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Die Wüste Sahara  .

Von 2. Blos.

Die große Menge von Dasen, die in der Wüste zerstreut liegen, ermöglichen es, diese ungeheuren, verödeten, wasser und pflanzenlosen Landstriche zu durchmessen.

Die vielen Volksstämme, welche die Wüste, resp. die Oasen und die kultivirbaren Punkte jener weiten Landstriche bewohnen, sind in ihren Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuchen sehr verschieden. Durch ganz Nordafrika   bis zum Sudan   hinauf zieht sich der große Stamm der Hamiten, der also auch die große Wüste bedeckt. Die Wüstenbewohner zerfallen wieder in vier große Stämme; im Westen wohnen die Mauren  , im Nordwesten die Tuat, in der Mitte die Tuareg und im Osten die Tibbu. Der Muhamedanismus herrscht durchgängig bei diesen Völkerschaften und erstreckt sich weit über die Süd­grenze der Sahara   hinaus. Eine Menge handeltreibender Juden haben sich in den Dasen angesie­delt, welche den Vers kehr mit dem Süden vermitteln helfen. Die Stämme der Sahara  teilen sich in seß­hafte, die ständig in einer Dase sich auf­halten, und wan= dernde oder Noma­denstämme, die in Filzzelten wohnen und ihren Wohnort jeden Augenblick wechseln fönnen. Die Noma­den verändern ihren Wohnort je nach der Ergiebigkeit der Jagd­gründe oder auch, wenn sie Räuberei treiben, je nach der Richtung, welche die von ihnen bedrohten Karavancu züge nehmen.

Als die Araber

aus ihrer Heimat nach

Nordafrika   vordrangen

( Schluß.)

Die in Afrifa zurückbleibenden Mauren   dagegen sezten sich nicht nur in den von Alters her kultivirten Küstenstrichen fest, sondern sie breiteten sich auch nach dem Süden aus. Der Muhamedanismus drang vor bis zum Niger, den die Euro­päer vom Norden aus nur sehr schwer zu erreichen vermögen. Die Wüste wurde von maurischen Stämmen besezt; die einge­borenen Negerſtämme wurden vertrieben, unterjocht, und ver mischten sich teilweise mit dem arabischen   Blut. Je nach der Beschaffenheit von Boden und Klima bildeten sich die Abfömm­linge in von einander verschiedene Stämme und Horden aus. Doch sind ihnen die großen, gemeinsamen Merkmale geblieben; sie haben dieselbe Religion und gehören im ganzen der großen islamitischen Glaubensgenossenschaft an. Auf dem Boden der Wüste, der seine Bewohner nur schwer erhält, konnte die mau­

Case Negrin.

rische Kultur nicht jene Höhe erreichen, wie in dem von der Natur mit den reichsten Gaben gesegneten Spanien  ; auch mußte die Be­völkerung dünn blei­ben, und die Absonde­rung bom großen Weltverkehr, die das Wüstenleben mit sich bringt, ließ eine rasche Entwicklung nicht zu. -Dennoch wurden Schäze maurischer Bil­dung mit in die Wüste genommen; arabisches Gelehrtentum in Phi­losophie, Geschichte, Matematik, Astronomie und arabische Dicht­kunst florirten auch in der Wüste, und sogar die so schwer erreich bare, mit einem förm lichen Sagenkreis um

gebene Stadt Tim:

buktu am Niger  , am

danischer Gelehrsamkeit, eine Sache, über die wir allerdings nicht näher unterrichtet sind.

und dort jenes berühmte und große Reich gegründet hatten,| Südrand der Sahara  , gilt hente noch als ein Hauptsiz muhame­schieden sie sich in zwei große Teile. Der eine Teil dieses da­mals so kriegerischen, kraftvollen und unternehmenden Volkes sezte über die Meerenge von Gibraltar, stürzte zunächst die alte Westgotenherrschaft und eroberte ganz Spanien  . Auch über die Pyrenäen   drangen die kühnen Eroberer, bis die sieben tägige Schlacht von Tours ihrem Ungestüm ein Ziel sezte. In Spanien   aber, diesem schönen Lande mit seinen reichen Mit teln, schufen die Araber eine blühende Kultur und leiſteten im Verhältnis mehr, als jemals cine christliche Bevölkerung Spa­ niens  . Wir bewundern heute noch die herrlichen Denkmale maurischer Kunst in Spanien  ; die Bildung in Spanien   stieg unter maurischer Herrschaft so hoch, daß die maurischen Philo­sophen Averroes   und Maimonides   lange Zeit mit ihren An­schauungen in der europäischen   und orientalischen Philosophie dominirten. Eine frühzeitige Industrie blühte empor und das Land war reich, gebildet und glücklich, bis christlicher Fanatis­mus alles zerstörte. Zur Zeit, da in Deutschland   noch rohe fränkische Häuptlinge herrschten, marschirten in Spanien   die Mauren   an der Spize der Kultur. Jene glänzende Periode der maurischen Herrschaft hätte noch besser gewirkt, wenn sie nicht auch mit dem religiösen Fanatismus der Anhänger des Propheten verquickt gewesen wäre.

Diese Wüstenstämme sind teils ganz unabhängig, teils stehen sie unter dem Patronat der Pforte. Sie leben alle nach un­seren Begriffen in großer Armut, fühlen sich aber glücklich und stolz in ihrer Unabhängigkeit. Sogenannte Sultane stehen an ihrer Spize, deren Gewalt aber keineswegs eine unbeschränkte ist. Der Egoismus dieser fleinen Tyrannen trägt viel dazu bei, daß der Verkehr mit den Wüstenstämmen den Europäern so sehr erschwert wird, denn die Beherrscher der Dasen fürchten für ihre Herrschaft bei eindringender curopäischer Zivilisation. Das Haupthindernis, diese Stämme zu einem Anschluß und zu näheren Beziehungen für die Europäer zu gewinnen, besteht nicht aber in dem Mangel an Bildung, sondern es ist das starke und berechtigte Freiheitsgefühl, das die Zurückhaltung bewirkt. Zu dem Christentum sind diese Stämme schon gar nicht zu bekehren; sie halten mit dem ganzen muselmännischen Fanatismus an der ihren phantastischen Vorstellungen ent sprechenden Religion des Propheten fest. Handel und Verkehr sind die Mittel, welche sie den Europäern allmälich näher bringen werden. Wenn sie erst bemerkt haben werden, daß der Verkehr mit Europa   und die durch denselben zu erreichenden