Rossen, ihren langen Flinten, ihren Säbeln und Dolchen, ihren flatternden weißen Mänteln und ihrem unbeugsamen Fanatismus in den heißen, harten, kahlgeschorenen afrikanischen Schädeln.
Die Wohnungen sind auch bei den seßhaften Stämmen wenig komfortabel. Die Reicheren wohnen in flachen, steinernen Häusern, die weniger Bemittelten und die Armen in Lehm und Erdhütten mit schlechter Lüftung und voll Unreinlichkeit. Manche der Wüstenstädte haben gar keine Straßen, sondern man passirt entweder die flachen Dächer der Häuser, um zu den einzelnen Wohnungen zu gelangen, oder schmale Gänge, die durch die einzelnen Gebäude führen. Selbst das berühmte Timbuktu ist mit lauter schmuzigen Rohrhütten umgeben; die Straßen sind so eng, daß kaum drei Menschen neben einander passiren können und nur im Kaufmannsviertel findet man bessere Straßen und eine Anzahl zweistöckiger Häuser.
Unsere Illustrationen zeigen u. a. auch sechs karakteristische Köpfe vom Stamme der Ahaggar- Tuareg. Diese Ahaggar sind die„ ritterlichsten" und darum auch gefährlichsten und gefürchtetsten Räuber der Wüste. Sie wohnen südlich von Algier , hinter Insalah, in unzugänglichen Gebirgen; ihr Hauptort heißt Jdeles. Ihr Land ist sehr arm, und wenn sie feine Kameele hätten, müßten sie es verlassen. Sie produziren außer spär= lichen Lebensmitteln fast nichts als Waffen und Kleider. Die Karavanen müssen ihnen schwere Tribute bezahlen; doch wird ihnen das Geld von schlauen arabischen und jüdischen Händlern wieder abgenommen. Sie liegen mit fast allen Nachbarn im Streit, und es kommt häufig zu blutigen Kämpfen.
Alle diese Tatsachen festzustellen ist erst im Laufe langer Zeiten gelungen. Die Erforschung Innerafrikas ist eines der schwierigsten Projekte, an dessen Lösung die zivilisirte Mensch heit noch lange zu arbeiten haben wird. Was bis jezt befannt geworden, fonnte nur mit den größten Opfern und mit unsäglichen Mühseligkeiten und Gefahren erreicht werden.
Die Kenntnis der Sahara verdankt man hauptsächlich den Reisenden Mungo Park , Denham, Clapperton, Alexandrine Tinné , Laing, Caillié, Barth , Overweg, Vogel, Nachtigal , Gerhard Rohlfs u. a.; Gerhard Rohlfs ist augenblicklich noch für die Afrikaforschung tätig. Eine ganze Reihe von kühnen und opferwilligen Männern hat ihren Tod bei diesen Forschungen gefunden, teils durch die Beschwerden des Klimas, teils durch die Feindseligkeit der Eingeborenen. Wie schwer es ist, von Norden nach Süden vorzudringen, mag man daraus ermessen, daß es z. B. bis auf Dr. Barth erst drei Europäern gelungen ist, die berühmte Stadt Timbuktu zu betreten; zuerst dem englischen Major Laing, der 1826 dort anlangte, nach einem kurzen Aufenthalt auf dem Rückweg aber ermordet wurde; ferner dem Franzosen Réné Caillié, der 1836 nach Timbuktu kam und etwa 14 Tage dort war, sich aber verbergen mußte und wenig sah. Erst Dr. Heinrich Barth gab eine genaue Beschreibung der Stadt, durch welche viele Fabeln beseitigt wurden. Er war ein halbes Jahr, vom September 1853 bis März 1854 in der Stadt, unter vielen Gefahren, und hatte es nur merkwürdigen Umständen zu danken, daß er lebendig wieder hinaustam. Barth und Gerhard Rohlfs haben wohl mit dem meisten Glück und Geschick unter den neueren Reisenden ihre zahlreichen Abenteuer bestanden.
Es konnte nicht fehlen, daß sich zahlreiche Gelehrte und praktisch gebildete Technifer mit der Frage beschäftigten, wie man den Verkehr mit der Sahara erleichtern, resp. sichere Verkehrswege schaffen könne. Und man kam auf den Gedanken, ob es denn nicht möglich sei, einen Teil der Sahara unter Wasser zu sezen. Man hatte nämlich bald gefunden, daß einzelne Teile der Sahara niedriger gelegen sind, als der Spiegel des mittellän dischen Meeres, wobei allerdings eine oberflächliche Anschauung zu optimistisch war und diese Eigenschaft, ohne genau untersucht zu haben, fast der ganzen Sahara zuschrieb. Der französische Generalstabskapitän Roudaire, welcher an den Grenzen der Sahara in den Jahren 1872-75 Arbeiten für seine Regierung ausgeführt hatte, trat indessen, nachdem er viele Forschungen
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gemacht, mit einem Aufsehen erregenden Vorschlag auf. Unweit der tunesischen Küste, bei dem Städtchen Gabes , beginnt das große Schottgebiet. Dasselbe ist ein ausgedehntes Sumpfbecken, mit einer zähen Masse angefüllt, die denjenigen, der darin versinkt, sobald nicht wieder losläßt. Die Muselmänner verrichten jedesmal ein Dankgebet, wenn sie das Schottgebiet passirt haben. Kapitän Roudaire schlug nun vor, die Landenge zwischen dem Schottgebiet und dem Mittelmeer zu durchstechen und durch diese zweiundzwanzig Kilometer breite Strecke einen Kanal zu graben. Dieser Kanal sollte nicht nur, indem er die Fluten des Mittelmeeres einführte, die gefährlichen Sümpfe aufheben, sondern auch das Wasser des Meeres in das ganze sogenannte Depressionsgebiet der Schotts leiten, das immerhin einen beträchtlichen Raum einnimmt und das 16-22 Meter unter dem Wasserspiegel des Mittelmeeres liegt. Um das Schottgebiet herum ist der Boden so quellenreich, daß die Araber an die Eristenz eines unterirdischen Meeres glauben, von dem sie die wunderbarsten Geistergeschichten erzählen. Durch die Ueberschwemmung des Depressionsgebietes hätte man immerhin ein beträchtliches Stück Land unter Wasser gesezt und einen Verkehrsweg eröffnet. Allein neue Untersuchungen ergaben, daß die Landenge bei Gabes nicht aus Sand, wie man vermutet hatte, sondern aus sehr harten Schichten von Quarz und Sandstein besteht. Sodann berechnete man: Zum Füllen des Depressionsgebiets wären 270 milliarden Kubikmeter Wasser erforderlich; es können aber nur jährlich 20-25 milliarden eingeführt werden, weil etwa 15-18 milliarden jährlich verdunsten. Die Füllung des Depressionsgebiets würde sonach lange Jahre dauern. Dann wendete man ein, daß das Becken durch den Flugsand stellenweise versanden und so die Schifffahrt gefährdet werden würde; andererseits aber sei eine Verdunstungsfläche von zwanzig milliarden Quadratmeter nicht geeignet, die gewünschten klimatischen Veränderungen herbeizuführen.
Damit biicb die Sache liegen, trozdem die Franzosen seitdem das tunesische Gebiet besezt haben und ihnen sonach keine Schwierigkeiten von Seiten der Eingeborenen entgegenstehen. Man ist vielfach der Meinung, daß es sich lohnen würde, diesem Projekt abermals näher zu treten und zu untersuchen, ob es sich nicht dennoch verwirklichen läßt.
Dr. Chavanne, der Verfasser des bekannten großen Werkes über die Sahara , dem wir unsere Illustrationen entnommen haben, ist der Ansicht, daß die Projekte, welche Juncrafrika durch Eisenbahnen erschließen wollen, mehr Aussicht auf endlichen Erfolg hätten, als die Ueberschwemmungsprojekte. Gerh. Rohlfs hat einen großen Plan ausgearbeit, nach dem eine Eisenbahn von Tripolis über Mursuk und Kuka am Tsadsee, der wichtigsten Stadt des Sudangebiets, geführt werden soll. Dies ist der besuchteste Karavanenweg nach dem Sudan , der einem großen Höhenzug folgt und eine Menge von Dasen passirt. Die Franzosen sind noch kühner im Entwurf; sie haben eine Eisenbahn von el Aruat in Algier über das Wüstengebiet des Juat nach Timbuktu und von da nach der Mündung des Senegal ins Auge gefaßt. Man gedenkt die Schienenwege langsam von cinem Ort zum nächsten fortzuführen und überall bewaffnete Vorposten, wie man die militärischen Stationen nennt, anzulegen. Beide Pläne sind kolossal gedacht, allein eben so folossal sind die Schwierigkeiten, die ihnen entgegenstehen. Könnte einer von beiden ausgeführt werden, dann wäre Afrika erschlossen und es stände eine neue Periode voll ungeahnter Aufschlüsse und Aenderungen bevor. Aber wie und wann ausführen? Die Frage wird indes von den Franzosen eifrig studirt und die in Algier nach dem Süden zu sich richtende Bahn ist angefangen. Vorläufig bestreicht sie allerdings blos algerisches Gebiet. Der Gedanke, Afrika durch eine Eisenbahn zu erobern, ist originell
genug.
Wenn man übrigens bei der Prüfung dieser Projekte die Schwierigkeiten genau mit derselben professorenhaften Gewissenhaftigkeit aufzählen will, wie bei dem Ueberschwemmungsprojekt des Kapitäns Roudaire, dann kann man die Sache von vornherein an den Nagel hängen.