerten, als Kezer; andrerseits war es nicht schwer, wirkliche Irrlehren bei ihnen zu entdecken. Herrschen nicht noch heute allerwärts bei dem Landvolke Ueberreste des alten heidnischen Aberglaubens? Wieviel mehr war das damals der Fall! So auch bei den Stedingern.

Nach mancherlei Unterhandlungen, bei welchen die harmlosen Stedinger der größten Greueltaten beschuldigt wurden, erteilte der Pabst Gregor IX.   die Vollmachten zur Kreuzpredigt gegen die kezerischen Bauern der Unterweser  , die allerdings die meisten der anmaßenden und unsittlichen Priester vertrieben hatten. Jezt wütete in Deutschland   der furchtbare Inquisitor Konrad von Marburg  , der gegen die Friesen das Kreuz predigte. Ueber die Stedinger wurde der Bann ausgesprochen, und selbst der große Hohenstaufe, der Feind des Pabsttums, der, wie schon erwähnt, die Frömmigkeit der Stedinger selbst bezeugt hatte, selbst er fügte sich der Kirche und verhängte über das Land die Acht. Was die beiden Strafmittel Bann und Acht damals bedeuteten, ist bekannt. Aber obwohl sich so drohende Gewitterwolfen zu­sammenzogen, so zagten die kühnen Stedinger doch nicht. , Lieber tot sein, als Sklav," dieser alte Wahlspruch der Friesen schallte jezt laut durch ihre sonst stillen Dörfer. Ihre Grenzen waren wohl verwahrt. Im Norden und Westen wurden sie geschüzt durch Sümpfe und Moore, im Osten durch die Weser  . Im Süden hatten sie Schanzen errichtet und der wichtige Paß bei Hasbergen   war wohl verwahrt.

Mit fanatischem Eifer hatten die Dominikaner  , die Traban­ten der Kirche, in Norddeutschland den Kreuzzug gepredigt. Der Erfolg war ein großer. Im Frühling 1233 strömten aus vielen Gauen Ritter und Knappen in Bremen   zusammen, um von hier aus zunächst Oststedingen zu züchtigen, in dem auch bald ein furchtbares Gericht gehalten wurde. Aber immer noch wohnte der Kern der stedingischen Bevölkerung in Weststedingen sicher hinter seinen Deichen. Da ersann Gerhard II.   einen teuflischen Plan. Er wollte die schüzenden Deiche öffnen lassen, um Not und Tod über die Bauern zu bringen. Aber auch jezt waren die Bewohner Weststedingens auf ihrer Hut, und die feindlichen Schiffe, welche dies schreckliche Werk ausführen sollten, mußten im Herbst 1233 unverrichteter Sache umkehren. Nun aber rüstete sich im Frühling 1234 alles zur Vernichtung des helden­mütigen Volfes. Viele stolze Geschlechter waren im Kreuzheere vertreten: die von Cleve, von Holland  , von Brabant  , von Geldern, von Berg- Altena. Es begann die Todesschlacht der Stedinger.

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Der Morgen des 27. Mai 1234 brach an. Während die Ritter auf dem linken Weserufer vorrückten, begleiteten die Schiffe den Zug des Heeres. Die südlichen Verschanzungen an der Ochtum ließ man unbeachtet, selbst den wichtigsten Zugang zu ihrem Lande, den hasberger Paß. Altenesch gegenüber wurde die Ochtum überbrückt. Auf dem Blachfelde standen mehrere tausend der rüstigen Bauern, dicht geschaart und wohl geordnet, unter der Führung dreier Helden, deren Namen uns

überliefert sind; sie hießen: Bolke von Bardenflot*), Tammo von Huntdorf und Detmar von Dieke. Fest entschlossen, mit flarem Bewußtsein gingen sie für ihre Heimat in die Ent­scheidungsschlacht, die nur Sieg oder Tod bringen konnte. Man hat früher immer die Zahl der Streiter zu hoch geschäzt. Es ist jezt erwiesen, daß ungefähr 3000 Bauern 10000 Feinden gegenüberstanden, wohlbewaffneten und kriegsgeübten Feinden, die von ritterlichen Männern angeführt und von der Klerisei aufgestachelt wurden.

Das ist eben der unsterbliche Ruhm der Stedinger, daß sie angesichts einer solchen Macht nicht zagten. Als das Kreuzheer angriff, begann die Geistlichkeit in der Ferne jenes alte Klage­lied zu singen:" Mitten wir im Leben sind vom Tod umfangen." Stürmisch drang der Graf von Holland   vor; aber die Stedinger wichen nicht. wichen nicht. Wie wütende Hunde" erschienen sie den Kreuz­trägern. Immer wilder wurde das Streiten, immer lauter der Gesang der Mönche und das Kampfgeschrei der Stedinger. Mancher Ritter sinkt zu Boden; auch Graf Heinrich von Olden­burg wird erschlagen. Aber allmälich breiten sich die Schaaren des Kreuzheeres aus, und als Graf Dietrich von Cleve mit frischer Mannschaft ansprengte, erlahmte die Verteidigung der Bauern. An diesem blutigen Tage wurden die Stedinger nach heldenmütigster Gegenwehr, an der auch Frauen teilnahmen, von der Uebermacht vernichtet. Nur wenige retteten sich auf geheimen Wegen in die Sümpfe oder nordwärts über die Hunte. ,, Aldus namen du stedinge eren ende", heißt es unter einem alten einfachen Bilde, das den Kampf bei Altenesch andeutet. Wie sehr man diese Bluttat seitens der Kirche pries, sieht man daraus, daß bis ins 16. Jahrhundert hinein in Bremen   zu Ehren der heiligen Jungfrau eine große Gedenkfeier" an den Sieg über die Stedinger gehalten wurde. Das Land Stedingen  verfiel dem Sieger, der es nach Willkür unter seine Getreuen, verteilte.

Dies sind die Hauptpunkte, die die Geschichtsforschung von dem heroischen Kampfe zu berichten weiß, der auch von der Sage mannichfach umwoben worden ist. Am bekanntesten ist die Sage vom Beichtgroschen". H. Allmers läßt in seinem Fragment aus einem unvollendeten Epos: Die Stedinger", Detmar von Dieke sagen:

Hört mi to,

Grad ists twe Jahr nu, als min Fro Dat hill'ge Abendmahl wull nehmen, Un als de dicke Papi) ut Bremen  , Ji weten et All, de gierige Hund, Ehe das Bichtgeld stek in den Mund, Wat ehm gewiß to wenig wer, De Papen de wöllt ummer mehr. Dat makede nu ehr Hart so swar, Se teem to mi un weende gar,

Se schmeet sit dal 2), se wrung de Hann³), Se reep: O wat'n Schimp un Schann! Aber ick seg to min Fro:

Sy doch man still un ween nich so! Den Papen schall de Düwel halen, Ick will selber hen un ehm betalen. Geseggt, gedahn. De Pap de seet Grad achtern) vullen Disch un freet, Jd segg nicks anners as: du Hund! Een Slag, da leg ho an den Grund; Grad in de Dunnje 5) har ick drapen, Nu kann de Kerl to Middag slapen.

Als nun der Erzbischof von Bremen   die Auslieferung des Priestermörders verlangte, gab man ihm höhnisch die Antwort, daß jeder von ihnen so wie jener gehandelt hätte.-

Eine andere Sage überliefert, daß ein Verräter während der Schlacht von Altenesch dem Feinde einen verborgenen Weg durch das Moor gezeigt habe, so daß die Kreuzfahrer den Stedingern in den Rücken kommen konnten.

*) Die Nachkommen dieses Helden, leben heutzutage noch in Ste­ dingen  . Auf einer Fußtour durch das Land lernte ich vor kurzem einen Gymnasiasten kennen, der sein Geschlecht direkt auf Bolke von Bardenflot zurückleitet.

1) Pfaffe. 2) Sie warf sich zu Boden. 3) Sie rang die Hände. 4) hinter. 5) Schläfe.