Ergreifend ist die Sage vom„ echten Priester", der ani Vorabende der Schlacht zu den Geächteten gekommen sei, um all die kirchlichen Handlungen, die sie so lange entbehrten, noch vorzunehmen und dann mit ihnen zu sterben. In der alten Kirche von Berne habe noch ein lezter Gottesdienst stattgefunden. In wahrhaft erschütternder Weise zeigt sich auch an der Geschichte der Stedinger die Wahrheit, daß die Weltgeschichte das Weltgericht sei, und zwar in dem Sinne, daß die Wahrs heit, die Gerechtigkeit doch endlich in hellem, glänzenden Lichte strahlen, wenn sie auch noch so lange, ja Jahrhunderte, verdunkelt worden sind. Die Mitwelt und noch viele andere Geschlechter zollten Gerhard II., dem Vernichter eines ganzen Volkes, den Tribut falscher Ehren und feierten ihn als den Wiederhersteller des Glaubens. Die späte Nachwelt aber hat seinen Namen vor dem Richterstuhle der Wahrheit und Gerech= tigkeit gebrandmarkt und die Ermordeten mit unvergänglichen Lorbeeren geschmückt. 1834, also 600 Jahre nach der Todes= schlacht bei Altenesch, errichtete man zum Andenken an jenen blutigen Tag zwischen dem genannten Orte und Ochtum ein schlichtes Denkmal, das an der Vorderseite die Inschrift trägt: ,, Den im Kampfe für Freiheit und Glauben auf diesem Schlachtfelde gefallenen Stedingern."
An der rechten Seite steht:
Links:
Am 27. Mai 1234 unterlag den mächtigen Feinden das tapfere Volk."
,, Bolke von Bardenflot, Tammo von Huntorp, Detmar tom Dyk fielen als Führer mit ihren Brüdern."
Die Rückseite zeigt die Worte:
,, Am Jahrestage der Schlacht 1834 geweiht von späten Nachkommen."
Alte Chronisten, wie der Abt Emmo von Werum in Fries land , einer der ersten, der die Geschichte der Stedinger behandelt, nennen sie die Ungehorsamen, die Gözendiener, die Kezer, und stellen sie auf eine Stufe mit den Sarazenen. Und wie ist es heute?
Hermann Allmers widmet ihnen in seinem berühmten Marschenbuche ein begeisterndes Kapitel und verfaßte auch das schon oben erwähnte" Fragment aus einem unvollendeten Epos: die Stedinger," in denen er zunächst schildert, wie des Kaisers Acht und der Kirche Bann auf dem Stedingerlande lasteten, wie die Mannen desselben in der alten Kirche zu Berne zu= sammenkommen, um sich zu beraten und zu bereiten für die nahenden schweren Zeiten. Sie erwählen als„ vernunftigen Olen", der Ordnung hält in der Versammlung, den greisen Bolke von Bardenflot, der sich sehr leicht mit dem Walther Fürst der Schweizer vergleichen läßt. Ein zweiter, der Stauf facher der Stedinger, der Sprecher der Gemeinde, tritt dann auf und erzählt von seinem Priestermorde und fordert seine Landsleute auf, ein Bündnis gegen den Erzbischof zu schließen. Er schließt mit den Worten:
" Int Norden un Süden, all wi Frisen,
Wi moten nu den Bischop wisen, Dat wi utstat Mann for Mann, Denn dat geiht all de Frisen an Binnen im Lande oder buten!), Wi moten en grotet Bundnis sluten, Wi mögen wohnen an de Weserkant Oder of in Wangerland 2);
Rustringer un Brockmer alltomal,
Würder un Wurster noch so wit hendal³),
1) Draußen. 2) weist hin auf die friesischen Länder und Stämme. 3) noch so weit hinaus.
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Wat wi ok hebben mögen for Namen, Alle wi moten holen tosammen; Wi sund en Volk, wi sund en Blod, Unse Freheit is unse beste Got, Un lat wi uns de Freheit roben, Js alles fort; dat is min Globen." Da rief ihm alles jubelnd zu:
So mot es syn! ja Recht hast du! Wi moten den Bischop lehren un wisen, Dat wi noch sund de olen Frisen.
Is unse Freheit fort, is Alles fort;
Lewer dod as Sklav, dat is unse Wort!"
"
Hermann Voget, ein bremer Dichter, und Gottfried Kinkel behandelten diesen tragischen Stoff aus der Geschichte der Stedinger dramatisch. Allerdings sind diese Poesien kaum in weitern Kreisen bekannt geworden, und der leztere Dichter schien es, wie aus einer Zuschrift aus den lezten Jahren an mich hervorging, gar nicht gern zu sehen, wenn man auf sein nur als Manuskript gedrucktes dramatisches Erstlingswerk zurückkam. Vor zwanzig Jahren sang Arnold Schlönbach ein vaterländisches Epos über den Freiheitskampf der Stedinger, das von der höchsten Begeisterung für des gewaltigen Stoffes ursprüngliche Elementarkraft" durchglüht ist und nicht blos den Kampf in ergreifender Weise verherrlicht, sondern auch in trefflichen Bildern das Leben und Treiben in den schönen Marschen schildert. Der Vorgesang zu dem Epos beweist am besten, wie der Dichter von der Großtat der„ königlichen Bauern". hingerissen ist. Schlönbach schließt seine Gesänge mit dem herrlichen Nachrufe: Also sankst du, Volk der Bauern, Dessen Herz der Freiheit Tempel! Also sankst du, doch als ew'ges Und als leuchtendes Exempel! Wurdest selbst du auch gemordet Deine Freiheit ward es nicht! Und sie stieg von deinem Grabe Wie ein Herold auf zum Licht. Wie ein Herold, neuer Zeiten, Ewig heilgen Menschenrechts;
Zu durchzünden mit Begeistrung Jünger kommenden Geschlechts!
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Die neueste Verherrlichung der freiheitliebenden Bauern gab vor wenigen Jahren der detmolder Dichter Th. Piderit in seinem Trauerspiel:„ Die Stedinger", das seinerzeit auch auf der sogenannten Novitätenbühne in Berlin aufgeführt wurde, sich aber keines durchschlagenden Erfolges erfreute, obgleich es reich ist an packenden Szenen und wahren dichterischen Schönheiten, auf die wir hier nicht näher eingehen können. Es sei hier nur noch der ergreifende Schluß der Tragödie erwähnt, wie der sterbende heldenhafte Bauernanführer, Bolke von Bardenflot, nach der Vernichtungsschlacht bei Altenesch von seiner Schwester, die sich dann selbst tötet, scheidet:
„ Else,
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wie hat sich meine Seele danach gesehnt, Dich noch einmal zu sehn, ehe ich sterbe! Unser Volt ist vernichtet, Gott hat es so gewollt!
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Aber wir haben nicht umsonst gekämpft,= denn die blutige Saat der Freiheit wird aufgehen früher oder später! Einſt schwindet die finstre Nacht im Morgenrote einer bessern Zeit, und wenn dann die Sonne des Friedens leuchtet über allen deutschen Landen, dann wird man auch der stedinger Männer gedenken, der Männer, die lieber sterben wollten, als sich der Knechtschaft beugen!( zurückſinkend:) Der Tod, der Tod macht uns frei!"
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